Terrorismus "Man sitzt wie auf einem Pulverfass"
Kiel - Reisende hetzen zu ihren Zügen, einige kaufen noch schnell eine Zeitung oder Reiseproviant. Nichts deutet am Samstag auf den ersten Blick daraufhin, dass im Kieler Hauptbahnhof noch vor wenigen Stunden der Ausnahmezustand herrschte. Gegen 04.00 Uhr in der Früh hatte eine Hundertschaft der Polizei den Kopfbahnhof hermetisch abgeriegelt und einen Mann festgenommen. Die Bundesanwaltschaft bestätigte später, dass es sich bei der festgenommenen Person nach ersten Erkenntnissen um einen der beiden mutmaßlichen Bahn-Bombenleger von Dortmund und Koblenz handeln soll.
Die Bundesanwaltschaft, die das Verfahren an sich gezogen hat, sorgt dafür, dass Informationen nur spärlich fließen. "Wir sind zum absoluten Schweigen verdonnert worden", sagt einer der Ladenbesitzer in der frisch sanierten Bahnhofshalle. Nur hinter vorgehaltener Hand berichtet ein Mitarbeiter von "Sultans Grill & Restaurant": "Der Festgenommene hat bei uns schon mehrfach gegessen." Er sei festgenommen worden, als er den Schnellimbiss gegen 04.00 Uhr am Morgens verlassen habe. Sogar das Essbesteck des Verdächtigen hätten die Sicherheitsbeamten beschlagnahmt. Dem Aussehen nach handele es sich um einen Libanesen, jung , "so zwischen 20 und 30", der offensichtlich in Kiel wohne.
Durchsuchung in Studentenwohnheim
Auch einen Koffer habe die Polizei unter großen Sicherheitsvorkehrungen untersucht und später weggeschafft. "Doch da waren nur Kleidungsstücke drin", berichtet der Grill- Mitarbeiter. Komisch sei es schon, in einer Stadt zu leben, "die immer wieder mit dem Terrorismus in Verbindung gebracht wird", gesteht ein Imbiss-Gast, während zum wiederholten Male eine Lautsprecheransage alle Reisenden auffordert, auf ihren Koffer zu achten. "(Mohammed) Atta, der Terrorist von New York, ist in Kiel gesehen worden, und erst kürzlich ist wieder ein Kieler Student in Verdacht geraten, mit dem Netzwerk von Al Quaida zusammenzuarbeiten."
Auch jetzt führt die Spur des Generalsbundesanwaltes offenbar in die Studentenszene: Gegen Mittag wurde ein Studentenwohnheim im Kieler Ortsteil Projensdorf von der Polizei durchsucht.
Die Sperrung des Kieler Bahnhofs brachte stundenlang den gesamten Reiseverkehr durcheinander. Erst kurz vor 09.00 Uhr wurde die Sperrung aufgehoben, rund eine Stunde später rollte der Zugverkehr wieder normal. Nach Angaben einer Bahn-Sprecherin führte die Sperrung bei 23 Fern- und Regionalzügen zu erheblichen Verspätungen.
Angst vor der nächsten Zugfahrt
Sorglos steigen die Reisenden auch jetzt noch nicht in die Züge ein. "Man sitzt wie auf einem Pulverfass", sagt eine alte Dame auf dem Weg nach Frankfurt. Der Verkäufer des Teeladens in der Bahnhofshalle fühlt sich dagegen sicherer: "Die Festnahmen zeigen doch, dass die Behörden aufpassen und allen Hinweisen nachgehen." Dass ihm die Polizeiaktion am Morgen das Geschäft zunächst vermiest habe, nehme er dafür gerne billigend in Kauf.
Kiel war am Samstag nicht der einzige deutsche Bahnhof mit Terrorarlam. Nach einer Bombendrohung wurde auch der Hamburger Hauptbahnhof am Samstagabend komplett gesperrt. Zuvor war nach dem erneuten Fund eines herrenlosen Koffers in einem Regionalzug in Koblenz auch dieser Bahnhof vorübergehend gesperrt worden. Später gab die Polizei aber in beiden Fällen Entwarnung.
Margret Kiosz/ AP