Tödliche Prügelattacke Münchner Polizei nimmt dritten Tatverdächtigen fest

Er zeigte Zivilcourage und wurde selbst zum Opfer - nach dem tödlichen Angriff auf einen 50-Jährigen in der Münchner S-Bahn hat die Polizei jetzt einen dritten mutmaßlichen Täter festgenommen. Unter Politikern und Experten entbrennt eine Debatte über ausgedehnte Videoüberwachung.
Tödliche Prügelattacke: Münchner Polizei nimmt dritten Tatverdächtigen fest

Tödliche Prügelattacke: Münchner Polizei nimmt dritten Tatverdächtigen fest

Foto: A3750 Andreas Gebert/ dpa

München/Hamburg - Nach der Tötung eines Münchner S-Bahn-Fahrgastes hat es eine weitere Festnahme gegeben. Es handelt sich um einen 17-Jährigen, wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, CSU, der Zeitung "Münchner Merkur" sagte. Der Jugendliche war zwar nicht bei der Gewalttat dabei, hatte aber an der vorherigen Auseinandersetzung teilgenommen.

Am S-Bahnhof Donnersbergerbrücke waren nach Polizeiangaben am Samstag zunächst zwei Jungen im Alter von 14 und 15 Jahren sowie zwei 13 und 14 Jahre alte Mädchen von drei Jugendlichen angepöbelt und bedroht worden. Die Angreifer verlangten 15 Euro, der jetzt verhaftete dritte Tatverdächtige schlug schließlich den beiden Jungen ins Gesicht und in den Rücken. Danach stieg er in eine S-Bahn und fuhr weg.

Seine Kumpane, gegen die bereits Haftbefehl beantragt wurde, verfolgten die Kinder in eine andere S-Bahn und bedrohten sie weiter. Das spätere Todesopfer, ein 50-jähriger Fahrgast, mischte sich ein. Der Geschäftsmann aus München habe aus der S-Bahn per Handy die Polizei verständigt und sich "schützend vor die Kinder gestellt". Aus Angst vor den Jugendlichen hätten die Kinder sein Angebot angenommen, mit ihm in Solln aus der S-Bahn auszusteigen. Die beiden Jugendlichen seien ihnen jedoch gefolgt und auf dem fast leeren Bahnsteig unvermittelt auf die Kinder losgegangen.

Als der Geschäftsmann eingriff, hätten sie ihn "mit massiven Faustschlägen und Fußtritten zu Boden gebracht". Erst als er bewusstlos war, hätten sie von ihrem Opfer abgelassen. Der jetzt wegen Mordes ermittelnde Staatsanwalt Laurent Lafleur sagte: "Sie haben billigend in Kauf genommen, dass er stirbt." Das Tatopfer, so der Staatsanwalt, habe sich besonnen und vorbildlich verhalten und sei aus Rache getötet worden. Das Opfer war zunächst noch in ein Krankenhaus eingeliefert worden, erlag dort aber seinen schweren Verletzungen.

Die beiden Tatverdächtigen waren in der Nähe des Bahnhofs festgenommen worden, haben allerdings bislang nicht gestanden. Wie die Polizei mitteilte, wurden die jungen Männer bis in den Sonntagmorgen hinein vernommen. Dabei hätten sie lediglich Auseinandersetzungen eingeräumt, zu ihrer eigenen Rolle aber auf Anraten ihrer Anwälte nichts gesagt.

"Es geht auch um Sühne"

Nach der Tötung des 50-jährigen Mannes entbrennt in Bayern nun eine Debatte um Jugendkriminalität und Innere Sicherheit. Bayerns Justizministerin Beate Merk, CSU, erneuerte ihre Forderung nach einer Verschärfung des Jugendstrafrechts. Ab 18 Jahren müsse grundsätzlich das Erwachsenenstrafrecht angewendet werden, sagte sie. Außerdem verlangt sie eine Anhebung der Höchststrafe für Jugendliche von 10 auf 15 Jahre.

"Ich weiß auch, dass härtere Strafen allein solche schrecklichen Taten nicht verhindern können", räumte die CSU-Politikerin ein. In einem Interview mit der "Münchner Abendzeitung" hatte bereits der Kriminologe Christian Pfeiffer darauf hingewiesen, dass höhere Strafen niemanden von einer solchen Tat abschrecken würden.

Allerdings, so Merk, gehe es ihr auch nicht nur um die Abschreckung. "Es geht selbstverständlich auch um die Sühne in diesem Fall." Solche gewaltsamen Übergriffe von Jugendlichen seien inzwischen "keine Einzelfälle" mehr. Sie seien geprägt von einer "solchen Rohheit und Grausamkeit", dass die Gesellschaft darauf reagieren müsse.

Merk forderte zudem, die Videoüberwachung auf S-Bahnen auszudehnen, eine Forderung, die auch Kriminologe Pfeiffer unterstützt: Es sei wichtig, alle Bahnhöfe mit Kameras auszurüsten, denn das Risiko bei einer Straftat erwischt zu werden, sei immer noch die beste Abschreckung.

Neue Höchststrafe gefordert

Auch Landesinnenminister Herrmann verlangte mehr Härte der Justiz. Der ältere der beiden Tatverdächtigen habe eine längere kriminelle Karriere hinter sich, aber stets "nur sehr moderate Reaktionen" dafür erfahren, sagte Herrmann dem "Münchner Merkur". Auch er forderte, das Erwachsenenstrafrecht im Regelfall auf 18- bis 21-Jährige anzuwenden sowie die Höchststrafe für schwerste Straftaten wie Mord und Mordversuch im Jugendstrafrecht von 10 auf 15 Jahre zu erhöhen.

Bei der SPD-Opposition stoßen diese Forderungen auf wenig Gegenliebe. Der SPD-Landtagsabgeordnete Hans-Ulrich Pfaffmann, Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport, sprach von einem "reflexartigen Verhalten, stets nach härteren Strafen zu rufen". Er verlangte stattdessen "mehr Polizeikontrollen und Präsenz in U- und S-Bahnen". An die Adresse der Landesregierung gerichtet, sagte er SPIEGEL ONLINE: "Das ist eine Aufgabe des Freistaates." Über einen Ausbau der Video-Überwachung könne "man allerdings reden". Pfaffmann fordert von der Staatsregierung einen Bericht über die Sicherheit in den Bahnen. Zudem müsse geprüft werden, welche Maßnahmen das zuständige Ministerium seit der letzten Attacke in einer Münchner U-Bahn eingeleitet habe.

In der Vergangenheit hatte es mehrfach brutale Übergriffe in der Münchner U-Bahn gegeben. Vor allem die Attacke auf einen Rentner, der im Jahr 2007 wegen seines Hinweises auf das Rauchverbot in der U-Bahn lebensgefährlich verletzt worden war, hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Im vergangenen Dezember hatten sechs Jugendliche einen 24 Jahre alten Mann und seinen drei Jahre jüngeren Bruder brutal niedergeschlagen und schwer verletzt.

tdo/AP/ddp
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