Totgeprügelter Schüler in Bonn Anklage fordert Freispruch im Fall Niklas

Im Prozess um den Tod des Schülers Niklas hat die Staatsanwaltschaft überraschend einen Freispruch für den Angeklagten gefordert. Das 17-jährige Opfer war niedergeschlagen worden und an seinen Verletzungen gestorben.
Blumen und Kerzen am Tatort in Bonn

Blumen und Kerzen am Tatort in Bonn

Foto: Caroline Seidel/ dpa

Im Bonner Stadtteil Bad Godesberg wurde der Schüler Niklas im Mai 2016 auf offener Straße mit einem Schlag gegen die Schläfe niedergestreckt. Anschließend wurde ihm gegen den Kopf getreten. Der 17-Jährige starb wenige Tage später im Krankenhaus.

Im Prozess gegen einen 21-jährigen Tatverdächtigen hat die Staatsanwaltschaft jetzt überraschend einen Freispruch gefordert. Es sei nicht zweifelsfrei sicher, dass der Angeklagte Walid S. das Opfer angegriffen habe, sagte der Staatsanwalt vor dem Landgericht. Auch wenn man alles versucht habe, die Tat aufzuklären: Es komme auch ein anderer Mann als Täter in Betracht.

Laut Anklage sollen Blutgefäße im Gehirn von Niklas vorgeschädigt gewesen sein - deswegen lautete die Anklage gegen S. nicht auf Totschlag, sondern auf Körperverletzung mit Todesfolge.

Große Ähnlichkeit mit anderem Mann

Die Ermittlungen in dem Fall gestalteten sich schwierig. Lediglich ein Freund von Niklas will den Angeklagten eindeutig als Täter wiedererkannt haben. Nach der Beweisaufnahme sei nun aber nicht mehr auszuschließen, dass dieser entscheidende Zeuge sich getäuscht habe, sagte der Staatsanwalt. Es gebe eine sehr große Ähnlichkeit zwischen dem Angeklagten und einem anderen Mann, bei dem man davon ausgehen müsse, dass er ebenfalls am Tatort war.

Dieser andere Mann ist für das Gericht kein Unbekannter. Er saß in dem Prozess zeitweise im Zeugenstand, verweigerte aber die Aussage. Dieser Auftritt vor Gericht habe ihn selbst ein "bisschen aus der Bahn geworfen", sagte der Staatsanwalt. Die Ähnlichkeit sei offenkundig gewesen. Während der Ermittlungen habe man diesen Fakt aber so nicht einbeziehen können, weil der Mann sein Aussehen verändert habe und das vorhandene Bildmaterial bei der Polizei alt gewesen sei.

Vor allem für die Mutter von Niklas, die als Nebenklägerin auftritt, tue es ihm persönlich sehr leid, sagte der Staatsanwalt. "Ich kann mir vorstellen, wie wichtig das wäre, dass sie weiß, wer ihren Sohn getötet hat."

Urteil wird kommende Woche erwartet

Die Staatsanwaltschaft forderte für den Angeklagten wegen einer anderen Tat, die in dem Prozess eine Nebenrolle spielt, zwölf Monate Jugendstrafe auf Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung. Der Angeklagte hatte die Beteiligung an einer Schlägerei wenige Tage vor dem Angriff auf Niklas eingeräumt. Die Attacke auf Niklas hatte S. gleichwohl immer bestritten. Er sei gar nicht am Tatort gewesen.

Sein Verteidiger sagte, es gebe aus seiner Sicht nicht nur Zweifel an der Täterschaft seines Mandanten im Fall Niklas. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein anderer den Schüler angegriffen habe, sei sogar größer. Er forderte daher in diesem Punkt ebenfalls einen Freispruch. Wegen der anderen Vorwürfe plädierte er für einen Dauerarrest. Die Entscheidung über die Länge überlasse er dem Gericht.

Das Urteil wird am Mittwoch kommender Woche erwartet. Neben dem Hauptangeklagten S. war in dem Prozess um den Tod von Niklas zunächst ein weiterer junger Mann angeklagt gewesen. Der Prozess gegen den heute 22-Jährigen wurde jedoch im Verlauf des Verfahrens abgetrennt.

ala/wit/dpa/AFP
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten