Tötungsdelikt in Frankfurt Wann wird die Nationalität eines Verdächtigen genannt?

Ein Mann soll in Frankfurt ein Kind vor einen Zug gestoßen und so getötet haben. Wie weit geht der Anspruch der Öffentlichkeit, Details über den Beschuldigten zu erfahren? Hier lesen Sie, wie SPIEGEL ONLINE damit umgeht.
Frankfurter Hauptbahnhof

Frankfurter Hauptbahnhof

Foto: ARMANDO BABANI/ EPA-EFE/ REX

Die Tat vom Frankfurter Hauptbahnhof hat Trauer und Entsetzen ausgelöst: Ein 40-jähriger Mann soll eine Mutter und ihren achtjährigen Sohn vor einen einfahrenden Zug gestoßen haben. Die Frau konnte sich noch rechtzeitig retten, der Junge wurde überrollt und erlag seinen Verletzungen.

Der Fall wirft Fragen auf: Lassen sich solche Übergriffe möglicherweise verhindern, zumindest aber erschweren? Und was ist das für ein Mensch, der zu solch einer Tat fähig ist?

Journalisten stehen bei der Berichterstattung immer wieder vor der Frage, wie sie mit Details über einen Tatverdächtigen umgehen sollen - etwa mit der Nationalität. Dieser Aspekt bewegt auch viele Leser, wie aus zahlreichen Nachrichten an unsere Redaktion hervorgeht.

Im Frankfurter Fall nennt SPIEGEL ONLINE inzwischen die Nationalität des Mannes: Der 40-Jährige soll seit 2006 in der Schweiz leben und ursprünglich aus Eritrea stammen. In ersten Meldungen nach Bekanntwerden des Vorfalls am Montag waren diese Details noch nicht genannt worden.

SPIEGEL ONLINE orientiert sich am Pressekodex, einer vom Deutschen Presserat  verfassten Sammlung journalistisch-ethischer Grundregeln. Der Presserat ist ein Verein, in dem sich die meisten Zeitungsverlage und Journalisten in Deutschland organisiert haben.

Zur Frage, ob die ethnische Identität eines Tatverdächtigen in der Berichterstattung über ein Verbrechen erwähnt werden soll, enthält der Pressekodex keine klaren Regeln  - sondern sogenannte Richtlinien.

Dort heißt es etwa über die Frage der Zugehörigkeit eines Tatverdächtigen zu einer ethnischen oder religiösen Minderheit: "Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte."

Weiter heißt es in einer dazugehörigen Handreichung des Presserats : "Reine Neugier - egal ob angenommen oder tatsächlich vorhanden, egal, ob individuell oder kollektiv - ist kein geeigneter Maßstab für presseethisch verantwortliche Abwagungsentscheidungen. Auch die Nennung einer Gruppenzugehörigkeit durch Quellen, etwa durch Behörden, entbindet die Redaktionen nicht von ihrer eigenständigen presseethischen Verantwortung."

Eine grundsätzliche Frage ist, ob es zwischen einer Straftat und der Herkunft eines Verdächtigen einen konkreten Zusammenhang gibt.

Journalisten haben also einerseits die Verantwortung, möglichst umfassend zu informieren - und zugleich soll die Berichterstattung nicht dazu beitragen, dass ein Einzelfall zu einer pauschalen Diskriminierung einer Gruppe von Menschen führt. Einerseits hat die Gesellschaft bei Verbrechen in der Öffentlichkeit, wenn prinzipiell also jeder betroffen sein könnte, einen Anspruch auf Informationen. Andererseits gilt für Tatverdächtige die Unschuldsvermutung, weshalb mit detaillierten Angaben zur Person mit Bedacht umzugehen ist.

Das alles führt dazu, dass es kein pauschales Vorgehen geben kann. Die meisten Redaktionen in Deutschland machen es sich nicht leicht, sondern wägen ab und treffen Einzelfallentscheidungen - so auch SPIEGEL ONLINE.

Eine Rolle spielt der Kontext, in dem die Details genannt werden - und wie ausführlich sie erläutert werden können. Es macht einen Unterschied, ob Details in einer kurzen Meldung oder in einem ausführlichen Hintergrundbericht genannt werden.

Da sich der Wissensstand und die Ausführlichkeit der Berichterstattung in einem Fall im Lauf der Zeit ändern, ändert sich manchmal auch der Umgang mit Details über Tatverdächtige.

Das ist im Fall der Attacke von Frankfurt geschehen. So hatte die Polizei anfangs keinerlei Angaben über die Nationalität des Verdächtigen gemacht. Erst später meldete die Nachrichtenagentur DPA unter Berufung auf das Innenministerium, der Mann stamme aus Eritrea.

red
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