Tödliche Attacke in München Opfer der S-Bahn-Prügler erlitt 22 Verletzungen

Kerzen und Blumen für Dominik B.: Der 50-Jährige bezahlte seinen Einsatz mit dem Leben
Foto: ddpMünchen/Hamburg - Der 17-Jährige habe von vier Kindern Geld verlangt und zweien von ihnen mit Fäusten ins Gesicht und auf den Rücken geschlagen, sagte Oberstaatsanwältin Barbara Stockinger am Montag. Ihm wird deshalb räuberische Erpressung und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. An der Tötung des 50-jährigen Dominik B., der sich in der S-Bahn und auf dem S-Bahnsteig in Solln schützend zwischen zwei jugendliche Schläger und vier Kinder gestellt hatte, war der dritte Jugendliche nicht beteiligt.
Dominik B., ein Geschäftsmann aus dem niederbayerischen Ergoldsbach, war laut Angaben des Bayerischen Rundfunks und der "Bild"-Zeitung Vorstand des Dachziegel-Unternehmens Erlus AG mit rund 600 Mitarbeitern. Offenbar war B. am Samstag auf dem Weg zu seiner Freundin, als er von den Gewalttätern am Bahnhof Solln totgeprügelt wurde. Gegen die mutmaßlichen Täter wurde noch am Sonntag Haftbefehl erlassen.
Wie Vertreter von Polizei und Staatsanwaltschaft am Montag in München sagten, wies die Leiche laut vorläufigem Obduktionsergebnis 22 Verletzungen "durch Einwirkung stumpfer Gewalt" am Kopf und am Oberkörper auf.
Dominik B. hatte sich am Samstag auf dem S-Bahnhof Solln schützend vor vier Kinder im Alter zwischen 13 und 15 Jahren gestellt, die von den Schlägern in der Bahn bedroht und attackiert worden waren. Anschließend wurde er von den Gewalttätern geschlagen und getreten. Wenig später erlag er im Krankenhaus seinen Verletzungen.
Viele Augenzeugen sollen dem Tumult auf dem S-Bahn-Gleis ausgewichen sein
Einem Polizeisprecher zufolge waren auf dem S-Bahnhof Solln zur Tatzeit laut Zeugenaussagen etwa 15 weitere Personen anwesend. Die meisten von ihnen sollen auch an der Gruppe vorbeigegangen sein. Unklar sei allerdings noch, ob zu dieser Zeit schon auf den 50-Jährigen eingeschlagen wurde. Wie der Sprecher weiter sagte, alarmierten mehrere Zeugen auf dem Bahnhof die Polizei, um die Tat zu melden. Die vier Kinder hatten noch versucht, dem Mann zu helfen, hatten immer wieder gesagt, die Schläger sollten doch aufhören.
Die Polizei traf nur wenige Minuten nach der Tat am Bahnhof ein. Sie fassten die beiden jungen Männer, die sich in einem Gebüsch versteckt hatten. Wenig später wurde der 17-Jährige festgenommen, der zwar nicht bei der Gewalttat dabei, aber offenbar an einer vorherigen Auseinandersetzung am S-Bahnhof Donnersbergerbrücke beteiligt war. Er gab zu, es habe dort eine Auseinandersetzung gegeben, außerdem sei von den vier Kindern Geld gefordert worden. Ansonsten machte er keine Angaben. Auch die beiden mutmaßlichen Mörder schwiegen auf Anraten ihrer Anwälte.
Alle drei Männer sind der Polizei bereits wegen verschiedener Delikte wie Körperverletzung, Erpressung und Diebstahl bekannt. Eine toxikologische Untersuchung soll in den nächsten Tagen herausfinden, ob die Schläger zur Tatzeit unter Drogeneinfluss standen.
Einer der beiden Schläger hat sich inzwischen bei der Familie des Opfers entschuldigt. "Ich wollte nicht, dass der Mann stirbt", zitiert der Anwalt Gregor Rose seinen 18-jährigen Mandanten Markus S. in der Münchner Zeitung "tz". "Er bedauert seine Tat zutiefst und kann sich nicht erklären, wie es zu diesem Blackout kommen konnte", sagte Rose.
Während Staatsanwaltschaft und Ermittlungsrichter die Tat als Mord bewerten, sieht der Verteidiger sie nur als Körperverletzung mit Todesfolge. Zunächst solle ein psychologisches Gutachten erstellt werden, sagte der Anwalt. Der 18-Jährige wartet im Gefängnis in München-Stadelheim auf die Anklage.
CSU will Höchststrafe für Jugendliche auf 15 Jahre hochsetzen
Die tödliche Attacke auf den Münchner S-Bahn-Fahrgast nimmt die CSU zum Anlass, eine Verschärfung des Jugendstrafrechts zu fordern. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sagte am Montag in München, die Höchststrafe für Jugendliche müsse von zehn auf 15 Jahre erhöht werden. Außerdem müssten Täter über 18 Jahre grundsätzlich nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden. Herrmann forderte die Justiz zu konsequentem Handeln gegen gewalttätige Jugendliche auf.
CSU-Chef Horst Seehofer betonte, kein Feld dürfe zu einem Tabu erklärt werden. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer warf der SPD vor, eine Verschärfung des Jugendstrafrechts blockiert zu haben. Er erhebe deswegen "schwere Vorwürfe". In Sachen Jugendkriminalität habe die SPD sich geweigert, "auch nur das Geringste zu tun".
Das bayerische Kabinett wird sich am Mittwoch mit dem tödlichen Angriff auf Dominik B. befassen. Ministerpräsident Seehofer sagte, man müsse trotz des Wahlkampfes "sachlich und besonnen" mit diesem "sehr ernsten Thema" umgehen. Dies heiße aber nicht, "dass wir nicht sehr hart und konsequent vorgehen".
Innenminister Herrmann fordert mehr Überwachungskameras
Seehofer fügte hinzu, das Problem sei nicht nur der öffentliche Nahverkehr. Vielmehr sei "generell das Phänomen zu beobachten", dass die Neigung zu immer brutalerer Gewalt massiv zunehme. Dies sei auch "keine Besonderheit nur für München". Deshalb müsse auch der Lösungsansatz sehr breit gewählt werden.
Von der Polizeipräsenz und Überwachung bis hin zur Veränderung der Strafmaßnahmen und zur Diskussion über Gewalt in den Schulen müsse man "alle Möglichkeiten in den Blick nehmen und überlegen, wo können wir etwas noch wirklich wirksam verbessern". Er habe Justizministerin Beate Merk und Innenminister Herrmann gebeten, Vorschläge zu möglichen Konsequenzen aus der Gewalttat vorzulegen. Ziel sei es, Menschen stärker zu schützen, die "in bewundernswerter Weise" Zivilcourage aufbringen".
Innenminister Herrmann forderte zudem die Deutsche Bahn auf, mehr für die Sicherheit auf den Bahnhöfen zu tun. Der CSU-Politiker sagte am Montag im rbb-Inforadio: "Ich fordere von der Deutschen Bahn klipp und klar, dass alle S-Bahn-Stationen ebenso wie die U-Bahnhöfe mit Video-Überwachungseinrichtungen ausgestattet werden."
Herrmann sagte, nach der flächendeckenden Einführung der Videoüberwachung auf Münchener U-Bahnhöfen sei dort die Zahl der Straftaten deutlich zurückgegangen. Von der Bundespolizei als Nachfolgerin der Bahnpolizei forderte der Innenminister eine konsequente Beteiligung an der Überwachung.