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Umstrittenes Hilfszelt Vier Frauen nutzen "Sicherheitszone" auf Berliner Partymeile

Ein Schild mit der Aufschrift "Women's Safety Area" an einem Zelt des Roten Kreuzes auf der Berliner Silvestermeile sorgte im Vorfeld für harsche Kritik. Wie ist die Bilanz des Hilfsangebots am Tag danach?

Frauen, die sexuell belästigt wurden oder die Angst vor solchen Übergriffen hatten, sollte eine extra ausgeschilderte Anlaufstelle geboten werden. Sie sollten die Gelegenheit haben sich auszusprechen, bevor sie sich an die Polizei wenden. Erstmals hing bei der größten Silvesterparty Deutschlands rund um das Brandenburger Tor in Berlin deshalb an einem Unfallhilfszelt des DRK ein Schild mit der Aufschrift "Women's Safety Area". Die Polizei hatte sich das ausdrücklich gewünscht. (Mehr Hintergründe dazu hier bei bento)

Dieses Hilfsangebot an Frauen ist in Deutschland nicht neu, sondern gibt es bereits seit Jahren auch beim Münchner Oktoberfest. Und trotzdem war die Aufregung im Vorfeld groß - in Medien und auf sozialen Netzwerken. Von einer "verheerenden Botschaft" sprach Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG): "Damit sagt man, dass es Zonen der Sicherheit und Zonen der Unsicherheit gibt", sagte Wendt der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Das sei "das Ende von Gleichberechtigung, Freizügigkeit und Selbstbestimmtheit". Auch die AfD griff die Meldung über das Schild am DRK-Zelt auf. Damit kapituliere der Staat vor der "überbordenden Einwandererkriminalität", twitterte die AfD-Bundestagsabgeordnete Alice Weidel.

Wie ist nun die Bilanz des DRK? Wie wurde die Anlaufstelle auf der Partymeile, auf der laut Veranstaltern mehrere Hunderttausend Menschen feierten, genutzt?

Vier Frauen hätten sich in der Nacht in dem DRK-Zelt im Zusammenhang mit sexuellen Übergriffen gemeldet und Hilfe gesucht, so ein Sprecher des DRK-Berlin zum SPIEGEL. Auch in den vergangenen Jahren habe das Zelt der DRK Frauen, die Opfer von sexueller Gewalt wurden, offen gestanden. Aber in diesem Jahr seien diese Fälle erstmals gesondert erfasst worden.

VIDEO: So lief die größte Silvesterparty Deutschlands

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Insgesamt hat die Berliner Polizei 13 Anzeigen wegen sexuellen Übergriffen entgegengenommen, in einem Fall wird wegen versuchter Vergewaltigung ermittelt, wie ein Sprecher dem SPIEGEL sagte. Die meisten Opfer berichteten, die Täter hätten ihnen in den Schritt gefasst. Man rechne mit weiteren Anzeigen im Laufe der nächsten Stunden und Tage.

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Nach aktuellem Stand aber sei die Zahl der gemeldeten Fälle niedriger als im vergangenen Jahr. Damals wurden 27 Fälle von sexueller Belästigung rund um die Partymeile am Brandenburger Tor angezeigt, vor zwei Jahren seien es neun Fälle gewesen. Die gesteigerte Zahl der Anzeigen 2016 führt die Polizei auch auf eine erhöhte Anzeigebereitschaft nach der Silvesternacht in Köln 2015 zurück.

Dort verlief die Silvesternacht in diesem Jahr weitgehend friedlich, das Sicherheitskonzept der Polizei scheint aufgegangen zu sein. Die Polizei hatte damit auf die massenhaften sexuellen Übergriffe vor zwei Jahren reagiert. Viele der Tatverdächtigen damals stammten aus Nordafrika. Ein Polizeisprecher in Köln sagte am Montagmorgen, neun Frauen hätten angegeben, unsittlich angefasst worden zu sein. Drei Tatverdächtige seien identifiziert worden. Szenen wie vor zwei Jahren habe es nicht gegeben. So sei es nirgends zu Zusammenrottungen von mehreren Hundert Menschen gekommen. Bis 3 Uhr nachts seien neun Ermittlungen wegen Sexualdelikten eingeleitet worden, in drei Fällen seien die Verdächtigen noch am Tatort gestellt worden.

Die Polizei in Hamburg sprach von einer ruhigen Nacht. In der Hansestadt wurde der Polizei zufolge eine Sexualstraftat im öffentlichen Raum gemeldet: Zwei junge Frauen seien von mehreren jungen Männern bedrängt und im Intimbereich berührt worden.

In München sei "gar nichts" Derartiges gemeldet worden, sagte ein Polizeisprecher am Montagmorgen. Allerdings sei es für eine seriöse Bilanz auch noch viel zu früh, schob er nach. "Die Erfahrung zeigt, dass so etwas oft erst ein, zwei Tage später angezeigt wird."

anr/dpa/AFP
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