Nach der Reform des Sexualstrafrechts Sexuelle Belästigung - die Rechtslage

Demonstration in Köln (Januar 2016)
Foto: Oliver Berg/ dpaWo beginnt sexuelle Belästigung? Bei einer plumpen Bemerkung? Oder geht es dabei ausschließlich um körperlichen Kontakt? Wenn ja, welcher Art? Die Vorstellungen darüber gehen mitunter weit auseinander.
Das stellt auch den Gesetzgeber vor eine Herausforderung. Einerseits müssen in einem Rechtsstaat Betroffene effektiv geschützt werden. Andererseits ist das Strafrecht in einem Rechtsstaat die Ultima Ratio, das äußerste Mittel: Geschmack- und Distanzlosigkeiten allein rechtfertigen noch nicht die harten Sanktionen, die es vorsieht. Ein Verhalten, das Teile oder sogar die Mehrheit der Gesellschaft missbilligen, ist deshalb noch nicht automatisch strafwürdig. Gerade beim Thema sexuelle Belästigung ist diese Abwägung besonders verzwickt.
Anders als der sexuelle Missbrauch und die sexuelle Nötigung war die sexuelle Belästigung in Deutschland lange nicht ausdrücklich strafbar. Erst im Zuge der Reform des Sexualstrafrechts im vergangenen Jahr wurde der Tatbestand der sexuellen Belästigung ins Strafgesetzbuch eingeführt.
Wer eine andere Person "in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt", muss nun mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldstrafe rechnen. Bei gemeinschaftlich begangenen Taten und in anderen besonders schweren Fällen beträgt die Freiheitsstrafe drei Monate bis fünf Jahre.
Ein Paragraf gegen Grapscher
Mithilfe des neuen Paragrafen 184i sollen Handlungen wie das Berühren von Po und Brüsten sowie das plötzliche Küssen leichter als Straftat geahndet werden können. Die Vorschrift, die auch unter dem Eindruck der Kölner Silvesternacht entstanden ist, soll sogenannte "Grapscherfälle" erfassen. In solchen Situationen wird das Opfer überrumpelt und kann deshalb keinen Widerstand leisten.
"Der neue Tatbestand verlangt eindeutig eine körperliche Berührung, rein verbale Belästigungen sind weiterhin keine Straftat", sagt der Strafrechtler Joachim Renzikowski von der Universität Halle-Wittenberg. Schutz gegen sexistische Witze oder plumpe Sprüche mit sexuellem Inhalt gebe es grundsätzlich nur im Arbeitsrecht. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sieht hier Sanktionen bis hin zur fristlosen Kündigung vor.
Wann die Grenze zur Straftat überschritten ist, ist laut Renzikowski auch nach Einführung des Paragrafen 184i nicht klar bestimmt. "Die Bandbreite sexuellen Verhaltens ist groß", sagt der Strafrechtler. "Deshalb ist es für den Gesetzgeber schwer, eine griffige Formulierung zu finden. Da gibt es dann zwangsläufig Randunschärfen."
Auch gebe es noch keine höchstrichterlichen Urteile zu dem Thema. Deshalb sei derzeit schwer zu sagen, welche Handlungen im Einzelnen künftig zu Verurteilungen führen werden.