Unbearbeitete Hinweise Zoll kriegt Probleme bei Geldwäsche-Spezialeinheit nicht in den Griff

Ein Bündel von 500-Euro-Scheinen, gezeigt auf einer Pressekonferenz im Bundesfinanzministerium in Berlin
Foto: Thomas Peter/ REUTERSAuch anderthalb Jahre nach dem Start der Zoll-Spezialeinheit zur Bekämpfung der Geldwäsche scheint kein Ende ihrer gewaltigen Probleme in Sicht. Noch immer stauen sich bei der sogenannten Financial Intelligence Unit (FIU) im Kölner Zollkriminalamt fast 20.000 Hinweise auf verdächtige Transaktionen, die bislang nicht bearbeitet worden sind. Diese Hinweise kommen vor allem von Banken. Sie sind dazu verpflichtet, auffällige Kontobewegungen der FIU zu melden.
Wie nach SPIEGEL-Informationen aus der Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage des Linken-Bundestagsabgeordneten Fabio de Masi hervorgeht, konnte die FIU den gewaltigen Hinweisrückstau zwischen Sommer 2018 und Anfang 2019 nur zeitweise abbauen. Inzwischen ist er wieder so groß wie im August des vergangenen Jahres. Insgesamt sind bei der FIU seit Frühsommer 2017 rund 121.000 Verdachtsmeldungen eingegangen. In etwas mehr als fünf Prozent dieser Fälle gab es Hinweise auf Terrorfinanzierung.
"Die FIU bleibt ein Krisenherd der Geldwäschebekämpfung", sagt der Parlamentarier de Masi, Finanzexperte der Linkspartei im Bundestag. "Deutschland ist weiterhin Gangster's Paradise - insbesondere im Immobiliensektor, wo eine Party mit schmutzigem Geld steigt. Das Staatsversagen muss beendet werden, wir brauchen endlich einen Masterplan Geldwäsche."
Von 475 zusätzlich geplanten Stellen sind erst 162 vergeben
Das Bundesfinanzministerium muss in seiner Darstellung nun abermals einräumen, dass die FIU mehrere höchstdringliche Verdachtsfälle viel zu langsam bearbeitet hat. In 17 Fällen sind demnach Meldungen, die der Zoll von Banken erhalten hatte, erst so spät an die zuständigen Polizeidienststellen weitergeleitet worden, dass die verdächtigen Überweisungen nicht mehr gestoppt werden konnten. Womöglich gibt es sogar noch mehr solcher Fehler. Aus den Ländern werden teilweise höhere Zahlen versäumter Fristfälle gemeldet.
Unter diesen Hinweisen waren auch Verdachtsmeldungen auf Terrorfinanzierung, wie der SPIEGEL und der Bayerische Rundfunk bereits im vergangenen Sommer herausgefunden hatten. Der Zoll sprach damals von "unvorhergesehenen Dysfunktionalitäten", dabei waren sie alles andere als unvorhergesehen. Fachleute hatten genau vor diesen Problemen gewarnt. Der Zoll kündigte an, mehr Mitarbeiter einzustellen, die Rede war von 475 Stellen, die bis Ende 2019 besetzt werden sollten. Doch davon ist die FIU noch weit entfernt. Nach Darstellung des Ministeriums sind bislang erst 162 Planstellen vergeben.
Recherchen des SPIEGEL ergaben schon vor Monaten, wie unzufrieden Polizei und Justiz mit der Arbeit des Zolls waren. In einem internen Bericht hatte das BKA die Erfahrungen aller Landeskriminalämter mit der FIU zusammengetragen. Die Landesbehörden sind für die Ermittlungen in den Verdachtsfällen zuständig, die die FIU ihnen weiterleitet. Das Dokument, im Herbst 2018 erstellt, listete auf zwölf Seiten Mängel und Versäumnisse der Zoll-Einheit auf.
Politische Kopfgeburt
Demnach waren die Berichte der FIU, die an Polizei und Staatsanwaltschaften gehen, häufig unvollständig, fehlerhaft und insgesamt nutzlos. "Inhaltliche Analysen von Sachverhalten und Umsätzen sind kaum vorhanden", stand in dem Papier. Auch aus dem Thüringer Landeskriminalamt wurde schon 2018 vernichtende Kritik an der FIU laut. Damals hieß es, aus dem Chaos sei "ein erhebliches Risiko für die innere Sicherheit" erwachsen. Und auch geraume Zeit später sind die Landesbehörden - Polizei und Justiz - mit der Arbeit des Zolls höchst unzufrieden, wie Anfragen der Linkspartei in Hessen und Sachsen-Anhalt ergaben.
Das entscheidende Problem der FIU, da sind sich alle Fachleute einig, wird sich mittelfristig ohnehin kaum lösen lassen. Damit der Zoll beurteilen könnte, welche Überweisung wirklich heikel ist, bräuchte er nämlich einen automatisierten Zugriff auf die heikelsten Informationen aller Polizeiabteilungen für Staatsschutz und Organisierte Kriminalität. Doch den wird es in den nächsten Jahren nicht geben - und vielleicht auch nie. Die Länder lehnen das entschieden ab.
Und so bleibt die FIU weiterhin, was sie von Beginn an war: eine politische Kopfgeburt des ehemaligen Finanzministers Wolfgang Schäuble, aus der eine Verwaltungseinheit entstanden ist, die viel Papier bewegt und wenig ausrichtet. Jedenfalls nicht im Kampf gegen Geldwäsche.
Im Video: Geldwäsche-Paradies Deutschland - Verbrechen lohnt sich!