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Toter Geiselnehmer in Viernheim "Er hat mit der Waffe direkt auf meinen Kopf gezielt"

Was trieb den Mann, der am Nachmittag ein Kino im hessischen Viernheim stürmte und Geiseln nahm? Der mutmaßlich verwirrte Täter soll laut einem Kinomitarbeiter erst um die 20 Jahre alt gewesen sein.

"Ice Age - Kollision voraus" prangt auf dem Plakat über dem Eingang zum Kinopolis-Kino in Viernheim. Doch was sich am Donnerstagnachmittag in dem Filmpalast in dem hessischen Städtchen abspielt, ist keine Fiktion: Ein bewaffneter Mann soll in dem Kino vier Schüsse abgegeben und Geiseln genommen haben. Die Polizei erschoss ihn.

Das Kino ist mit weiß-rotem Plastikband abgesperrt und von Polizisten mit Schutzwesten und Pistolengurten gesichert. Einige tragen Gewehre. Polizeitransporter stehen auf dem Parkplatz und vor dem Einkaufszentrum neben dem Kino.

Der 21 Jahre alte Kinomitarbeiter Guri Blakaj hat die Geiselnahme erlebt: "Wenn man eine Waffe an den Kopf bekommt, hat man Angst", sagt er. Nach Blakajs Schilderung war den Mitarbeitern am Nachmittag ein Mann mit Sturmhaube und einer langen Waffe aufgefallen.

"Zuerst dachte ich, das ist ein verkleideter Kunde", sagt Blakaj. Viele Besucher verkleideten sich passend zu den Filmen, die sie besuchten. "Erst als er dann zu uns kam mit der Waffe und uns aufgefordert hat, uns auf den Boden zu legen, da hab ich gemerkt: Es ist ernst."

Dann habe der Mann die Angestellten gefragt, ob die Türen geschlossen seien. Blakaj habe sie geschlossen. "Die letzte Tür hat geklemmt, da hat er mit der Waffe direkt auf meinen Kopf gezielt." Geld habe er nicht gewollt. Der Täter habe ihn dann nach oben in die Personalräume geschickt. Im Aufzug habe er gehört, wie auf einen Kollegen geschossen wurde. Der sei aber unverletzt geblieben.

Zu der Zeit hätten sich etwa 30 bis 40 Menschen in dem Kino aufgehalten, berichtet er. Die Polizei machte dazu zunächst keine konkreten Angaben. Nur: Aufgrund des guten Wetters sei davon auszugehen, dass das Kino nur spärlich besetzt gewesen sei. Verletzt aber wurde entgegen erster Medienberichte niemand. Möglicherweise hätten Besucher allerdings durch Reizgas Beeinträchtigungen erlitten.

Durch die Überwachungskamera hätten Blakaj und seine Kollegen verfolgt, wie der Täter durchs Foyer gelaufen sei. Er wirkte verwirrt, sagt Blakaj. Auch aus Sicherheitskreisen hieß es, bei dem Mann soll es sich um einen verwirrten Einzeltäter gehandelt haben. Hinweise auf einen islamistischen Hintergrund gab es zunächst nicht. Wie die Polizei ihn überwältigte, habe er nicht mitbekommen, sagt Blakaj.

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Foto: Alexander Scheuber/ Getty Images

Den Täter beschreibt er als jung, "18 bis 22 Jahre alt" sei er gewesen. Die mit den Ermittlungen betraute Staatsanwaltschaft Darmstadt konnte zur Identität des mutmaßlichen Täters SPIEGEL ONLINE am Dienstagabend jedoch noch keine Angaben machen.

Auch im Einkaufszentrum neben dem Kino weiß man über den Täter nichts zu berichten. Nur Geschichten vom Hörensagen. Die Gänge sind fast menschenleer, drei junge Mädchen reden leicht aufgeregt aufeinander ein: "Stell dir vor, wenn wir heute ins Kino gegangen wären", sagt eine zu ihren Freundinnen. Eine Verkäuferin in einem Lebensmittelmarkt erzählt, wie plötzlich massenhaft Polizisten durch das Zentrum gerannt seien in Richtung eines Seiteneingangs, der zum Kino führt.

Unklar blieb auch, welche Waffen der Geiselnehmer dabei hatte. Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) sagte im Landtag in Wiesbaden, gegen 14.45 Uhr sei ein erster Notruf eingegangen. Gemäß der Erstmeldung habe der Täter eine Langwaffe - also ein Gewehr - bei sich gehabt. Ob es sich um eine scharfe Waffe handelte, sei unklar.

Die "Bild"-Zeitung berichtete  von einem Sprengstoffgürtel und einer Handgranate, die neben der Leiche des von der Polizei erschossenen mutmaßlichen Täters gefunden worden sei. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt wollte den Berichte gegenüber SPIEGEL ONLINE weder bestätigen noch dementieren. Auch zu Angaben zu angeblichen Entschärfungsarbeiten am Tatort äußerte sie sich nicht.

sun/mab/dpa
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