Karibik Heftiges Erdbeben erschüttert Haiti

Karibik: Heftiges Erdbeben erschüttert Haiti
Foto: AFP/ Carel PedrePort-au-Prince/Washington - Ein schweres Erdbeben der Stärke 7,0 hat Haiti erschüttert. Zudem versetzten Nachbeben die knapp neun Millionen Einwohner des Karibikstaates in Angst und Schrecken.
Über mögliche Opfer gab es zunächst keine konkreten Angaben. Man rechne mit zahlreichen Toten, sagte ein Sprecher des US-Außenministeriums in Washington. "Unsere Diplomaten vor Ort haben viele Leichen auf den Straßen und Gehwegen gesehen", sagte der Sprecher.
Aus Haitis Hauptstadt Port-au-Prince berichtete ein Arzt der Nachrichtenagentur AFP, dass das Zentrum der Stadt zerstört sei. Er befürchte Hunderte Tote, sagte der Mann, der selbst bei dem Beben verletzt wurde.
Haitis Botschafter in den USA, Raymond Joseph, sagte dem US-Sender CNN, er habe bislang wenige Informationen, befürchte aber eine "Katastrophe größeren Ausmaßes". Er könne nur beten und das Beste hoffen.
Berichte über schwere Schäden
Wie das seismologisch-geologische Institut der USA (USGS) mitteilte, lag das Epizentrum etwa 16 Kilometer westlich von Port-au-Prince in zehn Kilometern Tiefe. Das Beben habe sich um 16.53 Uhr Ortszeit (22.53 MEZ) ereignet. Zunächst war die Stärke des Bebens sogar auf 7,3 beziffert worden. Anschließend wurde Haiti den Angaben zufolge von zahlreichen weiteren Erdstößen erschüttert. Die heftigsten hatten laut USGS die Stärken 5,9 und 5,5.

Beben vor Haiti: Verzweifelte Suche nach Verschütteten
Das Ausmaß der Schäden scheint beträchtlich zu sein. Nach Angaben von Botschafter Joseph wurde der Präsidentenpalast in der Hauptstadt zerstört. Das bestätigte ein Journalist per Telefon im Fernsehsender Haitipal. Dem Bericht zufolge stürzten der Präsidentenpalast und viele andere Gebäude ein. Unter anderem seien auch mehrere Ministerien, das Parlament und Schulen beschädigt.
Der haitianische Präsident René Préval und seine Frau überstanden das Erdbeben laut Joseph unbeschadet. Die First Lady, Elisabeth Debrosse Delatour, habe mit einem Kollegen in den USA telefoniert und ihm versichert, das beide wohlauf seien. Aber der Präsidentenpalast und das Handelsministerium in Port-au-Prince seien bei dem Beben am Dienstag (Ortszeit) beschädigt worden. "Wenn diese Gebäude beschädigt sind, können sie sich vorstellen, was mit all den wackligen Behausungen an den Hängen rund um Port-au-Prince passiert ist", sagte Joseph.
Auch das Uno-Hauptquartier ist betroffen
Nach Angaben eines Uno-Mitarbeiters ist auch das Hauptquartier der Uno-Friedensmission auf der Insel betroffen. "Das Gebäude ist zum Großteil zerstört", sagte der Mitarbeiter der Nachrichtenagentur AFP. Unter den Trümmern seien zahlreiche Tote und Verletzte begraben. Es werde eine große Anzahl von Mitgliedern der Uno-Truppen vermisst, teilte ein Sprecher mit.
Seit 2004 sind Uno-Friedenstruppen in Haiti stationiert. Die Einheit setzt sich aus rund 7000 Soldaten und etwa 2000 Polizisten aus 18 Ländern zusammen. Derzeit sei es problematisch, die Truppen zu erreichen, um sich ein klares Bild von der Lage vor Ort zu machen, sagte eine Uno-Sprecherin: "Wir versuchen mit unseren Leuten in Kontakt zu treten, aber wir haben Kommunikationsprobleme."
Nach Angaben der Nachrichtenagentur AP stürzte auch ein Krankenhaus bei Petionville nahe Port-au-Prince ein. Zahlreiche weitere Häuser wurden beschädigt. Viele Menschen liefen dem Bericht zufolge in Panik auf die Straßen und schrien um Hilfe.
"Alles hat angefangen zu wanken", berichtete ein Reuters-Reporter aus Port-au-Prince. "Menschen haben geschrien. Häuser stürzten ein. Es herrscht das totale Chaos." Seinen Angaben zufolge lagen unter den Trümmern eingestürzter Häuser Dutzende Tote und Verletzte. Anwohner versuchten demnach verzweifelt, Verschüttete aus den Trümmern zu befreien. Eine Mitarbeiterin der Hilfsorganisation "Food for the Poor" sagte, in einer der Hauptstraßen der Hauptstadt gebe es mehr zerstörte als stehende Häuser.
Ein amerikanischer Regierungsbeamter, der zurzeit den verarmten Staat besucht, berichtete, mehrere Häuser seien in eine Schlucht gestürzt. "Sie ist voller eingestürzter Mauern, Trümmer und Stacheldraht", sagte Henry Bahn vom US-Landwirtschaftsministerium. "Der Himmel ist voller Staub und ganz grau."
Nach Angaben eines AFP-Reporters dauerte das Beben in Port-au-Prince länger als eine Minute, Autos seien regelrecht in die Luft gesprungen. Eine Kommunikation mit anderen Landesteilen sei zunächst unmöglich gewesen. Nach Angaben der US-Botschaft in Haiti brachen in Port-au-Prince die Telefonverbindungen zusammen.
Obama sichert Hilfe zu
Nach Meinung des USGS-Analysten Don Blakeman haben solch starke Beben das Potential für großflächige Zerstörungen. "Ich denke, wir werden uns auf erhebliche Schäden und Todesopfer einstellen müssen", sagte er. Die heftigen Erschütterungen und ihre Nähe zu Port-au-Prince ließen dies befürchten, fügte Erdbebenexperte Tom Jordan von der University of Southern California.
Haiti gilt als das ärmste Land in der westlichen Welt (siehe Kasten links). Botschafter Joseph bat die USA um Unterstützung. US-Präsident Barack Obama sicherte zu, die Vereinigten Staaten stünden bereit, um Haiti zu helfen. "Wir beobachten die Situation genau", sagte Obama. Der Präsident beauftragte seinen Stab, sich für humanitäre Hilfe bereit zu halten, falls sie gebraucht werde. Auch andere Regierungsstellen und das Militär arbeiten daran, eingreifen zu können.
Bill Clinton, Uno-Sondergesandter für Haiti, sicherte ebenfalls Unterstützung zu: "Mein Uno-Büro und die gesamte Uno sind darum bemüht, alles zu tun, um den Menschen in Haiti zu helfen." Seine Frau, US-Außenministerin Hillary Clinton, versprach militärische und zivile Hilfe.
Haiti hatte bereits in der Vergangenheit mehrfach mit schweren Naturkatastrophen zu kämpfen. Erst 2008 waren beim Durchzug von vier heftigen Stürmen fast 800 Menschen gestorben.
Zwischenzeitliche Tsunami-Warnung für einige Bereiche der Karibik
Für einige Teile der Karibik war zunächst eine Tsunami-Warnung ausgegeben worden, nach knapp zwei Stunden gab es jedoch Entwarnung. Betroffen davon waren neben Haiti und dem Nachbarstaat Dominikanische Republik auch Kuba und die Bahamas. Es bestehe die Gefahr einer Flutwelle, die die Küsten im Umkreis von rund 100 Kilometern treffen könne, hatte das Pazifische Tsunami-Warnzentrum zuvor mitgeteilt.
Auch in der benachbarten Dominikanischen Republik waren die Erdstöße zu spüren. Das berichtet die Tagszeitung "Dominican Today" auf ihrer Internetseite. Angaben über Schäden oder Verletzte lagen zunächst nicht vor. Den Osten Kubas erschütterte das Beben ebenfalls - auch von dort gab es zunächst keine Berichte über größere Schäden.