Drach-Festnahme in den Niederlanden Auf der Spur des Reemtsma-Entführers

Thomas Drach ist einer der berüchtigtsten Kriminellen des Landes. Nun soll er für drei spektakuläre Raubüberfälle verantwortlich sein. Wer ist der Mann? Und wie geriet er ins Visier der Ermittler?
Thomas Drach 2011 im Hamburger Landgericht

Thomas Drach 2011 im Hamburger Landgericht

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Christian Charisius / dpa

Acht Jahre lang war Thomas Drach frei, nun nahm die Polizei ihn in den Niederlanden wieder fest. Der vielfach vorbestrafte 60-Jährige soll zusammen mit Komplizen im März 2019 nahe dem Flughafen Köln-Bonn einen Geldtransporter überfallen haben. Doch ein Augenzeuge filmte den professionell vorbereiteten Coup und brachte damit die Ermittler auf Drachs Spur. Die Fahnder suchten seither mit einem europäischen Haftbefehl nach ihm. Doch wer ist der nun gefasste Mann, der mit der Entführung des Hamburger Mäzens und Erben Jan Philipp Reemtsma in den Neunzigerjahren für Aufsehen gesorgt hatte?

Drach und die Raubüberfälle

Drach wird verdächtigt, an mindestens drei Überfällen auf Geldtransporter beteiligt gewesen zu sein. Neben dem Raubzug am Airport rechnen die Ermittler ihm auch einen ähnlichen Überfall auf das Ikea-Möbelhaus in Köln-Godorf im März 2018 und einen Coup in einem Frankfurter Ikea im November 2019 zu. Die Strafverfolger werfen ihm schweren Raub in drei Fällen und einen Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz vor. Bei dem Flughafen-Überfall kam demnach eine Kalaschnikow zum Einsatz. Einen der gefilmten Fluchtwagen konnte die Polizei nach »sehr aufwendigen, zum Teil verdeckt geführten Ermittlungen«, wie es heißt, bis in die Niederlande verfolgen. Dort wurde der Wagen sichergestellt. In allen drei Fällen waren die Täter mit in den Niederlanden gestohlenen Autos und falschen Kennzeichen geflüchtet und hatten die Autos unweit des Tatorts in Brand gesteckt, um dann die Flucht mit einem bereitstehenden weiteren Wagen fortzusetzen.

Ermittler vor ausgebranntem Fluchtwagen nach einem Überfall in Köln (2018)

Ermittler vor ausgebranntem Fluchtwagen nach einem Überfall in Köln (2018)

Foto: Thomas Kraus / dpa

Drachs Festnahme

Der 60-Jährige wurde in den Niederlanden verhaftet. Nach SPIEGEL-Informationen ließ sich Drach widerstandslos festnehmen. Er soll am Mittwoch in Amsterdam dem Haftrichter vorgeführt werden. Die Kölner Staatsanwaltschaft hat die Auslieferung beantragt. Nach einem schnellen Verfahren könnte das einem niederländischen Justizsprecher zufolge innerhalb von zehn Tagen der Fall sein. Genauere Angaben etwa über den genauen Ort der Festnahme in Amsterdam machten die Ermittler nicht. Der »Bild«-Zeitung zufolge sucht die Polizei noch nach zwei Komplizen. Bei der Reemtsma-Entführung 1996 hatte Drach mit seinem jüngeren Bruder Lutz sowie drei weiteren Männern zusammengearbeitet.

Drachs kriminelle Karriere

Thomas Drach wuchs in Erftstadt auf, einer 50.000-Einwohner-Stadt nahe Köln. Mit 13 Jahren wurde er erstmals straffällig, er brach eine Lehre ab und überfiel mit 18 Jahren einen Supermarkt. Mit seinem ein Jahr jüngeren Bruder Lutz stürmte er 1981 in die Schalterhalle einer Bank und forderte Geld, beide wurden verhaftet. In Freiheit plante Drach die Entführung des Hamburger Soziologen und Tabakerben Jan Philipp Reemtsma. Mit Komplizen überwältigte Drach im Frühjahr 1996 den Millionär vor seiner Villa in Hamburg-Blankenese und verschleppte ihn in ein Verlies bei Bremen.

Drachs brutalster Coup

33 Tage lang hielten Drach und seine Komplizen den damals 43-jährigen Reemtsma angekettet als Geisel. Auf einen Versuch des Mäzens, sich zur Wehr zu setzen, reagierte Drach mit Gewalt: Er schlug Reemtsmas Kopf gegen die Wand. Zweimal ließ er Lösegeldübergaben platzen – und erpresste schließlich 15 Millionen D-Mark und 12,5 Millionen Schweizer Franken. Daraufhin ließen er und seine Komplizen den Multimillionär frei.

Drachs Flucht nach Südamerika

Drach tauchte zunächst in Uruguay unter und gab viel Geld für eine Villa, Geldwäscher und ein Mercedes-500-SL-Cabrio aus. In Argentinien wurde er gefasst, die Fahnder nahmen ihn in einem Hotelzimmer in Buenos Aires fest – er soll unter anderem wegen eines Konzertbesuchs in der Stadt gewesen sein. Zweieinhalb Jahre später wurde er ausgeliefert.

Drach und die Justiz

Dem von Medien als kriminelles »Mastermind« bezeichneten Drach wurde im Jahr 2000 vor dem Hamburger Landgericht der Prozess gemacht. Drach legte zwar ein weitreichendes Geständnis ab, seine Anwälte hatten damals aber Mühe, ihren Mandanten im Zaum zu halten. Immer wieder provozierte er die Staatsanwaltschaft. »Dass Herr Reemtsma heute so unversehrt hier sitzt, ist einzig und allein den besonnenen Tätern zu verdanken«, sagte Drach damals.

Er wurde wegen erpresserischen Menschenraubs zu einer Freiheitsstrafe von vierzehneinhalb Jahren verurteilt. Der Vorsitzende Richter sprach in der Urteilsverkündung davon, Drachs Verhalten müsse »mit einer Strafe in der Nähe des Höchstmaßes« begegnet werden. Die Zeit in Abschiebehaft in dem argentinischen Gefängnis, die einem SPIEGEL-Bericht zufolge luxuriös gewesen sein soll (33 Quadratmeter mit eigener Dusche), wurde ihm nur zu einem geringen Teil angerechnet.

Drach erneut vor Gericht

2011 musste Thomas Drach erneut in Hamburg vor Gericht, er war angeklagt wegen versuchter Anstiftung zur räuberischen Erpressung. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, aus dem Gefängnis heraus Druck auf seinen Bruder Lutz ausgeübt zu haben. In diesem Prozess zeigte er sich erneut von seiner unangenehmen Seite: Übel gelaunt, in Jogginghose und Trainingsjacke störte er mehrfach den Ablauf der Hauptverhandlung, provozierte mit Gesten und strapazierte die Nerven der Vorsitzenden Ulrike Taeubner. Thomas Drach bezeichnete seinen Bruder als »Ratte«, der ihn »um 75 Millionen Euro und 14 Jahre meines Lebens gebracht« habe. Am Ende musste Drach für weitere 15 Monate in Haft.

Drach und die Freiheit

2013 wurde Drach aus dem Gefängnis in Hamburg-Fuhlsbüttel entlassen, im Herbst des Jahres zog er zu einem früheren Mitinsassen auf die Mittelmeerinsel Ibiza. Trotz der Millionenbeute soll er finanzielle Probleme gehabt und keine Miete für den Unterschlupf gezahlt haben. Dass Drach nun Überfälle begangen haben soll, deutet ebenfalls darauf hin, dass von dem Lösegeld aus der Reemtsma-Entführung nur noch wenig übrig ist.

apr/jjc/bbr/dpa
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