Mit Morphium vergiftete Frühchen Haftbefehl gegen Krankenschwester erlassen

Universitätsklinikum Ulm: Ermittlungen wegen versuchten Totschlags
Foto: RONALD WITTEK/EPA-EFE/REXEine Ulmer Krankenschwester bestreitet laut Staatsanwaltschaft, mehreren Frühgeborenen ohne jede medizinische Notwendigkeit Morphium verabreicht zu haben. Im Spind der Frau im Universitätsklinikum sei allerdings eine Spritze mit Muttermilch, die ersten Analysen zufolge Morphin enthalten habe, entdeckt worden, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Christof Lehr. Daraus habe sich der Tatverdacht gegen die Pflegerin ergeben.
Gegen die Frau wurde den Angaben zufolge vom Amtsgericht Ulm Haftbefehl wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung in fünf Fällen erlassen. Weitere Angaben zu den Aussagen der Tatverdächtigen machte die Staatsanwaltschaft unter Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht. Es handele sich um eine junge Frau. Zum Tatmotiv gebe es noch keine Erkenntnisse. Das Mittel sei den Babys vermutlich oral verabreicht worden.
Ausgelöst wurden die Ermittlungen durch eine Strafanzeige des Universitätsklinikums, wie dessen Leitung am Mittwoch mitgeteilt hatte. Demnach litten in den frühen Morgenstunden des 20. Dezember 2019 in der Uniklinik für Kinder- und Jugendmedizin fünf Frühgeborene nahezu zeitgleich an lebensbedrohlichen Atemproblemen. Dank eines raschen Eingreifens des Krankenhauspersonals sei dies aber nach ärztlicher Einschätzung für die Kinder weitgehend folgenlos geblieben.
Laut Polizei und Staatsanwaltschaft vermutete das Krankenhaus zunächst eine Infektion als Ursache. Tests von Urinproben der Babys schlossen das jedoch aus. Die Proben wiesen zugleich Rückstände von Morphium auf, obwohl zumindest zwei der betroffenen Kinder im Alter zwischen einem Tag und einem Monat gar keines erhalten sollten. Daraufhin alarmierte die Leitung die Polizei.
"Wir bedauern es sehr"
Im Zuge der Ermittlungen durchsuchten Beamte am Dienstag unter anderem Spinde von Mitarbeitern, die in der fraglichen Nachtschicht Dienst auf der Station hatten. Im Schrank der Tatverdächtigen entdeckten sie laut Staatsanwaltschaft die Spritze mit der Muttermilch und den Morphinrückständen. Daraufhin wurde die Frau festgenommen.
Die Polizei setzte eine Ermittlungsgruppe mit 35 Mitgliedern ein. Die Ermittlungen stünden noch weitgehend am Anfang, sagte der Leiter des Polizeipräsidiums Ulm, Bernhard Weber.
Die Klinik bat um Entschuldigung: "Wir bedauern es sehr, dass es zu einem solchen Zwischenfall gekommen ist, und entschuldigen uns ausdrücklich bei den Eltern und Kindern dafür", heißt es in der Stellungnahme. Klinikumsvorstand und die Leitung des Hauses hätten "alles in ihrer Macht Stehende" unternommen, um die Ermittler zu unterstützen.
"Ich möchte allen versichern, dass wir hart daran arbeiten werden, verloren gegangenes Vertrauen der Menschen und der Stadt wiederzuerlangen", sagte Professor Udo Kaisers, der Leitende Ärztliche Direktor des Uni-Klinikums. "Wir sind alle tief erschüttert", fügte Professor Klaus-Michael Debatin hinzu, Ärztlicher Direktor der Uni-Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. "Wir müssen davon ausgehen, dass an unserer Klinik mit krimineller Energie ein Verbrechen verübt wurde."
Es bleiben viele Fragen offen. Wie konnte es etwa geschehen, dass eine Pflegekraft unbemerkt Morphium aus dem Giftschrank der Station entnehmen konnte? Dass die Verdächtige Zugang hatte, war wohl normal. "Sie gehörte ja zum Team", sagte Debatin. Aber der gesetzlich vorgeschriebene Nachweis für die Entnahme fehlte.