Videos der Zwickauer Zelle Ermittler rekonstruieren Totenkopf-Botschaft

Zerstörtes Haus in Zwickau: Zwei Videos konnten rekonstruiert werden
Foto: Jan Woitas/ dpaHamburg - Stück für Stück arbeiten sich die Ermittler in die Vergangenheit des Zwickauer Trios vor, mit jedem entschlüsselten Kilobyte schärft sich das Bild einer Terror-Gruppe, die sich nicht erst vor wenigen Jahren als solche begriff.
Die Fahnder fanden in den Trümmern des zerstörten Wohnhauses in Zwickau Laptops und Festplatten. Sie sind durch den Brand stark beschädigt, Spezialisten rekonstruieren, was zu retten ist. Zwei Filme konnten nun wiederhergestellt werden. Noch brutaler als der bereits bekannte Film aus dem Jahr 2007 seien die Animationen, heißt es bei der Bundesanwaltschaft, sie seien "martialisch" und "nicht so verniedlichend" wie das Bekennervideo, für das Paulchen-Panther-Sequenzen zusammengeschnitten wurden.
Die Filme belegen, dass sich Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt früh als Terrorzelle begriffen und wie kaltblütig sie von Beginn an ihre Morde planten und sich ihrer auf sadistische Weise rühmten.
Der erste nun entdeckte Film wurde nach Angaben der Ermittler im März 2001 produziert. Schon damals taucht das Logo des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) auf.
Es sind dunkle Landschaften zu sehen, sie sind mit Musik der Rechtsrock-Band "Noie Werte" unterlegt, die im Dezember 2010 ihre Auflösung bekanntgab. In der Filmsequenz wird der Mord an Enver S. gefeiert. Der türkischstämmige Gemüsehändler wurde am 9. September 2000 erschossen. Enver S. war das erste Opfer der sogenannten Ceska-Morde, derer sich das Zwickauer Trio rühmte.
Totenköpfe, an denen die Namen der Mordopfer hängen
Ein zweiter nun rekonstruierter Film wurde sieben Monate später, im Oktober 2001, fertiggestellt. In der Zwischenzeit waren drei weitere Morde an Einwanderern begangen worden: Am 13. Juni 2001 wurde der türkische Schneider Abdurrahim Ö. in Nürnberg erschossen, am 27. Juni der Gemüsehändler Süleyman T. in Hamburg. Am 29. August desselben Jahres geschah der Mord an Habil K. in München.
Auf schier unerträgliche Weise werden die Opfer verhöhnt. Vier Mal fällt derselbe Satz, der jeweils um den Namen eines Opfers ergänzt wird: "Jetzt weiß ..., wie ernst uns der Erhalt der deutschen Nation ist." Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE sind Totenköpfe zu sehen, an denen Schilder mit den Daten der Morde baumeln.
Noch ist nicht klar, ob auch bei diesem Video André E. als Macher verdächtigt wird. Er sitzt in Untersuchungshaft, die Ermittler sind sich sicher, dass er den Bekennerfilm von 2007 produzierte. Der sächsische Neonazi betrieb eine Internetseite, sie hieß "Caput Mortuum" - lateinisch für "Totenkopf".
Eine weitere Sequenz zeigt 14 umrahmte Flächen, in vier erscheinen Daten der Mordserie, in einem der 19. Januar 2001, als in Köln eine Deutsch-Iranerin durch einen Sprengsatz schwer verletzt wurde. Auch der Film von 2007 enthielt bereits einen Hinweis auf dieses Verbrechen: Es zeigte den Lebensmittelladen, in dem das Attentat verübt wurde.
Unklar bleibt, ob die Terrorzelle tatsächlich geplant hatte, insgesamt 14 Menschen zu töten. Die Ermittler rätseln noch, wieso die Serie mit dem Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter im April 2007 endete.
Die Zahl 14 allerdings lässt aufhorchen: "14 words" ist ein unter Neonazis geläufiger Glaubenssatz, er stammt von Rassisten aus den USA, die Parole lautet: "We must secure the existence of our people and a future for White Children" ("Wir müssen die Existenz unseres Volkes und die Zukunft für die weißen Kinder sichern.") Ob dies allerdings in Zusammenhang steht, bleibt Spekulation.
Aufruf zur Ernsthaftigkeit
"Deutlich aggressiver" seien die zwei Filme als der bisher bekannte, sagte Rainer Griesbaum, Leiter der Terrorismusabteilung bei der Bundesanwaltschaft. An einer Stelle heiße es: "Es ist klar, wie ernst uns der Erhalt Deutschlands ist."
So bestätigen die Videos das Bild von Verbrechern, die getrieben von einer menschenverachtenden Ideologie mordeten. Wie ernst es ihnen war, zeigt möglicherweise auch ein Pamphlet, das 1998 in dem Blatt "White Supremacy" ("Weiße Überlegenheit") erschien, der Hauspostille der seit dem Jahr 2000 in Deutschland verbotenen rechtsextremen Vereinigung "Blood & Honour".
"Gedanken zur Szene" ist es überschrieben. Ein Vertrauensmann gab gegenüber dem brandenburgischen Verfassungsschutz an, zu wissen, wer angeblich der Verfasser des Pamphlets sein soll: Uwe Mundlos.
Es ist ein Aufruf zur Ernsthaftigkeit, es wird gewettert gegen solche, die "nur im szenetypischen Aussehen herumlaufen und auf Konzerte (...) fahren oder mit Kameraden in der Kneipe saufen". Viele Kameraden würden sich nicht "den Kampf zum Lebensinhalt" machen, sondern "das Vergnügen".
Es folgen Fragen, die sich der Leser selbst stellen soll, darunter: "Wie viele Kameraden kennst Du, die bei Konzerten und anderen Gelegenheiten 'Rache für Hess' schreien, aber nie auf einem Gedenkmarsch für ihn waren?" Es gibt Fotos aus dem Jahr 1996, die Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt in Worms zeigen, wo sie gemeinsam mit anderen Rechtsextremen Hitlers Stellvertreter Rudolf Hess huldigten.
Das Pamphlet ist ein Appell zur Unterstützung der "nationalen Parteien" ("denn die Unterstützung dieser Parteien ist gleichzeitig ein Arschtritt für das rote Bonn") und eine Generalkritik an all jenen, "die keinen Tag ohne Alkohol überleben".
Verachtung für saufende und fahnenschwenkende Aktivisten
Aus dem Pamphlet spricht eine Entschlossenheit, die auch schon ein Text zeigte, der auf der seit über sechs Jahren aus dem Netz genommenen Internetseite des "Thüringer Heimatschutzes" stand: "Wir empfinden nichts als Verachtung für Schreihälse ohne Geist und Hintergrund und distanzieren uns von Gruppierungen, die lediglich den Alkoholkonsum und das Fahnenschwingen als Zeichen politischer Betätigung verstehen", hieß es dort. Eine "Form der Selektion, was Aktivisten betrifft", verstehe sich daher von selbst.
Bis zum November 2001 wurde Tino Brandt als Verantwortlicher der Seite genannt. Er war führender Kopf des "Heimatschutzes", dem auch Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt angehörten. Brandt wurde 2001 als V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes enttarnt.
Dass sich das Trio von saufenden und gröhlenden Szenemitgliedern ferngehalten haben dürfte, ergibt sich schon als Gebot des Selbstschutzes. Die drei Rechtsextremisten waren auf die Mithilfe von Unterstützern angewiesen - aber auch auf deren Verschwiegenheit. Neben Zschäpe sitzen vier mutmaßliche Unterstützer des Zwickauer Terror-Trios in Untersuchungshaft, gegen zwei weitere Beschuldigte laufen Ermittlungsverfahren. Insgesamt hat die Bundesanwaltschaft rund ein Dutzend Verdächtige im Blick, die Ermittler gehen auch Verbindungen in die rechtsextreme Szene Westdeutschlands nach.
Andererseits müssen Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt genau darauf geachtet haben, mit wem sie Kontakt hielten, zu groß muss die Gefahr gewesen sein, dass jemand im Rausch etwas ausplaudert. Die Ermittler gehen derzeit der Frage nach, ob das Lied "Döner-Killer" Folge eines derartigen Fehlers war. Die rechtsextreme Band "Gigi & Die braunen Stadtmusikanten" veröffentlichte es 2010, es endete mit dem Vers "Denn neun sind nicht genug".