

Hamburg - Die Staatsanwaltschaft hat nach Informationen des SPIEGEL dem Landgericht Mannheim die Stellungnahme eines Psychotherapeuten vorgelegt, um die von der Verteidigung beantragte Haftentlassung des TV-Wettermoderators zu verhindern. In den mehr als 30-seitigen Ausführungen vertritt der Arzt die These, dass die von ihm behandelte Frau an einem traumabedingten Gedächtnisverlust leide.
Damit will die Staatsanwaltschaft das Ergebnis eines von ihr selbst in Auftrag gegebenen Gutachtens der Bremer Psychologin Luise Greuel relativieren. Dass die Staatsanwaltschaft quasi ihr eigenes Gutachten mit einer weiteren Stellungnahme auszuhebeln versucht, noch dazu von einem behandelnden Arzt, gilt als ungewöhnlich.
Greuel war zu dem Schluss gekommen, dass die Aussage des vermeintlichen Opfers zu stark mit Mängeln behaftet sei, um mit der für ein Gerichtsverfahren notwendigen Zuverlässigkeit die geschilderten Erlebnisse einer Vergewaltigung belegen zu können. In dem Gutachten stellt die Psychologin fest, das mutmaßliche Opfer stelle Sachverhalte dar, die handlungstechnisch unwahrscheinlich bis unmöglich seien. Damit sei allerdings noch keine Falschaussage erwiesen.
Erhebliche Zweifel hatten sich für die Gutachterin sowohl aus der Tatschilderung als auch aus der Tatsache ergeben, dass das mutmaßliche Opfer erst in der vierten Vernehmung in zwei Punkten zum Verhalten vor der Tat Lügen eingeräumt hatte. Selbst dabei hatte die Frau zunächst nur eine Unwahrheit eingestanden und eine zweite weiter aufrechterhalten, bevor sie auch diese eingestand.
Kachelmanns Verteidiger Reinhard Birkenstock will nach dem Duell der Gutachter nun seinerseits Anfang der Woche eine ausführliche Stellungnahme einreichen. Er hat bei einem traumatologisch versierten Neuropsychologen ein Gutachten in Auftrag gegeben. Auch die Psychologin Greuel hatte schon die Möglichkeit einer Traumatisierung berücksichtigt: Allerdings lasse sich nicht erklären, warum sich die Zeugin einerseits an einige Reizeindrücke ganz genau erinnern könne, an andere dagegen überhaupt nicht. Ganz unabhängig von der Frage eines Traumas lässt sich aus Greuels Sicht mit aussagepsychologischen Methoden nicht unterscheiden, was die Zeugin wirklich erlebt hat und was sie sich möglicherweise einbildet.
Die Staatsanwaltschaft Mannheim hatte Mitte Mai Anklage gegen Kachelmann erhoben. Sie wirft ihm Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vor. Kachelmann soll seine Freundin, die sich der Staatsanwaltschaft zufolge von ihm trennen wollte, in deren Schwetzinger Wohnung unter Vorhalt eines Küchenmessers zum Geschlechtsverkehr gezwungen haben. Der Moderator sitzt seit dem 20. März in Mannheim in Untersuchungshaft. Der 51-Jährige bestreitet die Vorwürfe.
Das Landgericht Mannheim hat für diese Woche eine Entscheidung angekündigt.
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Kachelmann vor dem Logo der Unwetterzentrale seines Unternehmens Meteomedia: Der 51-Jährige wurde als TV-Wetterexperte populär.
Die Staatsanwaltschaft Mannheim erhob Anklage gegen den TV-Moderator. Dem 51-Jährigen wird vorgeworfen, seine frühere Freundin vergewaltigt zu haben.
Der Moderator sitzt seit dem 20. März in der JVA Mannheim in Untersuchungshaft. Die Polizei nahm den Journalisten und Moderator am Frankfurter Flughafen bei der Einreise aufgrund eines Haftbefehls fest.
Kachelmann steigt am 24. März im Hof des Amtsgerichts Mannheim in einen Gefangenentransporter. Zuvor war er dem Haftrichter vorgeführt worden.
Jörg Kachelmann (M.) mit seinem Anwalt Reinhard Birkenstock vor dem Mannheimer Amtsgericht: Unschuld belegt?
Kachelmann (Archivbild von 2007): Anfang Juni wurden Details über Gutachten bekannt, die den Moderator entlasten könnten. Die Aussagen seiner Ex-Freundin, wonach Kachelmann sie in der Nacht zum 9. Februar vergewaltigt haben soll, weisen einem Gutachten zufolge eklatante Mängel auf, wie der SPIEGEL berichtete.
Der Wettermann beteuert seine Unschuld.
Kachelmanns Anwälte weisen die Vorwürfe als "frei erfunden" zurück.
Außer einem Strafverteidiger beschäftigt sich auch ein Medienanwalt im Auftrag von Kachelmann mit dem Fall: Ralf Höcker ist selbst ein bekanntes TV-Gesicht. Besonders angetan haben es ihm Rechtsirrtümer, also das Alltagswissen und -unwissen über Recht und Unrecht.
Kachelmann machte sein Hobby, die Meteorologie, 1991 zum Beruf. Er gründete in Bächli bei St. Gallen den Wetterdienst Meteomedia, der SWR engagierte den autodidaktisch ausgebildeten Meteorologen als "Wettermän", mit dem Start des ARD-Frühstücksfernsehens im Jahr 1992 begann seine Fernsehkarriere.
Im März 1996 präsentierte Kachelmann das Logo des TV-Wetterkanals. Der ARD-Wettermann war das Zugpferd. Am 29. Januar 1998 stellte der Düsseldorfer Fernsehsender seinen Sendebetrieb bis auf weiteres ein.
Kachelmann versuchte sich auch in der TV-Unterhaltung: Seit 1997 moderierte er einige Jahre lang mit Unterbrechungen die MDR-Talkshow "Riverboat". Im Januar 2007 posierte er mit seinen Moderationskollegen Jan Hofer und Andrea Kiewel.
Keinen Erfolg hatte Kachelmann als Quizmaster, als er 1998 die Neuauflage der legendären Show "Einer wird gewinnen" übernahm, die Hans Joachim Kulenkampff berühmt gemacht hatte. In einer Sendung im Mai 1998 benutzte er einen sogenannten Pümpel als Mikro. Schauspieler Wolfgang Fierek und eine Mitwirkende schauten vergnügt zu.
Im Februar 1998 stellt der Wettermann auf der Spielwarenmesse in Nürnberg den Experimentierkasten "Kachelmanns Wetterstation" vor.
Im April 2000 eröffnete er zusammen mit Axel Schnohr (l.) auf der Nordseeinsel Borkum sein viertes Wetterstudio. Schnohr sollte dort für die Meteomedia AG Wetterdaten sammeln und in der ARD im "Morgenmagazin" und im Abendprogramm seine Prognose abgeben.
Der "TV-Wetterfrosch" demonstrierte im Oktober 2000 dem damaligen Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) auf der Ostseeinsel Vilm ein Temperaturmessgerät.
Im Juni 2002 weihte er zusammen mit dem Leiter des World Wildlife Fund (WWF) für Vorpommern, Jochen Lamp, auf Rügen eine neue automatische Wetterstation ein. Von dort werden stündlich Daten über Temperatur, Windstärke, Niederschlagsmengen und Sonnenscheindauer von Kachelmanns Firma Meteomedia gemessen und ausgewertet.
Ein Tausendsassa: Auch als Autor ist Kachelmann tätig. Im Oktober 2002 präsentierte er auf der Frankfurter Buchmesse sein neues Buch "Die große Flut".
Bei der Arbeit: Kachelmann bereitet einen Niederschlagsmessbehälter vor. Auf dem Freiburger Hausberg Schauinsland setzte er im Oktober 2002 eine weitere Messstation in Betrieb und erweiterte damit das Messnetz von Meteomedia.
Kachelmann im Meteomedia-Büro in Bochum: Er baute das Unternehmen zu einem der größten privaten Wetterdienstleister in Europa aus, mit inzwischen rund 120 Mitarbeitern. Meteomedia produziert unter anderem die Wetterberichte für verschiedene Anstalten der ARD.
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