Langes Warten auf ein Kunstwerk »Sie ist unsere spirituelle Anführerin«
Für Besucher des Humboldt-Forums in Berlin ist diese Statue eines von vielen Ausstellungsstücken. Für viele Menschen in Kamerun dagegen ist sie ein bedeutsamer Teil ihrer Kultur, der ihnen von deutschen Kolonialherren geraubt wurde. Ngonnso, so heißt die mit Muscheln besetzte Figur.
Sylvie Njobati, Aktivistin:
«Heute stehe ich hier, um das Volk der Nso zu vertreten und die gewaltsame Gefangennahme von Ngonnso und anderen Artefakten hier im Humboldtforum zu verurteilen.«
Ngonnso ist eines von sehr vielen Kunstwerken aus ehemaligen Kolonien, die in deutschen, britischen oder französischen Museen lagern.
Sylvie Njobati, Aktivistin aus Kamerun: »Ich bin als junger Mensch aufgewachsen, der von seiner Kultur und Identität losgelöst wurde. Wie kann es mich für mich weitergehen, wenn ich nicht einmal weiß, woher ich komme?«
Die Forderung nach einer Rückgabe verhallte lange ungehört. Doch nun bewegt sich langsam etwas. In Westkamerun bereitet man sich schon auf die Rückkehr von Ngonnso vor. In diesem Museum in Foumban soll sie vorerst untergebracht werden – auch wenn dies nicht der Herkunftsort der Statue ist.
Guido Mingels, DER SPIEGEL: »Die Stadt Kumbo, wo die Statue Ngonnso vor 120 Jahren von deutschen Kolonialisten vermutlich geraubt wurde, liegt mitten in einem Konfliktgebiet. Dort herrscht ein blutiger Separatistenkonflikt, dorthin kann die Statue im Moment nicht zurück. Also, so haben der Sultan und der König der Nso gemeinsam beschlossen, könnte die Figur hierher zurückkommen – zumindest bis Frieden herrscht.«
Nach Frieden sieht es im Südwesten Kameruns derzeit nicht aus. Seit 2016 liefern sich Separatisten und Regierungstruppen dort heftige Kämpfe, etwa 750.000 Menschen mussten fliehen. Das Volk der Nso hofft, dass eine mögliche Rückkehr von Ngonnso dabei hilft, den Konflikt beizulegen.
Sehm Mbinglo I., König der Nso: »Ngonnso ist unsere spirituelle Anführerin, unsere Göttin. In Verbindung mit ihr sind wir gesund, haben ein fruchtbares Land und eine gute Ernte. Ohne Ngonnso fühle ich mich unvollständig.«
Große Erwartungen an eine kleine Statue, so scheint es - was aber vor allem eines zeigt: wie sehr die Bedeutung der Raubkunst heute in Europa unterschätzt wird.
Die deutsche Debatte um Restitution drehte sich vor allem um die Benin-Bronzen aus Nigeria, deren Rückgabe Deutschland zugesagt hat, auch Frankreich und Großbritannien versprachen, koloniale Raubkunst an Nigeria zurückgegeben. Bis sie tatsächlich in ihrer Heimat ankommt, kann es dauern. Der nigerianische Künstler Chidi Nwaubani will nicht länger warten, er bringt die Kulturschätze als 3D-Animationen digital zurück. So will er seinen Landsleuten zumindest etwas mehr Kontrolle über ihre Kunst ermöglichen.
Chidi Nwaubani, Künstler: »Wer etwas über unsere Skulpturen lernen will, muss nach Großbritannien oder in ein anderes europäisches Land. Wir versuchen also, diese Welt neu zu erfinden und ihr eine digitale Form zu geben.«
Anfang Juni gab es eine tatsächliche Rückgabe: Der belgische König überreicht eine traditionelle Maske an ein Museum im Kongo, einst die größte belgische Kolonie. Und die Raubkunst, die in Deutschland lagert? Allein in Berlin und Bremen gibt es mehrere tausend Einträge von Kunstobjekten aus Kamerun in den Museumsdatenbanken. Was auch bedeutet: Seit die Bestände online sind, können Bürger aus den Herkunftsländern die Kunst einfacher zurückverlangen – wie im Fall von Ngonnso.
Guido Mingels, DER SPIEGEL: »Der Stamm der Nso fordert diese Statue seit mehreren Jahrzehnten zurück. Lange haben Museen, nicht nur dieses, solche Restitutionen nach Kräften verhindert. Jetzt aber stehen die Chancen gut, dass die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der die Statue gehört, einer Rückgabe zustimmen wird.«
Irgendwann nach dem 27. Juni könnte es tatsächlich so weit sein. Dann will der Rat der Stiftung Preußischer Kulturbesitz über die Rückgabe von Ngonnso entscheiden.