Qualvolle US-Hinrichtung "Das ist keine Art, Rache zu nehmen"
Um 18.23 Uhr am Dienstag spritzte der Henker das Betäubungsmittel Midazolam in Clayton Derrell Locketts Venen, gefolgt von Vecuronium, um ihn zu lähmen, und Kaliumchlorid, um sein Herz zu stoppen.
Doch der Giftcocktail versagte. Lockett blieb bei vollem Bewusstsein, er wand sich im qualvollen Todeskampf, zuckte, zappelte, bäumte sich auf, knirschte mit den Zähnen, murmelte "Mann!".
Hastig verhängten die Beamten das Fenster zum Nebenraum, in dem die Zeugen hockten - und brachen die Hinrichtung ab. Trotzdem starb der Delinquent noch auf der kalten Pritsche. Aber erst um 19.06 Uhr - an einem Herzinfarkt. Sein Tod dauerte 43 Minuten.

Grausam missglückte Hinrichtung: Auftrieb für Gegner der Todesstrafe
Fest steht: Das Betäubungsmittel wirkte nicht, und Lockett durchlitt alle Folgen der beiden anderen, unerträglich schmerzhaften Gifte. "Es sah aus wie Folter", berichtete sein Anwalt David Autry. Unklar ist, warum das Betäubungsmittel nicht wirkte.
"Das ist keine Art, Rache zu nehmen", prangerte die demokratische US-Kongressabgeordnete Gwen Moore im Kabelsender MSNBC an.
Die Horror-Hinrichtung hat der Debatte um die Todesstrafe in den USA eine neue Qualität gegeben. Immer mehr Exekutionen misslingen auf grausame Weise, etwa die von Dennis McGuire, der im Januar in Ohio erst nach einer halben Stunde starb. Doch Locketts Tortur hat nun selbst manche der härtesten Verfechter der Todesstrafe aufgerüttelt.
Oklahomas republikanische Gouverneurin Mary Fallin schob eine zweite, ebenfalls für Dienstag geplante Hinrichtung auf. "Die Vorfälle von gestern Abend dürfen sich nie wiederholen", forderte der texanische Ex-Gouverneur Mark White, der einst selbst 19 Exekutionen absegnete: Die "Verfassungsrechte der Verurteilten" müssten gewahrt bleiben - eine Anspielung auf den achten Verfassungszusatz, der "grausamen und ungewöhnlichen" Strafvollzug verbietet.
Der Fall "wird viele Amerikaner im ganzen Land veranlassen, die Weisheit und Moralität der Todesstrafe zu überdenken", sagte der Juraprofessor Richard Garnett auf CNN. "Die moralische Verantwortung für ihren Einsatz und Missbrauch liegt in unseren Händen."
Anhänger der Todesstrafe führen an, dass Locketts Qualen nichts seien im Vergleich zu dem, was seine Opfer mitmachen mussten. 1999 hatte er mit zwei Komplizen einen Mann und zwei Frauen überfallen. Sie vergewaltigten die Frauen und begruben eine von ihnen, die 19-jährige Stephanie Neiman, am Ende lebendig im Wald. Sie starb.
Neimans Eltern Susie und Steve Neiman begrüßten Locketts Tod: "Wir sind dankbar, dass dieser Tag endlich gekommen ist und der Gerechtigkeit Genüge getan wird."
Doch solche in ihrem privaten Schmerz verständlichen Stimmen verhallen langsam. Seit Mitte der neunziger Jahre, als die Todesstrafe in den USA am populärsten war, schmilzt die Zahl der Befürworter konstant, von 80 auf zuletzt 60 Prozent. Zugleich wuchs die Zahl der Gegner von 16 auf 35 Prozent.
Die Zahl der Todesurteile und ihre Vollstreckung gehen zurück: Immer mehr US-Staaten schaffen sie ab, immer weniger Richter verhängen sie, immer weniger Politiker treten für sie ein. 1999 fanden in den USA 98 Hinrichtungen statt. Im Jahr 2013 waren es 39.
Ein Grund für den Rückgang: Viele um ihr Image besorgte Pharmakonzerne weigern sich, Amerikas verbliebenen 32 Todesstrafen-Staaten die Substanzen für die Giftcocktails zu liefern. Die Behörden testen deshalb auf eigene Faust Alternativen oder besorgen sich die Gifte aus fragwürdigen Quellen, etwa, wie auch Oklahoma, bei obskuren Apotheken - oft mit den dramatischen Folgen.
Die Gegner der Todesstrafe setzen an diesem Punkt an: In mehreren Staaten fechten sie Gesetze an, wonach die Justiz die Herkunft des Gifts als "Staatsgeheimnis" verschweigen darf. Eine solche Klage schaffte es sogar bis zum Supreme Court, der sie aber als Präzedenzfall ablehnte. Doch eine gegenteilige Entscheidung dürfte Rechtsexperten zufolge nur noch eine Frage der Zeit sein.
Auch die Anwälte Locketts und des zweiten Oklahoma-Todeskandidaten Charles Warner, 46, hatten versucht, die Hinrichtungen wegen dieser dubiosen Umstände aufzuschieben, zumal die Giftkombination, die am Dienstag zum Einsatz kam, völlig unerprobt war. Der Streit irrte durch die Instanzen und geriet zu einem "kafkaesken Labyrinth" ("New York Times"). Sein Ende nahm er nun in einer Katastrophe.