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Tödlicher Angriff Mehrere Menschen beobachteten Münchner S-Bahn-Attacke

Die Diskussion um mangelnde Zivilcourage wird durch neu bekannt gewordene Details des Angriffs auf einem Münchner S-Bahnhof angeheizt. Etwa 15 Menschen sollen Zeugen des tödlichen Überfalls geworden sein - griffen aber nicht ein.

München - "Als ich auf den Bahnsteig gekommen bin, haben die zwei schon auf den Mann eingeprügelt, ihn mit Füßen getreten", hatte ein 16-jähriger französischer Austauschschüler laut "Bild.de" berichtet. "Etwa 15 Leute standen rum, griffen nicht ein", so der Schüler. Die Münchner Polizei bestätigte diese Angaben jetzt.

Während der tödlichen Attacke sollen mehrere Zeugen vergeblich zum Eingreifen aufgefordert worden sein. Die Behörden sehen zur Zeit jedoch keinen Anlass, um wegen unterlassener Hilfeleistung zu ermitteln, meldet die "Süddeutsche Zeitung". Staatsanwalt Laurent Lafleur sagte der Zeitung zum Verhalten der Passanten, die Staatsanwaltschaft sei wie auch in anderen Fällen angehalten, nur eine "rechtliche Bewertung" vorzunehmen. Eine "moralische Bewertung" sei eine ganz andere Sache.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt, ob ein beherztes Einschreiten den Tod des Mannes hätte verhindern können. Am Dienstag hatte es laut Oberstaatsanwältin Barbara Stockinger zunächst "keine konkreten Hinweise auf irgendwelche Gaffer, die nur dastanden und zugeguckt haben" gegeben.

Zwei Jugendliche hatten den 50 Jahre alten Geschäftsmann Dominik B. zu Tode geprügelt, nachdem er sich schützend vor vier Kinder gestellt hatte. Der 16 Jahre alte Zeuge hatte den Vorgang laut eigenen Angaben zunächst nur am Rande mitgekriegt, als er mit einem Freund in die Stadt fahren wollte. Erst als zwei Jugendliche auf den Geschäftsmann, der am Boden lag, einprügelten, wurde er richtig aufmerksam. "Der Mann ist irgendwann zusammengebrochen und dabei mit dem Hinterkopf gegen das Geländer gestoßen", sagte der Schüler.

Tatverdächtige sind polizeibekannt

Laut "Bild"-Zeitung sollen die beiden 17-jährigen Tatverdächtigen Sebastian L. und Christoph T. nur sechs Tage vor der Attacke auf Dominik B. einen Rentner angegriffen haben. Dem Bericht vom Mittwoch zufolge bedrohten sie den Mann und forderten Geld von ihm.

Das Blatt beruft sich auf Polizeiunterlagen, aus denen hervorgeht, dass alle drei unter Verdacht stehenden Jugendlichen bereits wegen Diebstahl, Raub und schwerer Körperverletzung aktenkundig seien. Zudem seien sie als Betäubungsmittelkonsumenten bekannt. Einer der Tatverdächtigen soll die Tätowierung "NS" für "Nationalsozialismus" auf dem linken Oberarm tragen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den tödlichen Angriff am Dienstag scharf verurteilt und zu mehr Zivilcourage aufgerufen. Der Angriff sei ein "feiger, durch nichts zu rechtfertigender Anschlag" gewesen, sagte sie in Leipzig. Wer Zivilcourage zeige, müsse ermutigt werden. Gleichzeitig müssten alle Bürger "aufmerksam und wachsam" sein.

Zum Gedenken an den getöteten Dominik B. veranstalten die beiden großen christlichen Kirchen am Mittwochabend um 18.30 Uhr eine ökumenische Andacht. Die Feier auf einem Parkplatz neben dem S-Bahnhof Solln solle Gelegenheit geben, am Tatort an das Opfer zu denken und für ihn, seine Angehörigen und für die vielen indirekt Betroffenen zu beten, sagte der evangelische Pfarrer der Apostel- und Petruskirche München-Solln, Wendebourg. Es werden mehrere hundert Besucher erwartet.

ala/ddp/dpa
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