Organisierte Kriminalität Razzia gegen Neonazi-Netzwerk in Thüringen
In einer groß angelegten Polizeiaktion durchsuchen Beamte derzeit 27 Wohn- und Geschäftsräume im Raum Gotha, in Bad Langensalza, Saalfeld-Rudolstadt sowie im Lahn-Dill-Kreis in Hessen und im Burgenlandkreis in Sachsen-Anhalt. Bei den Ermittlungen geht es um den bandenmäßigen Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Verbindung mit dem Tatvorwurf der Geldwäsche.
Laut Thüringer Landeskriminalamt (LKA) gab es insgesamt zehn Festnahmen: Haftbefehle sowie ein weiterer sogenannter Vollstreckungshaftbefehl wurden demzufolge umgesetzt. Eine weitere Person hätten die Beamten festgenommen, weil man bei ihr Betäubungsmittel gefunden habe. Laut Polizei wurde eine Limousine gepfändet, die Einsatzkräfte stießen demnach außerdem auf Drogen und Bargeld.
Ein Netzwerk für den Verkauf von Crystal Meth
An der Aktion sind 500 Beamte beteiligt, darunter Spezialkräfte aus Sachsen-Anhalt, Spezialisten des Bundeskriminalamts und des hessischen LKA sowie mehrere Polizeihunde. Die Beschuldigten sollen zwischen 24 und 55 Jahre alt sein. Sie sind mutmaßliche Mitglieder der Neonazi-Bruderschaften »Turonen« und »Garde 20« und sollen einen groß angelegten Drogenhandel in Thüringen betrieben haben.
Zudem stehen sie im Verdacht, Gewinne aus diesen Drogengeschäften gewaschen zu haben. Laut MDR spielt bei der Geldwäsche offenbar auch ein Anwalt der rechten Szene eine Rolle. Seine Kanzlei in Hessen wird demnach ebenfalls durchsucht. Der Auslöser für das Verfahren soll eine Abhöroperation des Thüringer Verfassungsschutzes gewesen sein.
»Das ist ein harter Schlag gegen die rechtsextreme Szene«, sagte der Thüringer Innenminister Georg Maier (SPD) dem SPIEGEL. Vorausgegangen seien mehrere Jahre Aufklärungsarbeit durch den Verfassungsschutz und das Landeskriminalamt. »Der Fall zeigt, dass wir Verbindungen zwischen Rechtsextremismus und Organisierter Kriminalität genau in den Blick nehmen müssen«, sagte Maier.
Die Razzien waren laut MDR monatelang vorbereitet worden. Mitglieder der Neonazi-Bruderschaft »Turonen« und der »Garde 20« sollen seit Jahren weite Teile des Drogenhandels in Thüringen organisieren. So sollen sie allem Anschein nach ein Netzwerk unter anderem für den Verkauf von Crystal Meth aufgebaut haben. Hinzu sollen Waffengeschäfte kommen.
Razzien seit Monaten vorbereitet
Die Neonazis sollen mit einer hohen kriminellen Professionalität vorgegangen sein. Offenbar waren die Männer auch im Rotlichtmilieu aktiv. In Gotha sollen sie ein Bordell betrieben und ein zweites geplant haben, auch dort finden zurzeit Durchsuchungen statt.
Auch die Neonazi-Immobilie »Gelbes Haus« in Ballstädt im Landkreis Gotha wird laut MDR untersucht. Über dem Gebäude ist auch eine Drohne im Einsatz, um Übersichtsaufnahmen zu machen, wie die Polizei mitteilte.
Die »Turonen« und die »Garde 20« sind Neonazi-Bruderschaften, die ähnlich wie kriminelle Rockerbanden entsprechende Symbole benutzen. Das Netzwerk soll im Jahr 2015 gegründet worden sein.
In Hessen wurde nach SPIEGEL-Informationen im Zusammenhang mit den Ermittlungen der rechtsextreme Szeneanwalt Dirk Waldschmidt festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, an Geldwäsche beteiligt gewesen zu sein. Seine Verteidigerin wollte sich nicht zu den Vorwürfen äußern. Waldschmidt verteidigte 2019 eine kurze Zeit lang Stephan Ernst, den Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Früher war er Vize-Landeschef der NPD in Hessen.