Auto fährt in Karnevalsumzug Was über den Vorfall in Volkmarsen bekannt ist

Großeinsatz in Volkmarsen: Viele offene Fragen
Foto: THILO SCHMUELGEN/ REUTERSWas ist passiert?
Im nordhessischen Volkmarsen ist ein Auto während des Rosenmontagsumzugs in eine Menschenmenge gefahren. 30 Menschen seien bei dem Vorfall verletzt worden, sieben davon schwer, sagte ein Polizeisprecher. Unter den Verletzten sind demzufolge auch Kinder.
Bisherigen Erkenntnissen zufolge fuhr der Mann am Nachmittag gegen 14.45 Uhr mit hoher Geschwindigkeit in eine Personengruppe, wie die Ermittler am Abend mitteilten.
Die "Hessische/Niedersächsische Allgemeine" berichtete unter Berufung auf Augenzeugen, der Fahrer habe mit einem Mercedes-Kombi die Absperrung umfahren und sei dann mit Vollgas auf die Menschenmenge zugesteuert. Die Zeugen hatten demzufolge den Eindruck, dass der Fahrer es vor allem auf Kinder abgesehen hatte. Die Polizei äußerte sich dazu nicht.
Ein Zeuge berichtete laut "Bild"-Zeitung, erboste Menschen seien am Tatort mit erhobenen Fäusten auf den Fahrer zugelaufen, die Polizei habe ihn schützen müssen. Laut dem Vorsitzenden der Volkmarser Karnevalsgesellschaft, Christian Diste, hatten an dem Umzug 700 Personen in 27 Gruppen teilgenommen.
Nach Angaben des Frankfurter Polizeipräsidenten Gerhard Bereswill habe es eine zweite Festnahme gegeben. Es sei noch nicht klar, ob der Festgenommene als Tatverdächtiger gelte oder ein Zeuge sei, sagte er auf einer Veranstaltung in Frankfurt am Main. Die Festnahme sei offenbar erfolgt, weil die Person hinter dem Auto gefilmt haben soll. Nach Informationen aus Sicherheitskreisen war aber noch unklar, ob es sich um einen Schaulustigen handelte oder ob er eingeweiht war.
Was ist über den Fahrer bekannt?
Der Fahrer des Autos wurde festgenommen, er ist den Ermittlern zufolge deutscher Staatsbürger und kommt aus Volkmarsen. Der 29-Jährige war dem hessischen Innenministerium zufolge nach der Tat nicht vernehmungsfähig: Er habe sich "im Zuge des Schadensereignisses" ebenfalls Verletzungen zugezogen und werde ärztlich behandelt. SPIEGEL-Informationen zufolge war er bislang nicht als Extremist aufgefallen. Allerdings war der Mann der Polizei nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa wegen Beleidigung, Hausfriedensbruch und Nötigung bekannt.
Detailliere Informationen über den Mann wurden zunächst nicht veröffentlicht. Laut der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft soll er einem Ermittlungsrichter vorgeführt werden, sobald sein Gesundheitszustand das zulässt.
Bezüglich eines möglichen Tatmotivs äußerten sich die Behörden widersprüchlich. Er könne nicht bestätigen, dass der Fahrer mit Absicht gehandelt habe, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Nordhessen in Kassel. Zuvor hatte ein Polizeisprecher in Volkmarsen gesagt, der Wagen sei mutmaßlich vorsätzlich in die Menschenmenge gesteuert worden.
Bislang gibt es laut Ermittlern keine Hinweise auf eine politisch motivierte Straftat. Das hessische Innenministerium teilte indes mit: "Aufgrund der Situation vor Ort kann ein Anschlag gegenwärtig nicht ausgeschlossen werden."
Wie reagieren die Behörden?
Die Polizei rückte mit einem großen Aufgebot aus und richtete ein Hinweisportal ein. Im Polizeipräsidium Frankfurt setzten die Ermittlungsbehörden eine "besondere Aufbauorganisation" ein, die den Einsatz von dort aus delegiert.
Die Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt übernahm wegen der besonderen Bedeutung des Falls die Ermittlungen. Man ermittele wegen eines versuchten Tötungsdelikts, wie ein Behördensprecher sagte: "Wir ermitteln in alle Richtungen."
Hessens Innenminister Peter Beuth hat sich in Volkmarsen selbst ein Bild von der Lage gemacht. Er sprach von einer "furchtbaren Tat", den Opfern wünschte er "baldige Genesung". Neue Details zu den Ermittlungen nannte Beuth nicht, ein Motiv für die Tat sei noch nicht bekannt. Informationen über eine zweite Festnahme konnte der CDU-Politiker zunächst nicht bestätigen.
Die Polizei teilte am frühen Abend mit, dass es keine Hinweise auf eine Gefährdungslage an anderen Orten gebe. Zugleich wurde die polizeiliche Präsenz in ganz Hessen verstärkt, und die Behörden sagten sämtliche Karnevalsumzüge in dem Bundesland ab. Wie viele Umzüge betroffen waren, ist bislang unklar. Ob die für Dienstag geplanten Veranstaltungen im Straßenkarneval stattfinden können, sei noch nicht entschieden, sagte ein Behördensprecher. In Fulda etwa hat die Polizei die Zufahrten rund um das Fuldaer Kneipenviertel besonders in den Blick genommen. Dort versammeln sich traditionell viele Feiernde nach dem Fuldaer Rosenmontagszug.
Volkmarsens Bürgermeister Hartmut Linnekugel zeigte sich entsetzt über den Vorfall. "Wir sind alle betroffen, alle tief geschockt", sagte der parteilose Politiker. Im Rathaus der Kleinstadt wurde ein Notlagezentrum eingerichtet, in dem bis einschließlich Dienstag Seelsorger und Polizisten den Betroffenen und Angehörigen gesicherte Informationen sowie Unterstützung anbieten.
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier zeigte sich betroffen. "Ich bin schockiert über diese schlimme Tat, durch die viele unschuldige Menschen zum Teil schwer verletzt worden sind", sagte der CDU-Politiker. "Ich bin mit meinen Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen und Freunden und wünsche allen eine schnelle und vollständige Genesung."