Verdachtsfälle in NRW Polizei warnt vor mutmaßlichem Kindesentführer

"Wir sind in Alarmstimmung": Die Polizei in Nordrhein-Westfalen geht mehreren Fällen nach, in denen ein Autofahrer Schulkinder mitnehmen wollte. Das bislang letzte Opfer entkam, nachdem der Mann einen Unfall baute.

Über die Taten ist vergleichsweise viel bekannt, über den Täter jedoch wenig: Die Polizei im nordrhein-westfälischen Mettmann bei Wuppertal sucht einen flüchtigen Mann, der möglicherweise mehrmals Kinder entführen wollte. Die Ermittler halten es für möglich, dass der Unbekannte es erneut versucht: "Wir sind in Alarmstimmung versetzt", sagt Behördensprecherin Claudia Partha dem SPIEGEL.

Zuletzt in Erscheinung getreten war der Gesuchte offenbar am Freitag vergangener Woche. In Langenberg, einem Ortsteil von Velbert nahe Essen, sprach der Mann laut Polizei aus einem fahrenden Auto frühmorgens gegen 7.45 Uhr einen Zehnjährigen an, der gerade auf dem Weg zur knapp 600 Meter entfernten Grundschule war. Er solle einsteigen, sagte der Mann demnach, er würde ihn dann zur Schule fahren.

Das Kind, auf dessen Angaben diese Version des Geschehens basiert, weigerte sich laut Polizeisprecherin Partha zunächst. Daraufhin sei der Mann aggressiver geworden. Das Kind, nun offenbar eingeschüchtert und ängstlich, setzte sich schließlich in den Wagen. Statt zur Schule fuhr der Unbekannte aus dem Ort heraus auf eine Straße, die in dünn besiedeltes Gebiet führt.

"Da gab es dieselbe Täterbeschreibung"

Dort verlor der Fahrer in einer Linkskurve laut Partha die Kontrolle über sein Fahrzeug, das in einer Böschung zum Stehen kam. Der Junge konnte den Wagen mit Einverständnis des Fahrers verlassen, zur Schule laufen und dort seine Lehrer alarmieren. Die eingeschaltete Polizei fuhr daraufhin mit dem Kind die beschriebene Wegstrecke ab bis zur Unfallstelle.

Das Auto und der Fahrer waren nicht mehr dort, die Beamten konnten dennoch Spuren sichern - darunter die innere Abdeckung eines vorderen rechten Radkastens. Den Ermittlern zufolge handelt es sich dabei um ein Teil eines schwarzen Volkswagens vom Modell Up, der vermutlich nach 2015 gebaut wurde.

Beunruhigend ist Partha zufolge, dass es sich offenbar nicht um einen Einzelfall handelt. In Essen und Hattingen, jeweils nur wenige Kilometer von Velbert-Langenberg entfernt, habe es in jüngster Vergangenheit sehr ähnliche Vorfälle gegeben: Ein Unbekannter soll versucht haben, Kinder in sein Auto zu locken - in beiden Fällen vergeblich.

Nicht nur das geschilderte Vorgehen war in allen drei Fällen ähnlich, wie Partha sagt: "Da gab es dieselbe Täterbeschreibung." Inzwischen habe sich herausgestellt, dass der Essener Fall wohl nicht mit den anderen beiden Taten in Verbindung stehe, sagte Partha am Freitagnachmittag.

Die Ermittler, laut Partha mehrere auf solche Fälle spezialisierte Kollegen, wissen zudem von weiteren möglichen Verdachtsfällen. In sozialen Netzwerken, vor allem auf Facebook, gebe es Berichte von Eltern über vergleichbare Geschehnisse. Diese sind Partha zufolge allerdings nicht bestätigt, in keinem Fall sollen Kinder in fremde Autos eingestiegen sein. "Da müssen wir mal abwarten", sagt Ermittlerin Partha, "was da wirklich dran ist."

An der Version des Kindes aus Velbert, das dem mutmaßlichen Entführer entkommen konnte, gebe es jedenfalls keine Zweifel, sagt Partha: "Für uns", sagt sie, "stellt sich das sehr glaubhaft dar." Ein harmloser Hintergrund erscheine zudem eher unwahrscheinlich: "Warum sollte jemand ohne Grund ein fremdes Kind mitnehmen?"

Die Polizei sucht nun mit einer Täterbeschreibung  nach dem Mann, die allerdings eher vage ist: Der Mann soll schwarze Hautfarbe haben, etwa 25 bis 30 Jahre alt sein, Deutsch sprechen und kurzes, lockiges Haar tragen, das an den Seiten abrasiert ist. Während des mutmaßlich letzten Entführungsversuchs trug er demnach zudem eine schwarze Hose, eine schwarze Lederjacke sowie einen schwarzen Schal. Ob er sich bei dem Unfall Verletzungen zuzog, ist laut Partha unklar.

Gesucht wird zudem nach dem Fahrzeug: ein schwarzer VW Up neueren Modells mit schwarzen Leder- oder Kunstledersitzen und fest eingebautem Navigationsgerät. Das Auto soll vermutlich an der Vorderseite beschädigt sein.

Die Ermittler sind offenbar zuversichtlich, in dem Fall bald Fortschritte zu machen. "Wir haben gute Hinweise bekommen, denen wir nachgehen", sagt Partha. Derzeit gehe es unter anderem darum, noch weitere Hinweise zu erhalten - "weil wir die Sache sehr, sehr ernst nehmen."


Anmerkung der Redaktion: Wir haben den Text aktualisiert und neuere Ermittlungserkenntnisse der Polizei eingefügt. Der Essener Fall steht demnach nicht in Verbindung mit den anderen beiden Vorfällen. In Velbert ließ der Unbekannte das Kind freiwillig gehen.

mxw
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