Strauss-Kahn-Affäre Wirbel um verschwundenen Blackberry

Politiker Strauss-Kahn (am 12. September in Paris): Wo ist sein altes Smartphone?
Foto: Franck Prevel/ Getty ImagesNew York/Paris/Hamburg - Frankreichs Innenminister Claude Guéant verbannte die Spekulationen am Samstag ins Reich der Phantasie, UMP-Generalsekretär Jean-François Copé sprach von Manipulation - die Partei des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy ist in ziemlicher Aufregung. Grund ist ein am 22. November erschienener, sehr ausführlicher und akribischer Artikel des US-Journalisten Jay Epstein im "New York Review of Books".
Epstein rollt darin die Zimmermädchen-Affäre des Sarkozy-Widersachers und ehemaligen IWF-Chefs Dominique Strauss-Kahn noch einmal auf, wertete Überwachungsvideos des New Yorker Hotels aus, in dem der angebliche sexuelle Übergriff stattgefunden haben soll und wirft eine interessante Frage erneut auf: War DSK, wie Strauss-Kahn in Frankreich genannt wird, Opfer einer Abhöraktion der UMP oder wurde er gar in eine Falle gelockt, um ihn als potentiellen Sarkozy-Gegenkandidaten bei der Präsidentenwahl im kommenden Jahr auszuschalten?
Kein Wunder, dass der Protest seitens der konservativen Volkspartei lautstark ist. Gerüchte und Spekulationen über eine mögliche politische Verschwörung gegen DSK gab es seit Beginn der Affäre im Mai dieses Jahres immer wieder, doch Beweise gab es bisher keine. Epstein berichtet in seinem Artikel nun unter anderem davon, dass Strauss-Kahn am Morgen des für ihn so schicksalhaften 14. Mai eine SMS eines Freundes bekam, der als Rechercheur bei Sarkozys UMP arbeitete. Laut Epstein berichtete dieser Freund davon, dass mindestens eine E-Mail, die Strauss-Kahn mit seinem Dienst-Blackberry an seine Ehefrau verschickt habe, im Hauptquartier der Partei aufgetaucht sei und dort gelesen wurde.
Ein anderer Bekannter Strauss-Kahns, laut Epstein ein französischer Diplomat, hatte den Spitzenkandidaten der sozialdemokratischen Partei PS bereits vorher gewarnt, es bestehe die Gefahr, dass er mutwillig durch einen Skandal diskreditiert werden solle. Mit seinem Ersatz-Handy habe Strauss-Kahn daraufhin seine Frau gebeten, einen weiteren Freund zu mobilisieren, um schnellstmöglich sein Blackberry auf mögliche Hackerangriffe zu überprüfen.
Doch es war bereits zu spät für solche Vorsichtsmaßnahmen.
Wer sind die tanzenden Hotelangestellten?
Zwischen 12.06 und 12.13 Uhr Mittags sei es in der luxuriösen Suite 2806 des Sofitel-Hotels zum sexuellen Übergriff auf das Zimmermädchen Nafissatou Diallo gekommen, behauptete das vermeintliche Opfer, eine Anklage, die später aus Mangel an Beweisen von der New Yorker Staatsanwaltschaft fallengelassen wurde. Strauss-Kahns politische Ambitionen gerieten trotzdem ins Stocken, für Sarkozy ist er nach dieser pikanten Affäre kein so gefährlicher Gegner mehr wie im Frühjahr, als er in den Umfragen vor dem amtierenden UMP-Gegner lag.
Jay Epstein stellt noch mehr Fragen in seinem Artikel: Warum, zum Beispiel, hat es Stunden gedauert, bis die Sicherheitsbeamten des Hotels nach den Anschuldigungen Diallos die Polizei verständigten? Was machte Diallo kurz nach dem vermeintlichen Übergriff im Hotelzimmer 2820, und war sie allein in dem Raum? Wie soll Strauss-Kahn es überhaupt in einer Spanne von nur sechs oder sieben Minuten geschafft haben, Diallo mehrfach zum Oralverkehr zu zwingen und sie zu vergewaltigen? Um 12.13 Uhr rief er nämlich seine in New York studierende Tochter an, um sich mit ihr und ihrem neuen Freund zum Lunch zu verabreden. Und wer sind die beiden Hotelangestellten, die Epstein auf einem Überwachungsvideo entdeckt hat und die ein Freudentänzchen aufführen, nachdem sie von Diallos Anklage erfahren haben?
Eine wichtige Frage aber bleibt: Wo ist Strauss-Kahns Blackberry? Laut Epstein stellte der Politiker am Nachmittag nach dem angeblichen Vorfall auf dem Weg zum Flughafen fest, dass sein Smartphone nicht mehr da ist. Von seinem Zweitgerät rief er seine Tochter an, damit sie im soeben verlassenen Restaurant nach dem Gerät suchen sollte. Ein Überwachungsvideo zeigt sie offenbar, wie sie unter den Tischen herumkriecht, auf der Suche nach dem Telefon.
Auch im Sofitel rief DSK an, um seine Suite durchsuchen zu lassen. Epsteins Recherchen ergaben, dass das Gerät um 12.51 Uhr des 14. Mai deaktiviert worden sei, seitdem ist es nicht mehr zu orten und bleibt auf mysteriöse Weise verschwunden. Und damit auch die SMS, die unter Umständen belegen könnten, dass DSK in eine Falle gelockt wurde. So bleiben Epstein lediglich die Aussagen seiner Informanten, die jedoch nicht namentlich genannt werden wollen.
"Es ist nicht gleich ein Komplott, nur weil jemand sein Telefon verliert"
"Solange dies bloß Anschuldigen durch anonyme Aussagen sind, die wir nicht kennen, werden Sie verstehen, dass wir extrem vorsichtig sind und uns nicht an der Nase herumführen lassen", sagte UMP-Generalsekretär Jean-François Copé am Samstag der Nachrichtenagentur AFP. "Sich vorzustellen, dass das, was Dominique Strauss-Kahn widerfahren ist, Gegenstand irgendeiner Einmischung der UMP gewesen ist, Entschuldigung, aber das ist eine schon sehr offensichtliche Manipulation".
Auch Innenminister Claude Guéant wiegelt ab: "Ich habe Epsteins Artikel gelesen. Was steht da drin? Dass DSK sein Telefon verloren hat. Es ist nicht gleich ein Komplott, nur weil jemand sein Telefon verliert", sagte der UMP-Politiker AFP. "All das ist reine Phantasie. Wenn es jemanden gibt, der glaubt, es gebe eine Verschwörung, dann soll er bei den zuständigen Behörden eine Beschwerde einreichen, dann ist Schluss mit den Gerüchten und Unterstellungen."
"Book Review"-Autor Epstein sagte der Nachrichtenagentur: "Ich habe nicht gesagt, dass es eine politische Verschwörung war, aber ich würde schon behaupten, dass gewisse Leute Beweise für Indiskretionen finden wollten, die seine Kandidatur, wenn nicht sogar seine Stellung beim IWF gefährden könnten."