Mit dem SUV durch die Fußgängerzone Mindestens fünf Tote nach Todesfahrt in Trier

Stark bewaffnete Polizisten sichern die Trierer Innenstadt: Menschen wurden durch die Luft geschleudert
Foto:THILO SCHMUELGEN / REUTERS
Bernd W. aus der Nähe von Trier hat mit einem SUV in Trier mindestens fünf Menschen getötet. Bei seiner Todesfahrt durch die Fußgängerzone soll W. in Schlangenlinien unterwegs gewesen sein – und mit dem Auto wahllos Menschen erfasst haben.
Unter den Todesopfern sind ein neun Wochen altes Baby genauso wie eine 73 Jahre alte Frau. Zahlreiche Verletzte werden noch in Kliniken behandelt.
Das Motiv für die Todesfahrt ist bislang unklar, der 51-Jährige war bei seiner Festnahme stark alkoholisiert, und es gibt Hinweise auf ein »psychiatrisches Krankheitsbild«.
Der Land Rover wurde sichergestellt, Bernd W. hatte die vergangenen Tage in dem von einem Bekannten zur Verfügung gestellten Auto gelebt.
Die Simeonstraße ist so etwas wie die Hauptschlagader Triers. Die belebte Einkaufsstraße führt zur Porta Nigra, jenem bereits von Römern errichteten Wahrzeichen und Herzen der Stadt. Bernd W. hinterließ mit einem silbergrauen Geländewagen entlang dieser Ader eine Schneise der Verwüstung. Mindestens fünf Menschen sind jüngsten Polizeiangaben zufolge tot, darunter auch ein Kleinkind. Mehrere zum Teil schwer Verletzte werden in Krankenhäusern behandelt, die beiden großen Kliniken Triers, das Mutterhaus und das Brüderkrankenhaus, liegen fast in der Innenstadt. Dennoch wurde vor dem Dom noch eine Sammelstelle für Verletzte eingerichtet, einige wurden zur Behandlung ausgeflogen.
Während sich in den Krankenhäusern Ärzte und Pfleger um die Verwundeten kümmern, äußert sich die Politik bestürzt über die Todesfahrt des 51-Jährigen. Es sei »das Allerschlimmste«, dass heute Menschen »ihr Leben verloren haben«, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer über das Geschehen in ihrer Heimatstadt. Die SPD-Politikerin besuchte die Verletztensammelstelle und sprach den Angehörigen der Opfer ihr Beileid aus.
Dass es nicht noch schlimmere Folgen gab, ist vermutlich dem schnellen Eingreifen der Polizei zu verdanken. Bernd W. war laut Landesinnenminister Roger Lewentz »vier Minuten nach Ersthinweis« festgenommen worden. Der Fahrer war einem Polizeisprecher zufolge »durch Kräfte des Polizeipräsidiums angehalten« und überwältigt worden. Auf einem Videoclip, der in den sozialen Medien kursierte, war zu sehen, wie Polizisten W. am Boden hinter dem Auto fesselten. Die Frontpartie des Geländewagens war stark beschädigt.
Oberbürgermeister: »Schwärzester Tag Triers seit dem Zweiten Weltkrieg«
Augenzeugen berichteten, dass nahe der Porta Nigra Menschen durch die Luft geschleudert worden seien. Auf Videobildern ist zu sehen, wie Passanten Verletzte am Boden versorgen und Rettungskräfte herbeiwinken. Bernd W. soll in Schlangenlinien gefahren sein und wahllos Menschen erfasst haben. Oberbürgermeister Wolfram Leibe erzählte, wie er nach dem Vorfall durch die Innenstadt gelaufen sei. »Es war einfach nur schrecklich. Da steht ein Turnschuh, und das Mädchen dazu ist tot«, sagte der SPD-Politiker. »Es bot sich ein Bild des Grauens.«
Leibe sprach vom »schwärzesten Tag Triers seit dem Zweiten Weltkrieg«. »Ich kann nicht verstehen, wie jemand auf die Idee kommen kann, mit dem SUV durch die Stadt zu fahren und Menschen zu töten.« Unter den Todesopfern sind ein neun Wochen altes Baby genauso wie eine 73-jährige Frau. Auch eine 25-Jährige und ein 45 Jahre alter Mann kamen laut Polizei ums Leben. Bei dem 45-Jährigen handelt es sich laut Polizei um den Vater des Babys. Die Mutter und ein Geschwisterkind liegen demnach im Krankenhaus. 300 Helfer von Feuerwehr, Rettungsdiensten und anderen Hilfsorganisationen sowie rund 450 Polizisten waren im Einsatz.

Mutmaßliche Amokfahrt von Trier
Der Tag sei ein »wirklich schlimmer und schrecklicher Tag für die Angehörigen«, sagte Ministerpräsidentin Dreyer. Mitten an einem ganz normalen Tag seien Menschen aus dem Leben gerissen worden. »Das ist einfach sehr schlimm für uns alle«. Sie sei mit ihren Gedanken bei den Verletzten und Schwerverletzten und hoffe und bete, dass sie überlebten und gesundeten.
Bernd W. stammt aus dem Landkreis Trier-Saarburg und wurde nach der Todesfahrt festgenommen, der Land Rover sichergestellt. Ein Bekannter hatte ihm das nicht auf ihn zugelassene Auto überlassen. Laut Polizei verbrachte er die vergangenen Tage nicht in seiner Wohnung, sondern im Auto.
Betonsperren vom Weihnachtsmarkt fehlten wegen Pandemie
Die Polizisten begannen noch am Nachmittag, Bernd W. zu befragen. Angaben zum Motiv gibt es noch keine, er war in der Vergangenheit nicht polizeilich in Erscheinung getreten. Hinweise auf einen politisch motivierten Hintergrund haben die Ermittler ebenfalls nicht.
Peter Fritzen ist seit 26 Jahren bei der Staatsanwaltschaft. Der Leitende Oberstaatsanwalt der Stadt sagte: »Eine derart sinnlose Tat mit so vielen Toten ist mir noch nicht untergekommen.«
Die Ermittler, so Fritzen, hätten allerdings Hinweise, dass es bei Bernd W. ein psychiatrisches Krankheitsbild geben könnte. Das sei das Ergebnis einer ersten Begutachtung eines Arztes des Gesundheitsdiensts. W. war bei seiner Festnahme außerdem stark alkoholisiert. Ein erster Atemalkoholtest habe einen Wert von 1,4 Promille ergeben, hieß es. Morgen soll sich entscheiden, ob W. in Untersuchungshaft oder in eine Psychiatrie eingewiesen werden soll.
Um der Opfer der schrecklichen Ereignisse in der Trierer Fußgängerzone zu gedenken und seine Anteilnahme auszudrücken, findet morgen um 10 Uhr eine Gedenkveranstaltung vor der Porta Nigra statt. #trier pic.twitter.com/OEisHcPtyE
— stadt_trier (@Stadt_Trier) December 1, 2020
Anders als in den vergangenen Jahren war die Trierer Innenstadt nicht mit Betonsperren gegen solche Angriffe gesichert, denn aufgrund der Corona-Pandemie fand auch kein Weihnachtsmarkt statt. »Es gibt keine umfassende Sicherheit«, sagte Oberbürgermeister Leibe. Und: »Man kann in die Menschen nicht hineingucken.«
Der Trierer Bischof Stephan Ackermann lud für den Abend (20 Uhr) zum gemeinsamen Gebet in den Dom der Stadt ein. »Ich bin zutiefst schockiert über die Amokfahrt, die quasi vor unserer Haustür passiert ist«, sagte Ackermann. Gemeinsam wolle man für die Opfer, ihre Angehörigen, für die Einsatz- und Rettungskräfte und alle, die von diesem schrecklichen Vorfall betroffen seien, beten. Auch Notfallseelsorger des Bistums seien im Einsatz.
Die Polizei schaltete ein Portal für Hinweise im Internet frei. Die Ermittler baten Augenzeugen, dort Fotos oder Videos von der Tat hochzuladen. Hinweise und Informationen für Angehörige möglicher Verletzter gibt es unter der Nummer 0800 6565651.
Anmerkung: Die Polizei in Trier hat am Abend das Alter des getöteten Babys korrigiert. Entgegen ersten Angaben war das Kind erst neun Wochen alt und nicht neun Monate. Wir haben die Textpassagen entsprechend angepasst.