Hessen Schüsse auf Eritreer - Bundesregierung spricht von "abscheulicher Tat"

Die Bundesregierung hat die Schüsse auf einen Eritreer im hessischen Wächtersbach verurteilt. Der Bürgermeister der Kleinstadt rief nach der rassistisch motivierten Tat zur Wachsamkeit auf.
"Kein Platz für Rassismus": Am Dienstag versammelten sich in Wächtersbach 400 Menschen zu einer Mahnwache

"Kein Platz für Rassismus": Am Dienstag versammelten sich in Wächtersbach 400 Menschen zu einer Mahnwache

Foto: Kai Pfaffenbach/REUTERS

"Das ist eine abscheuliche Tat, die nicht hingenommen werden darf": Die Bundesregierung hat den Angriff auf einen 26-jährigen Eritreer im hessischen Wächtersbach verurteilt. "Die Bundesregierung ist bestürzt über diese Tat und verurteilt sie auf das Schärfste", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer.

Das Opfer war am Montag durch einen Bauchschuss schwer verletzt und in einem Krankenhaus operiert worden. Der mutmaßliche Schütze, ein 55 Jahre alter Deutscher, erschoss sich selbst. Die Ermittler gehen "ganz klar" von einem rassistischen Motiv aus. Die Ermittlungen im Umfeld des mutmaßlichen Schützen dauern an. Der 55-Jährige soll drei Schüsse abgefeuert haben.

Der Kampf gegen rechtsextreme Straf- und Gewalttaten sei ein Kernanliegen der Regierung, sagte Demmer. Man nehme diese Gefahr sehr ernst. "Die Sicherheitsbehörden arbeiten mit ganzer Kraft daran, dass alle Menschen in Deutschland in Sicherheit leben können."

Im Video: Ermittlungen nach Schüssen auf Eritreer

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Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums verurteilte den Angriff ebenfalls. Er nannte zugleich die bisherige Informationslage noch nicht ausreichend, um eine abschließende Bewertung vorzunehmen. Derartige Vorfälle würden "mit höchster Sensibilität" beobachtet, betonte der Ministeriumssprecher. Er verwies darauf, dass "wir es im rechtsextremen Spektrum mit Personen zu tun haben, die waffenaffin sind". Im vergangenen Jahr hätten die zuständigen Behörden mehrere Hundert Berechtigungen für Waffenbesitz entzogen.

Auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) verurteilte die Tat: "Dass ein Mensch einzig wegen seiner Hautfarbe auf offener Straße angeschossen wird, ist entsetzlich", sagte er. Es sei unsäglich, "wenn aus rassistischer Hetze Gewalt entsteht".

Die Sicherheitsbehörden täten alles, um die Tat und ihre Hintergründe restlos aufzuklären. Zugleich rief er dazu auf, Rechtsextremismus und Rassismus auch mit einer breiten gesellschaftlich-politischen Diskussion zu bekämpfen.

Die Polizei in Hessen hat vor dem Angriff eigenen Angaben zufolge keinen Hinweis bekommen. Jedoch habe es eine "Kommunikation zwischen dem Tatverdächtigen und der Polizei nach der Tat" gegeben, sagte Oberstaatsanwalt Alexander Badle. Zum Inhalt dieses Gesprächs machte er keine Angaben.

Laut Hessischem Rundfunk (HR)  soll der 55-Jährige in seiner Stammkneipe in Biebergemünd vor und nach den Schüssen mit der Tat geprahlt haben. In dem Lokal soll er am Vormittag erklärt haben, "er knalle nun einen Flüchtling ab", berichtete der HR. Nach den Schüssen sei er zurück in die Kneipe gefahren und habe von der Tat berichtet.

"Solche Signale sollten ernst genommen werden"

Die Polizei fand bei der Durchsuchung seines Wagens und seiner Wohnung fünf Waffen, die er legal besessen haben soll. Der Schützenverein, in dem der mutmaßliche Täter Mitglied war, zeigte sich erschüttert über die Tat. "Wir sind erschrocken und total überrascht. Damit war nicht zu rechnen", sagte Hans-Georg Jost, Vorsitzender des Schützenvereins Neudorf 61. "Er hat sich immer korrekt, freundlich und vorbildlich verhalten. Er war lebenslustig und gesellig."

"Zu seiner Gesinnung kann ich nichts Negatives sagen. Er hat sich politisch nie verdächtig geäußert", sagte Jost über den 55-Jährigen aus dem benachbarten Biebergemünd, der seit 2001 Vereinsmitglied war. Er sei ein guter Sportschütze gewesen, habe Urkunden und Pokale gewonnen. Doch in jüngster Zeit habe er die Lust am Schießsport verloren. Er sei nur noch selten gekommen. "Er wollte aufhören und seine Waffen verkaufen", sagte Jost.

Der Bürgermeister der Kleinstadt Wächtersbach rief die Bevölkerung zur Wachsamkeit auf. "Jeder sollte hellwach sein. Wenn etwa bei einem Kneipengespräch Drohungen ausgesprochen werden, sollte das bei der Polizei gemeldet werden. Das sollte nicht überhört werden mit dem Gedanken: Das macht der eh nicht. Solche Signale sollten ernst genommen werden", sagte Andreas Weiher (SPD). Am Dienstag versammelten sich 400 Menschen zu einer Mahnwache. "Damit haben wir ein starkes Zeichen gesetzt."

wit/dpa/AFP
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