Kampf gegen das Killer-Virus "Hände sind der größte Feind"
Peking - Asiens Regierungen versuchen mit zunehmend energischen Methoden, die mysteriöse Lungenkrankheit unter Kontrolle zu bekommen. Um zu verhindern, dass sich das Virus ausbreitet, haben Singapur und Hongkong inzwischen alle Schulen geschlossen. Allein in Singapur sind 600 000 Schüler betroffen. Außerdem setzten die Behörden knapp 2500 Menschen unter Quarantäne, die sich in den letzten Tagen angesteckt haben könnten.
Taiwans Politiker warnten gestern die Bevölkerung vor unnötigen Reisen nach Hongkong, Vietnam und in die Volksrepublik China. Einige taiwanische Lokalregierungen haben ihren Beamten sogar Fahrten auf das Festland verboten. Das taiwanische Fernsehen zeigte die Desinfektion von Flugzeugen. Einige Luftfahrtgesellschaften wollen krank aussehende Passagiere vorerst nicht mehr befördern.
Hongkong ist nach wie vor das Zentrum der Epidemie. Dort steigt die Zahl der Kranken ständig an. Heute morgen waren es 367 Fälle, 51 mehr als am Vortag. "Die derzeitige Lage ist ernst", erklärte der Hongkonger Regierungschef Tung Chee-hwa. "Es ist für uns unabdingbar, effektivere Maßnahmen als bisher zu ergreifen, um das Virus aufzuhalten."
Die "Rolling Stones" haben mittlerweile ein Konzert in Hongkong abgesagt. Es sollte am Freitagabend stattfinden. Mittlerweile binden sich immer mehr Menschen auf den Straßen einen Mundschutz um, der sie vor Ansteckung schützen soll. Andere halten sich Tücher vor das Gesicht.
Sogar TV-Moderatoren erscheinen mit Masken auf dem Bildschirm. Die Gesundheitsbehörden raten den Bürgern, in Fahrstühlen "Gespräche zu vermeiden und einen Gesichtsschutz zu tragen". Wer in Hongkong gegen die zehntägige Quarantäne verstößt, muss mit einer Geldstrafe rechnen.
In dem Wohnviertel "Amoy Garden" untersuchten Mediziner gestern Bewohner. Ambulanzen transportierten 14 von ihnen mit Symptomen der Lungenentzündung ins Prince-of-Wales-Krankenhaus im Stadtteil Shatin. Sie hatten sich vermutlich bei einem Mitbürger angesteckt, der wiederum einen Kranken besucht hatte.
In dem Hospital sind bislang die meisten Fälle aufgetreten. Es ist nach wie vor für den normalen Betrieb geschlossen. Wissenschaftler vermuten, dass es sich bei dem heimtückischen Erreger um eine Abart des Coronavirus handelt. Fatal: Es kann nach Aussagen von Hongkonger Wissenschaftlern durch Körperkontakt übertragen werden. "Hände sind der größte Feind", erklärte Yuen Kwok-yung von der University of Hongkong.
Neun Hongkonger haben sich offenkundig auf Flügen der Air China nach Peking und zurück angesteckt. Vier taiwanische Ingenieure fingen sich das Virus bei einer Dienstreise in die chinesische Hauptstadt ein.
Unterdessen wächst in der Region der Ärger über Pekings Behörden, die nach wie vor versuchen, den Ausbruch der Krankheit herunterzuspielen. Ein Team der Weltgesundheitsorganisation WHO durfte nicht in die südliche Provinz Guangdong (Kanton) reisen, um sich vor Ort über die Lage zu informieren und Patienten zu interviewen. Deshalb ist immer noch nicht endgültig klar, ob die Fälle in Guangdong ebenfalls vom Coronavirus ausgelöst wurden.
Chinas Journalisten hat die Regierung verboten, über den Ausbruch der Krankheit zu berichten. Sie dürfen nur offizielle Stellungnahmen verbreiten.
Es wird vermutet, dass das Virus in Guangdong entstanden ist, wo die atypische Lungenentzündung zum ersten Mal im November vorigen Jahres entdeckt wurde. Ein 64-jähriger Arzt hat vermutlich die Krankheit nach Hongkong getragen. Er ist mittlerweile gestorben.
Die immer wieder vorgebrachte Behauptung der KP-Funktionäre, sie sei unter Kontrolle, ist offenkundig nicht wahr. Denn auch in China stieg die Zahl der Toten bis Mitte der Woche auf 34, darunter drei in Peking. Knapp 800 Menschen sind infiziert.
Die Verschleierungstaktik wirft nach Ansicht von politischen Beobachtern in Asien ein schlechtes Licht auf den Führungsstil des neuen Premierministers Wen Jiabao. Offenbar will Peking eine Panik unter der Bevölkerung verhindern sowie den Zustrom von Investitionen und Touristen nicht gefährden. "China vernachlässigt absichtlich das eigene Volk", schimpfte das einflussreiche "Asian Wall Street Journal" heute in einem Kommentar.