Urteil gegen Rapper Bewährung für Fler, Respekt für den Polizisten

Rapper Fler muss 10.000 Euro an einen Berliner Verein für Straßenarbeit zahlen
Foto: Olaf Wagner / imago imagesEndgültig bleibt sein lautstarker Abgang: Seit Patrick Losensky alias Fler Ende Januar wutentbrannt aus dem Gerichtssaal stürmte, blieb der Rapper seinem Prozess fern – und schwänzte an diesem Mittwoch auch die Verkündung des Urteils im Amtsgericht Berlin-Tiergarten. Ungestört kann der Vorsitzende Richter Carsten Schwanitz begründen, warum das vierköpfige Schöffengericht den 15-fach vorbestraften Rapper zu zehn Monaten Haft auf Bewährung nebst 10.000 Euro Geldbuße verurteilt.
Als das Verfahren im November begann und dann, nach einer Krankschreibung des Angeklagten, im Januar erneut startete, trat die Staatsanwaltschaft mit 24 Vorwürfen an. Dann trennte das Gericht die Beleidigungen von Rapper Bushido und dessen Frau Anna-Maria Ferchichi von dem Verfahren ab. 16 Vorwürfe blieben übrig, in elf Fällen ist der Rapper schuldig: sechsfache Beleidigung, dreifaches Fahren ohne Fahrerlaubnis, versuchte Nötigung und Beihilfe zur verbotenen Mitteilung aus Gerichtsverfahren.
Am schwersten wiege die versuchte Nötigung eines »Tagesspiegel«-Journalisten, dessen Artikel über die Fehde zwischen Fler und Bushido Losensky missfiel. Via Twitter schickte er ein Bild, auf dem die Klingelanlage des Hauses abgebildet war, in dem der Journalist früher gewohnt hatte. Fler drohte mit Besuch und – nachdem der Journalist die Drohungen veröffentlicht hatte – mit Schlägen »auf die Fresse«. Der Rapper ließ sich nicht einmal von einer Gefährderansprache der Polizei beeindrucken und schrieb weiter: »danke dass die polizei gerade hier war ...ist der artikel morgen nicht runter weisst du was ich mache alles liebe!«
Vor Gericht erklärte der Angeklagte, dass ein professioneller Rapper niemals zuschlage. Ob man das einem Mann, der bereits mehrmals wegen Körperverletzung verurteilt wurde, glauben kann? Fler hat jedenfalls Glück, dass sich auch der »Tagesspiegel« von seiner Drohung nicht beeindrucken ließ – der Versuch wird milder bestraft als die vollendete Nötigung.
Richter zollt bepöbeltem Polizisten Respekt
Auch das Posten eines Links zur Website »Bushido-Leaks« wertet das Gericht als Straftat. Fler hatte im Juli 2020 in der von ihm betriebenen Telegram-Chatgruppe mit 8791 Abonnenten auf das Protokoll der polizeilichen Vernehmung von Bushido hingewiesen. Dieses war auf der in der Schweiz gehosteten Website veröffentlicht worden und könnte Zeugen beeinflussen, die im aktuellen Strafverfahren gegen vier Mitglieder der Familie Abou Chaker aussagen sollen.
Gleich zu Beginn des Prozesses gegen Fler hatte Verteidiger Stefan König vor allem die Beleidigungsvorwürfe abzuschwächen versucht: Der Angeklagte sei ein Rap-Künstler, er agiere in einer Rolle und zu dieser gehöre auch verbales Pöbeln. »Beef« miteinander haben, heißt das in der Rap-Szene. Doch diesen müssen sich Nachbarinnen, Anwälte, Polizisten und Influencer der Fitness-Szene eben nicht gefallen lassen, so Richter Carsten Schwanitz. Dem Polizeibeamten, den Fler anlässlich einer Verkehrskontrolle im September 2019 als »Schwanz«, »Nuttenbengel«, »Lappen« und »Hampelmann« immens zugesetzt hatte, zollt der Vorsitzende extra Respekt – für dessen Selbstbeherrschung.
Diffizil wird der Richter bei der Beurteilung, ob der Rapper ohne Führerschein gefahren ist. »Unglücklich« sei die Kommunikation mit der Führerscheinstelle für den Angeklagten gelaufen. Dieser hatte wegen Rasens seinen Führerschein verloren und sich einem MPU-Gutachten unterzogen. Um dieses positiv zu beeinflussen, verschwieg er ein aktuelles Strafverfahren gegen sich. Dennoch hätte ihm die Führerscheinstelle erst einmal seinen Führerschein aushändigen müssen, nachdem sie ihm mitgeteilt hatte, dass dieser zur Abholung bereitläge, so Richter Schwanitz. Später hätte man Fler auch begründen müssen, warum man ihm plötzlich seinen Führerschein versage.
»Er braucht ein bisschen Nachdruck«
Losensky hatte sich unterdessen Rat bei einem Anwalt gesucht. Der versicherte ihm, dass er sich wieder ans Steuer setzen dürfe. Nachdem ein Polizist dem Rapper anlässlich einer Kontrolle das Gegenteil erklärt hatte, wollte der Anwalt seine Einschätzung noch einmal überprüfen. Spätestens jetzt wusste der Angeklagte, so das Gericht, dass die Wiedererteilung seines Führerscheins unsicher ist.
Während die Staatsanwältin meint, dass Fler nur noch mit einem Gefängnisaufenthalt zu besänftigen sei, will es das Gericht noch einmal mit einer Bewährungsstrafe versuchen. Drei Jahre muss sich Fler straffrei verhalten. »Er braucht ein bisschen Nachdruck«, meint der Richter. Zu diesem gehört auch die Zahlung von 10.000 Euro an Gangway, einen Berliner Verein für Straßenarbeit – also zugunsten von Kindern und Jugendlichen, von denen sicher auch etliche den Rapper Fler mögen.
Am Ende wirken Verteidigung und Staatsanwaltschaft gleichermaßen zufrieden mit dem Urteil. Man werde eine Berufung prüfen, äußern beide unisono. Es klingt nicht nach einer neuen Runde vor Gericht.