Verfahren wegen Beihilfe zum Mord Staatsanwaltschaft Gießen ermittelt gegen früheren KZ-Wachmann

Mehr als 77 Jahre nach Kriegsende ermittelt die Staatsanwaltschaft Gießen nach SPIEGEL-Informationen gegen einen früheren Wachmann des KZ Sachsenhausen. Der Mann aus dem Rhein-Main-Gebiet ist 98 Jahre alt.
Gedenkstätte Sachsenhausen

Gedenkstätte Sachsenhausen

Foto: Omer Messinger / Getty Images

Am 20. Dezember hat das Landgericht Itzehoe ein Verfahren zum dunkelsten Kapitel Deutschlands beendet: Es verurteilte  eine frühere Sekretärin des Konzentrationslagers Stutthof wegen Beihilfe zum Mord und zum versuchten Mord. Die 97-Jährige legte Revision ein.

Fünf weitere Verfahren gegen mutmaßliche NS-Täter  liegen bei Staatsanwaltschaften in Erfurt, Coburg und Hamburg sowie zwei in Neuruppin. Es geht um Verbrechen in den Lagern Buchenwald, Ravensbrück, Neuengamme und Sachsenhausen.

Eines der beiden Verfahren aus Neuruppin ist nach SPIEGEL-Informationen nun bei der Staatsanwaltschaft Gießen gelandet. Es werde gegen einen aus dem Rhein-Main-Gebiet stammenden Mann ein Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts der Beihilfe zum Mord geführt, bestätigte Oberstaatsanwalt Thomas Hauburger.

Das Verfahren sei vor wenigen Wochen nach Gießen abgegeben worden. »Im Laufe der Untersuchungen hat sich herausgestellt, dass der Beschuldigte zur Tatzeit Heranwachsender war und aktuell in Hessen wohnhaft ist«, so Hauburger. Der 98 Jahre alte Beschuldigte soll in der Zeit von 1943 bis 1945 im Konzentrationslager Sachsenhausen in Brandenburg als Wachmann tätig gewesen sein.

Der Prozess gegen John Demjanjuk, einen Wachmann im Vernichtungslager Sobibor, ebnete 2011 den Weg für Verfahren wie dieses: Seither werden Wachmänner, Schreibkräfte, all die Helferinnen und Helfer, denen keine individuelle Tatbeteiligung nachgewiesen werden kann, zur Rechenschaft gezogen.

Erst im Juni hatte das Landgericht Neuruppin den 101-jährigen Josef S. wegen Beihilfe zum Mord in 3518 Fällen verurteilt, weil er Wachmann im Konzentrationslager Sachsenhausen gewesen war.

Sowohl in diesem Verfahren als auch in dem gegen die frühere Sekretärin im KZ Stutthof vertrat Rajmund Niwinski Überlebende. Er sagt, Beihilfe zum Mord sei ein Verbrechen, das nicht verjähre. Sollte die Staatsanwaltschaft Gießen Anklage erheben, könnte noch im kommenden Jahr der Prozess gegen den 98-Jährigen beginnen.

Im KZ Sachsenhausen bei Oranienburg, vor den Toren Berlins, waren mehr als 200.000 Menschen inhaftiert. Mehr als die Hälfte von ihnen wurde dort ermordet. Es kam zu systematischen Tötungen wie Massenexekutionen sowjetischer Kriegsgefangener durch Genickschüsse, die die Nazis als »Aktion 14f14« bezeichneten, und zu regelrechten Vernichtungsaktionen in Gaskammern.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Playlist
Speichern Sie Audioinhalte in Ihrer Playlist, um sie später zu hören oder offline abzuspielen. Zusätzlich können Sie Ihre Playlist über alle Geräte mit der SPIEGEL-App synchronisieren, auf denen Sie mit Ihrem Konto angemeldet sind.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren