Bewährungsstrafe für NS-Sammler Sein Panzer muss jetzt ins Museum

Beleuchtete SS-Runen, Puppen in NS-Uniform und ein Wehrmachtspanzer im Keller: Das Landgericht Kiel verurteilt einen Rentner mit rechtem Sammelfetisch. Was hatte der Mann mit dem Nazikrempel vor?
Aus Kiel berichtet Julia Jüttner
Angeklagter F. im Landgericht Kiel: »Es standen Dinge im Fokus, die im Privaten stattgefunden haben«

Angeklagter F. im Landgericht Kiel: »Es standen Dinge im Fokus, die im Privaten stattgefunden haben«

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Axel Heimken / picture alliance/dpa

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An sieben Verhandlungstagen ging es nicht ein einziges Mal um die politische Gesinnung des Angeklagten. Warum Klaus-Dieter F. in seiner Villa im schleswig-holsteinischen Heikendorf seinen persönlichen Führerbunker nachbaute? Wurde nicht erörtert. Warum er Nazikunst und SS-Devotionalien sammelte? Stand nicht zur Diskussion. Der 84-Jährige erschien vor dem Landgericht Kiel stets adrett im Goldknopf-Zweireiher, wirkte aufmerksam und interessiert – und schwieg beharrlich zu dem Vorwurf, er habe in mehreren Fällen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen.

An den sieben Verhandlungstagen ging es um den unerlaubten Besitz des Wehrmachtspanzers des Typs »Panther« aus dem Jahr 1944, einer 8,8-Zentimeter-Flugabwehrkanone, eines Torpedos vom Typ G7A, eines Mörsers Typ »5 cm Granatwerfer 36«, von Maschinen-, Sturm- und Raketengewehren, halb- und vollautomatischen Pistolen sowie mehr als 2000 Schuss Munition und Nitrozellulosepulver. Und es ging darum, ob Panzer, Flak und Mörser noch funktionsfähig waren.

Eine Viertelmillion für Kranke, Kinder und Tiere

Am achten Verhandlungstag nun legt F. ein knappes Geständnis ab. Sein Verteidiger Gerald Goecke verliest in seinem Namen eine Erklärung. Wenige Stunden später verurteilt das Landgericht Kiel F. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten wegen unerlaubten Besitzes von Waffen, Munition und Sprengstoff, ausgesetzt zur Bewährung. Vier Monate gelten wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung bereits als verbüßt.

Zudem verhängt die Kammer unter dem Vorsitz von Stephan Worpenberg eine Geldauflage von 250.000 Euro, von denen 50.000 Euro an die Landeskasse gehen. Je 70.000 Euro soll F. an das SOS-Kinderdorf und an ein Kieler Hospiz zahlen, weitere 60.000 Euro an ein Kieler Tierheim. Die beiden letzten Empfänger gehen auf F.s Anregung zurück.

Das Urteil ist das Ergebnis mehrerer Verständigungsgespräche zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Bedingung dafür war, dass F. ein Geständnis ablegt und sich verpflichtet, Panzer und Flugabwehrkanone einem Museum oder einem geeigneten Sammler zu übergeben.

»Nicht immer ganz einfach«

Bis zuletzt waren sich die Prozessbeteiligten darin einig, dass Torpedo und Mörser »keine funktionsfähigen Geräte« mehr waren, wie Richter Worpenberg sagt. Was Panzer und Flak angeht, gehen die Meinungen auseinander: Für Staatsanwalt Thorsten Wolke fallen sie unter das Kriegswaffenkontrollgesetz, Verteidigung und Kammer sehen bei beiden Waffen den »musealen Charakter«.

Die Verständigung sei »nicht immer ganz einfach« gewesen, betont F.s Verteidiger Gerald Goecke in seinem Plädoyer. Teilweise habe er sich wie im »diplomatischen Dienst« gefühlt, um Rechtsfrieden zu schaffen. Er lobte die Kammer, wie »sehr angenehm« sie sich bemüht habe, sich »streng am Tatvorwurf« zu orientieren.

Der Panzer war im Juli 2015 mit viel Aufsehen und großem Aufgebot der Bundeswehr aus dem verwinkelten Anwesen des Millionärs geborgen worden, die Bilder gingen damals um die halbe Welt.

Die vergangenen sechs Jahre, die Verzögerung des Verfahrens, seien für seinen Mandanten eine »immense Belastung« gewesen, sagt Anwalt Goecke. Sie hätten wie »ein Damoklesschwert« über F. geschwebt und zu einer »immensen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes« geführt.

Reines Privatvergnügen?

Zudem sei die »mediale Begleitung« für F. und dessen Ehefrau »unerträglich« gewesen, auch weil sich die Presse nicht auf die Tatvorwürfe beschränkt, sondern auch »an privaten Umständen« abgearbeitet habe, sagt Goecke. »Es standen Dinge im Fokus, die im Privaten stattgefunden haben.«

Das ist richtig. Aber so bleibt am Ende in diesem Prozess völlig offen, was sich im Keller der imposanten Villa an der Kieler Förde abgespielt haben mag: Zwischen beleuchteten SS-Runen, Tischen mit Hakenkreuzdeckchen und mehr als hundert Schaufensterpuppen in NS-Uniform und anderen Waffengattungen. Diente die Kulisse für stumme Partys mit einem einzigen Gast? Eine Art »Dinner for One«, in der sich F. als Führer gerierte? Fanden in diesem NS-Bühnenbild Treffen mit Gleichgesinnten statt? Oder handelt es sich lediglich um ein privates Keller-Museum, einen aus dem Ruder gelaufenen Sammelfetisch?

»Viele Waffen, viel Munition«

Staatsanwalt Wolke hatte am ersten Prozesstag verkündet, auch F.s Motivation werde in diesem Verfahren »hinzuzuziehen« sein. Doch es blieb bei dieser Intention. Solange F. Devotionalien wie den Reichsadler, die Büste von Adolf Hitler und die vielen Waffen nicht öffentlich zur Schau stellt, macht er sich nicht strafbar.

Verteidiger Goecke sagt, F. habe nichts anderes im Sinn gehabt, als all diese irritierenden Gegenstände »aus Sammlerzwecken« anzuschaffen. »F. ist ein Sammler, der sich mit seinen Dingen umgeben hat, aber kein Unbefugter hatte Zugriff darauf.«

Richter Worpenberg verliert zur Begeisterung des Angeklagten für die NS-Zeit kein Wort. Er bescheinigt F. in der Urteilsbegründung jedoch Fachkenntnis. Und daher habe F. wissen müssen, dass er gegen das Waffengesetz verstoße und müsse sich damit einen Schuldvorwurf machen. Trotz seines hohen Lebensalters, seines bislang straffreien Lebens, seines Geständnisses und der Verfahrenslänge von sechs Jahren bleibe eines in diesem Fall strafverschärfend: »Viele Waffen, viel Munition.«

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