Vierfachmord in den Alpen "Ich dachte, das Mädchen sei tot"

Blumen am Tatort nahe Chevaline in den französischen Alpen
Foto: Laurent Cipriani/ APParis - "Es war wie ein Film, nur dass wir in diesem Fall die Schauspieler waren und keine Fernbedienung hatten, um den Kanal zu wechseln", berichtete der 41-jährige Philippe D. am Dienstag dem Blatt "Le Parisien".
Demnach wollte der Mann mit zwei Freunden am 5. September im Massif des Bauges eine Wanderung unternehmen. Gegen 16 Uhr sahen die Männer einen Radfahrer, der völlig aufgelöst und in Panik auf sie zukam.
"Er versuchte, mir in gebrochenem Französisch zu erklären, dass etwas passiert war", berichtete D. Die drei Franzosen seien dem Briten gefolgt und hätten dann die Leichen von Saad A., 50, seiner Frau Ikbal, 47, und einer 74-jährigen Frau in einem Auto gefunden. In einigen Metern Entfernung habe der leblose Körper des Fahrradfahrers Sylvain M. gelegen, der vermutlich unbeabsichtigt in die Schießerei geraten war.
"Wir wussten nicht, ob wir allein waren", so D. "Ich ging zum Wagen, habe aber kein Zeichen von Leben entdeckt. Ich konnte nichts tun." Dann habe er die siebenjährige schwerverletzte Tochter der Mordopfer in der Nähe des Autos entdeckt. "Ich habe ihr auf die Schulter getippt und ein paar Worte auf Englisch gesagt, aber sie hat nicht reagiert", sagte Philippe D. "Ich dachte, sie sei tot."
Von der zweiten Tochter des aus dem Irak stammenden Paares, die noch acht Stunden unter den Leichen ausharren sollte, bemerkte er nichts. Erst gegen Mitternacht wurde das Kind von Gerichtsmedizinern aus dem Auto gezogen. Die drei Franzosen alarmierten die Polizei und zogen sich vom Tatort zurück.
Die Aussage des britischen Radfahrers, der einen dunklen Geländewagen sowie ein Motorrad am Tatort gesehen haben will, bestätigte D. nicht. Ermittler analysieren noch immer die Bilder der Überwachungskameras auf den Verdacht. Am Montag war bekannt geworden, dass sämtliche Opfer der Gewalttat mit ein und derselben Waffe erschossen wurden - einer automatischen Pistole des Kalibers 7.65 mm.
Ermittler hoffen auf Aussage der Tochter
Wie die britische "Times" berichtet, soll sich die siebenjährige Zainab an das Attentat auf ihre Familie erinnern. Dies habe sie im Gespräch mit einem Polizisten zum Ausdruck gebracht. Es obliegt jedoch den behandelnden Ärzten, die Erlaubnis für eine Befragung zu geben.
Zainab hatte bei der Schießerei schwere Kopfverletzungen erlitten, eine Kugel traf sie an der Schulter. Erst am Sonntag wurde sie nach zwei Operationen aus dem künstlichen Koma geholt. Jetzt wird sie mit Medikamenten ruhiggestellt und kann vermutlich erst in einigen Tagen zu dem blutigen Attentat befragt werden. Psychologisch geschulte Polizeiexperten sollen mit Zainab reden.
Zeena, die vierjährige Tochter des getöteten Ehepaars, habe bei einer ersten Befragung wenig Aufschlussreiches erzählt, berichtete die Polizei. Am Montag war das dritte Todesopfer als die schwedisch-irakische Großmutter der beiden Kinder identifiziert worden.
Französische und britische Ermittler untersuchen am Dienstag weiter das Haus von A. in Surrey und befragen Angehörige, Kollegen und Freunde des ermordeten Paares. Auch die Aufzeichnungen von Überwachungskameras in der Nähe des Tatorts und von angrenzenden Gemeinden, Supermärkten oder Privatpersonen sollen analysiert werden.
Die Hintergründe der Tat sind noch immer völlig unklar. Die französischen Ermittler schließen weder einen Auftragsmord, noch einen missglückten Raubmord oder die Tat eines Psychopathen aus. Hinweise auf einen angeblichen Erbstreit stritt der Bruder des getöteten Familienvaters bisher ab. Seit dem 3. September hatte die Familie Urlaub auf einem Campingplatz in Saint-Jorioz am See von Annecy gemacht.