
Bella Thorne führt Regie bei Sexfilm Porno auf dem Weg zum Pop
Bella Thorne ist Schauspielerin und Model. Bekannt ist sie außerdem für ihre Entscheidung, Nacktbilder, mit denen sie erpresst wurde, selbst ins Internet zu stellen, um ihre Erpresser zu entmachten. Nun präsentierte die 21-Jährige ihr Regiedebüt.
Der Kurzfilm "Her & Him" entstand als Teil von "Visionaries Director's Club" - einer von Pornhub initiierten Filmreihe, für die bereits die Rapperin Young M.A. und die Musikerin Brooke Candy ihre Visionen von guter Pornografie verwirklichten.
Im Making-of zum Film sitzt Thorne in einer Kulisse aus Pink und Plüsch, im Hintergrund ein lebensgroßer Plastikraptor. Eigentlich, so die Schauspielerin, habe sie "einen Weihnachtshorrorfilm" drehen wollen. Nun geht es um ein Paar, dessen Streit eskaliert. Im Durcheinander der Emotionen geben sich die beiden einander in einem Spiel aus Dominanz und Unterwerfung hin und tauschen dabei immer wieder die Rollen.

Coole Künstlerinnen, Stiefmütter und Füße
Inspiriert habe Thorne der Kampf um Dominanz zwischen Männern und Frauen in unserer Gesellschaft auch abseits von Sexualität. Eine Parabel auf Macht und Ohnmacht zwischen den Geschlechtern in der Zeit nach #MeToo. Ein Thema, das sie offenbar schon lange intensiv beschäftigt.
Bereits 2018 sprach sie öffentlich darüber, dass sie als Kind jahrelang missbraucht wurde. Auf Instagram stellte sie sich jüngst die Frage, warum es ihr so wichtig sei, andere, besonders Männer, zu beeindrucken. Dabei erinnerte sie auch an ihre Missbrauchserfahrungen. Leider war es nicht möglich, ihren Film anzusehen, auf Nachfrage erhielten wir keine Rückmeldung vom Unternehmen.
Die drei "Visionaries"-Regisseurinnen machen in den Making-of-Videos zu ihren Filmen mit einer Mischung aus Selbstbewusstsein und radikaler Offenheit neugierig auf die Werke. Die Frauen eint, dass sie aufgeschlossen mit ihrer Sexualität umgehen. Young M.A. und Brooke Candy sind offen lesbisch, Bella Thorne beschrieb sich im Juli 2019 auf Twitter als pansexuell. Außerdem erreichen sie ein junges, internetaffines Publikum. Die Musikvideos von Young M.A. und Brooke Candy wurden Millionen Mal bei YouTube angesehen, Bella Thornes Twitter-Kanal BITCHIMBELLATHORNE hat fast sieben Millionen Follower.
Pornhub ist nicht nur eine ungeheuer erfolgreiche Pornoschnipsel-Seite, laut Selbstauskunft wurde die Internetadresse 2018 täglich 92 Millionen Mal aufgerufen. Das Unternehmen hat offensichtlich ein Händchen für Selbstvermarktung.
So generiert Pornhub Jahr für Jahr Presse, indem die Firma Statistiken veröffentlicht. 2017 etwa ging es um die online sexuellen Vorlieben verschiedener Nationen (in Deutschland mit ganz vorn dabei: "Stiefmütter", in Italien: "Füße"), 2018 um die Interessen der Millennials (auf der Suche nach Pornostars geben die meisten Kim Kardashian ein). Unterhaltsam sind die Infos, belastbar allerdings nicht. Das Unternehmen gibt keine absoluten Zahlen heraus.
Unklare Produktionsbedingungen? Egal
Das Geschäftsmodell der Seite ist mindestens fragwürdig: Pornhub lebt davon, dass jeder pornografisches Material hochladen kann, anscheinend ohne dass Herkunft oder Produktionsbedingungen vom Unternehmen überprüft oder hinterfragt werden. Wurden die Darstellerinnen und Darsteller anständig bezahlt, über Gefahren aufgeklärt und vor sexuell übertragbaren Krankheiten geschützt? Aus der Seite ist nicht ersichtlich, ob Pornhub das weiß oder ob es sie überhaupt interessiert.
Auch ob vorher festgestellt wurde, dass die Darstellerinnen und Darsteller volljährig sind, ist nicht erkenntlich. Nicht einmal, ob die Szenen freiwillig entstanden, aufgezeichnet und veröffentlicht wurden, scheint gesichert. Zu den Kontrollstandards und ihren Mitteln, um den Upload fragwürdiger oder sogar gesetzeswidriger Videos zu verhindern, äußerte sich Pornhub auf Nachfrage nicht. Das Vorgehen im Fall Gina-Lisa Lohfink 2016 lässt erahnen, dass solche Fragen bei der Firma nicht die höchste Priorität besitzen.
Dennoch ist Bella Thornes Film und die damit verbundene Aufmerksamkeit eine Gelegenheit, sich mit dem Thema Pornografie zu beschäftigen - und Seiten wie Pornhub ein wenig von ihrer Allgegenwärtigkeit abzutrotzen. Dafür gibt es gute Gründe, Millionen von Nutzern, die weltweit täglich auf Pornoseiten surfen. Der Konsum von Pornografie im Internet ist so weit verbreitet, dass es überfällig ist, den gesellschaftlichen Umgang mit dem Masturbations-Material im Web zu überdenken. Im Ringen um Gleichberechtigung müssen wir auch über unsere Bilder von Sexualität sprechen und unsere Standpunkte dazu neu ordnen - beziehungsweise uns erst einmal welche erlauben.
Es gibt hervorragende Pornos
Wenn der "Director's Club" Frauen die Gelegenheit bietet, ihren Blick auf Sexualität zu dokumentieren, und wenn diese Filme dafür sorgen, dass mehr Menschen sich für Pornos interessieren, anstatt sie heimlich und schuldbewusst zu konsumieren, ist viel gewonnen.
Es gibt ja hervorragende Pornos wie etwa "Silver Shoes" von Jennifer Lyon Bell. Oder auch ihr "Des jours plus belles que la nuit" (Schönere Tage als die Nacht). Diese Dokumentation eines Liebesakts ist voll von tastender Sanftheit, Empathie und feiner Albernheiten, sodass man sich fragt, wie die Popkultur so lange ohne den Reichtum der Pornografie auskommen konnte. Denn gute Pornos zeigen Sex nicht als mechanischen Akt, sondern als intensive Kommunikation auf körperlicher Ebene.
Die Diskussion ist bereits seit einiger Zeit im Gange. Seit 2009 wird in Berlin der PorYes-Award verliehen, ein feministisches Gütesiegel für pornografische Filme. 2010 gründete die feministische Pornoregisseurin Erika Lust "Lust Cinema", eine Seite mit anspruchsvoller Pornografie. Im letzten Jahr forderten die Jusos eine staatliche Unterstützung feministischer Pornofilme, nach dem Vorbild von Schweden. Um nur einige Beispiele zu nennen.
Für die meisten Menschen ist Pornografie trotzdem noch immer etwas, das hinter verschlossenen Türen und vor dem Computer stattfindet. In der Verbindung von Pornografie und Pop, wie Pornhub sie mit der "Visionaries"-Reihe vormacht, liegt die Chance, das zu ändern. Wäre Pornografie Pop, würden Filme diskutiert statt heimlich konsumiert, sie würden geliebt oder verrissen, es wäre cool oder uncool, bestimmte Arten von Pornografie anzuschauen. Aus den Inszenierungen und den Gesprächen darüber könnten wir lernen, wie wir uns selbst als sexuelle Wesen sehen, wie wir beim Sex miteinander kommunizieren und umgehen wollen.
In einer Gesellschaft, in der immer mehr Menschen darauf achten, dass ihre Lebensmittel bio und fair gehandelt sind, wäre es auch vom kurzgeschlossenen Rumklicken auf Seiten wie Pornhub zu Begriffen wie "feminist Porn" und "FairPorn" nicht weit.
Und die Art von Porno, die vielen heute als normal gilt, wäre dann bestenfalls das Pendant zum stumpfen Low-Budget-Actionfilm für Leute, die ein Hintergrundflimmern für das einsame Einpennen auf dem Sofa brauchen.