Früherer Erzbischof von Mailand Die Abrechnung des Kardinal Carlo Martini

Es war sein letztes Interview. Kurz vor seinem Tod hat Kardinal Carlo Maria Martini heftige Kritik an der katholischen Kirche geübt. "Unsere Bräuche sind aufgeblasen, unsere Kirchen groß und leer", sagte der Mann, der 2005 für das Amt des Papstes gehandelt wurde.
Kardinal Carlo Maria Martini (Archivfoto): Im Vatikan galt er als Reformer

Kardinal Carlo Maria Martini (Archivfoto): Im Vatikan galt er als Reformer

Foto: epa ansa Dal Zennaro/ picture-alliance/ dpa

Mailand - Kardinal Carlo Maria Martini galt als möglicher Kandidat für das Amt des Papstes, doch 2005 zog die Konklave Joseph Ratzinger vor. Am Freitag verstarb Martini im Alter von 85 Jahren. In seinem letzten Interview hat der als Reformer bekannt gewordene Geistliche mit der katholischen Kirche abgerechnet.

Das Gespräch, das er im August mit einem bekannten Jesuitenpriester führte, wurde nun von der italienischen Zeitung "Corriere della Sera" veröffentlicht. Martini sagte demnach, die katholische Kirche agiere noch wie vor 200 Jahren. "Unsere Kirchen sind groß und leer, unsere Bürokratie wird immer größer, unsere Bräuche sind aufgeblasen und unsere Gewänder pompös."

Wenn die Kirche ihre Haltung gegenüber Geschiedenen nicht ändere, werde sie die Akzeptanz zukünftiger Generationen verlieren. Die Frage sei nicht, ob Geschiedene am Abendmahl teilnehmen dürften, sondern wie die Kirche Familien in schwierigen Situationen helfen könne.

Auch zu den Missbrauchsskandalen der vergangenen Jahre nahm der frühere Erzbischof von Mailand Stellung. Martini sagte, die Enthüllungen "zwingen uns, den Weg der Erneuerung zu gehen".

Martini gehörte zu den angesehensten Persönlichkeiten der katholischen Kirche in Italien. Anerkennung fand auch der Dialog des gebürtigen Turiners mit Nichtgläubigen. So gab er zusammen mit Umberto Eco das Buch "Woran glaubt, wer nicht glaubt?" heraus.

Martini galt im Vatikan als Reformer, in zahlreichen theologischen Schriften rief er die Kirche zum Umdenken auf. Große Aufmerksamkeit fand seine Forderung nach einem Dritten Vatikanischen Konzil, das seiner Meinung nach Fragen wie Sexualität, Frauen in der Kirche und den Rückgang der Priesterzahlen erörtern sollte. 2008 kritisierte er öffentlich das Verbot der Empfängnisverhütung.

cte

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