Zwickauer Zelle Vater Mundlos will Angehörige der Neonazi-Opfer um Vergebung bitten

Er beschreibt seinen Sohn als "fast schüchtern", die Taten als unerträglich: Siegfried Mundlos, Vater eines Mitglieds der Zwickauer Zelle, will sich nach SPIEGEL-Informationen bei Angehörigen der Opfer entschuldigen. Ermittler sind auf neue Spuren der NSU gestoßen - und fahnden nun mit Hilfe von Facebook.
Uwe Mundlos (2009): "Taten beschämend und durch nichts zu entschuldigen", so sein Vater

Uwe Mundlos (2009): "Taten beschämend und durch nichts zu entschuldigen", so sein Vater

Foto: BKA

Hamburg - Siegfried Mundlos, der Vater des Zwickauer Neonazis Uwe Mundlos, will bei den Angehörigen der Opfer seines Sohnes um Verzeihung bitten - sobald alle offenen Fragen beantwortet sind. Er wisse, dass er für diese Menschen im Moment noch "ein rotes Tuch" sei, sagte Mundlos dem SPIEGEL. Er arbeitet als Informatik-Professor an der Fachhochschule Jena. Seinen Sohn beschreibt Siegfried Mundlos als "fast schüchtern", die Taten, die man ihm zur Last lege, seien unerträglich: "Das ist beschämend und durch nichts zu entschuldigen."

In den neunziger Jahren habe die Familie noch versucht, Uwe vom Abdriften in die rechte Szene abzuhalten - jedoch ohne Erfolg, so Mundlos. "Jeder Mensch hat ein gewisses Eigenleben. Alles, was man sich einfallen lassen konnte, habe ich gemacht. Ich konnte einfach nichts dagegen tun."

Die am 4. November tot aufgefundenen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gelten als Haupttäter der Zwickauer Terrorzelle. Beate Zschäpe, die in Untersuchungshaft sitzt, soll mit ihnen zusammen den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) gegründet haben. Auch vier mutmaßliche Unterstützer der Neonazi-Zelle sitzen inzwischen in Untersuchungshaft: Außer dem Ex-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben sind dies Holger G., André E. und Matthias D., der am Sonntag in Sachsen festgenommen worden war.

Die Gruppierung NSU soll in den Jahren 2000 bis 2006 neun Morde an Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft sowie den Mord an einer Polizistin in Heilbronn vom 25. April 2007 verübt haben. Zudem soll sie für die Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln verantwortlich sein.

Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt (BKA) fahnden nun auch über Facebook  nach Hinweisen zur Aufklärung der Mordserie. Wie das BKA am Freitag in Wiesbaden mitteilte, können Bürger nun auch über das soziale Netzwerk bei der Aufklärung der Taten des NSU helfen. Bereits seit Anfang Dezember bitten BKA und Bundesanwaltschaft die Bürger mit Fahndungsplakaten um Hilfe und Tipps zum NSU und möglichen Unterstützern.

Neue Spuren nach Dänemark und Schweden

Bei der Auswertung einer Computer-Festplatte der Zwickauer Zelle stießen Ermittler nach SPIEGEL-Informationen auf Spuren, die ins Ausland führen. So fand sich eine Videosequenz von August 2005, die einen "Rudolf-Heß-Gedenkmarsch" in Dänemark zeigt. Die Fahnder prüfen nun, ob die drei Mitglieder der Zelle dabei waren.

Auch in Schweden haben die Terroristen möglicherweise an einer Demonstration teilgenommen, die örtliche Neonazis in Erinnerung an einen im Dezember 2000 getöteten Musiker einer rechtsextremen Band veranstaltet hatten. Es gibt Fotos aus dem Jahr 1996, die Zschäpe, Mundlos und vermutlich auch Ralf Wohlleben in Worms zeigen, wo sie gemeinsam mit anderen Rechtsextremen Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß huldigten.

Unterdessen belegt ein neu aufgetauchter Vermerk des BKA, dass die Behörde die Mordserie an Migranten zunächst auf Drogendelikte zurückführte. Dem Papier der BKA-Ermittlungsgruppe "Ceska" vom April 2006 zufolge deuteten "nahezu alle Indizien" darauf hin, dass die Opfer "in unterschiedlicher Funktion im Drogenhandel eingebunden waren". "Politisch oder religiös motivierte Morde" seien "eher unwahrscheinlich".

Laut dem Vermerk ("Nur zur internen Verwendung, nicht in Gerichts- oder Verfahrensakten heften") dürfte es sich um sogenannte Bestrafungsmorde im Auftrag einer "vermutlich international organisierten" Drogenhändlergruppe handeln, die "professionell ausgeführt wurden".

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