Berlusconis Scheidungstheater "Jetzt ist Schluss"
Rom - Das hat sie nun davon. Der Cavaliere ist böse, oder, wie er sagt: "Ich bin indigniert." So ließ sich Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi jetzt vernehmen, nachdem er am Sonntag durch die Medien erfahren hatte, dass seine Frau Veronica Lario nach 19 Ehejahren die Scheidung will.
"Das sind private Dinge, sehr private Dinge, die nicht in die Zeitungen gehören", beklagte sich der Medien-Tycoon am Sonntag vor Journalisten in Arcore bei Mailand. Verärgert und schlechtgelaunt reagierte der Ministerpräsident auf den offenbar selbst für ihn unerwarteten Vorstoß seiner Frau. "Ich bin besorgt und traurig", sagte er der "Stampa". Er habe eine "schwierige Situation" aus Liebe zu den Kindern aufrechterhalten, "aber jetzt ist Schluss". Er sehe "keine Möglichkeit weiterzumachen".
Lange Zeit hatte Lario, die seit 29 Jahren mit Berlusconi liiert und seit 1990 mit ihm verheiratet ist, geschwiegen. Auch aus dem politischen Alltagsgeschäft des Gatten hielt sie sich weitgehend heraus, wenngleich sie sich bisweilen kritische Randbemerkungen erlaubte. So kritisierte sie den Einmarsch der US-Truppen im Irak und setzte sich für eine liberalere Gesetzgebung in Sachen künstliche Befruchtung ein.
Anfang 2007 jedoch kam es zum ersten über die Medien ausgetragenen Ehekrach. In der römischen Tageszeitung "Repubblica" hatte Lario damals ihren Mann in einem öffentlichen Brief aufgefordert, sich zu entschuldigen - für dessen im Fernsehen scherzhaft ausgesprochenen Heiratsantrag an seine Parteikollegin Mara Carfagna, die zuvor mit aufreizenden Aktfotos für Furore gesorgt hatte.
In der vergangenen Woche dann hatte sich Lario an die Nachrichtenagentur Ansa gewendet und erklärt, Berlusconis Kandidatinnen für die im Juni anstehenden Europawahlen seien nichts weiter als "schamlose Luder im Dienst der Macht". Ihr Mann würde mit seiner "Frechheit" und "mangelnder Zurückhaltung" die Glaubwürdigkeit aller Frauen untergraben.
Ein Besuch des Premiers in einer Discothek in Neapel brachte das Fass dann offenbar zum Überlaufen. Berlusconi vergnügte sich dort auf der Geburtstagsparty einer attraktiven 18-Jährigen. "Ich kann nicht mit einem Mann zusammen sein, der mit Minderjährigen verkehrt", erklärte Lario am Sonntag und verkündete das Ende ihrer Ehe.
Berlusconi hatte zunächst offenbar noch gehofft, seine Frau werde sich beizeiten beruhigen und der ganze Skandal dem Vergessen anheimfallen. Man wolle, so der 72-Jährige, doch "keine Seifenoper inszenieren". Die allerdings war bereits in vollem Gange und wurde vom Wahlvolk interessiert verfolgt.
Im Internet kursierten sogar erste Gerüchte, wonach es sich bei der schönen 18-Jährigen, Noemi Letizia aus Caloria, gar nicht um die Geliebte, sondern die leibliche Tochter des Premiers handeln könnte. "Dann sollte man schleunigst einen DNA-Test machen", forderten Blogger auf der Internet-Seite der Wochenzeitschrift "Espresso" bissig.
"Denken die denn, ich bin verrückt?"
Am Ende könne Berlusconi von einer solchen Vaterschaft sogar noch profitieren, denn nichts liebten die Italiener schließlich mehr als eine schmalzige Telenovela. Und das Bild von einem Vater, der seine verlorene Tochter in den Arm schließt, sei allemal vorteilhafter als die Vorstellung, der Ministerpräsident könne Sex mit Minderjährigen haben.
Noemi Letizia hatte kurz nach dem Skandal im Interview mit der "Repubblica" beteuert, Berlusconi sei "ein Freund der Familie" und habe sie "so gern wie eine Tochter". Der Premier selbst sagte der "Stampa", der Vater der schönen Blonden habe ihn inständig gebeten, zu der Geburtstagsfeier zu kommen. "Ich schwöre es", so Berlusconi. "Wie kann man denn annehmen, dass ich die ganze Familie besuchen würde, wenn da etwas dran wäre - denken die denn, ich bin verrückt?"
Warum Letizia ihn Papi nenne, wollte der "Corriere della sera" wissen. "Das ist ein Scherz, sie wollte mich zuerst Opa nennen, da ist Papi schon besser, oder?" Die Vorwürfe der First Lady seien einfach unglaublich, maulte der Premier: "Sie sollte sich schämen. Das hat sie getan, um die Kinder gegen mich aufzuhetzen." Die allerdings halten sich aus der öffentlichen Diskussion um die Eltern komplett heraus. Die 23-jährige Eleonora studiert in New York Wirtschaftswissenschaften, die zwei Jahre ältere Tochter Barbara erwartet gerade ihr zweites Kind und enthält sich wie ihr in Malta weilender 21-jähriger Bruder Luigi jeden Kommentars.
Angriffe auf Berlusconis Gattin: "Ekelerregende Vulgarität"
Seit Lario mit Scheidung drohte, scheint Berlusconi seinen Humor verloren zu haben: "Es ist bereits das dritte Mal, dass sie mir mitten im Wahlkampf einen Scherz dieser Art spielt. Das ist wirklich zu viel des Guten", beklagte er sich und forderte nun seinerseits: "Veronica muss sich öffentlich bei mir entschuldigen - und ich weiß nicht, ob das reichen wird."
Die wahren Schuldigen an dem Debakel hat er gleichwohl bereits ausgemacht: "Man hat Veronica eine Falle gestellt", orakelte der Premier laut "Corriere della sera". "Und ich weiß, wer sie beraten oder vielmehr aufgehetzt hat."
Was in den vergangenen Tagen passiert sei, könne er nur als "Medienkriminalität" bezeichnen, sagte der Medien-Tycoon, der mit seinen eigenen TV-Sendern Canale 5, Rete 4 und Italia 1 sowie den staatlichen Kanälen der RAI etwa 90 Prozent des nationalen Fernsehmarktes kontrolliert und mehrheitlich an der konservativen Mailänder Zeitung "Il Giornale" beteiligt ist.
"Veronica setzt sich an die Spitze der Opposition"
Die Vertreter des Berlusconi-Imperiums gingen wenig zimperlich mit der Angetrauten des "Imperators" um: Ihr soll sogar mit körperlicher Gewalt gedroht worden sein. Der "Espresso" spricht im Zusammenhang mit den Attacken gegen Signora Lario empört von "ekelerregender Vulgarität". Der Skandal müsse die Frage nach sich ziehen, ob Berlusconi noch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte oder etwa die nationale Sicherheit gefährdet sei.
Längst ist aus dem persönlichen Gerangel auch ein Politikum geworden. "Für den Führer einer Partei, die christliche Werte wie die Familie hochhält, ist das Scheitern der eigenen Ehe auch ein politisches Scheitern", erklärte der Bürgermeister der sizilianischen Stadt Salemi, Vittorio Sgarbi, in der Zeitung "Il Tempo". Für Sgarbi, den Europawahlkandidaten der Autonomie-Partei MPA, steht fest: "Damit setzt sich Veronica sozusagen an die Spitze der Opposition."
Einige Beobachter fürchten bereits, das Image und die Glaubwürdigkeit der Regierungskoalition könne Schaden nehmen.
Der Soziologe und Demoskop Renato Mannheimer von der Universität Milano-Bicocca sieht indes keine Gefahr für Berlusconi: "Für die Italiener ist das Aufeinandertreffen Lario-Berlusconi ein Familienstreit, der weder Wahlstimmen kostet noch zusätzliche bringt." Die Italiener seien halt Machos, Berlusconi für sie allenfalls ein "sympathischer Schuft".
"Ein harter Kampf, auch finanziell"
Berlusconi betont indes, nein, er mache sich keine Sorgen um seine Umfragewerte, aber um seine Kinder, "man hätte sie da raushalten sollen, eine saubere und stille Sache daraus machen".
Der Premier weiß gleichwohl genau, was ihn erwartet: "Jetzt wird es ein harter Kampf werden, auch finanziell", sagte der Cavaliere, der laut "Forbes" über ein Vermögen von mehr als 4,5 Milliarden Euro verfügt und damit einer der reichsten Männer des Landes ist. "Wir müssen hart und unnachgiebig sein", soll er laut "Repubblica" seinem Anwalt Niccolò Ghedini gesagt haben. Ghedini, Abgeordneter der Berlusconi-Partei PDL (Volk der Freiheit) plant derzeit mit Parteikollegen die Medienstrategie. Denn: Es steht zu befürchten, dass Lario weitere hässliche Details aus dem Eheleben ausplaudert, sich eventuell sogar im Fernsehen blicken lässt und Interviews gibt.
Wie der öffentlich zelebrierte Rosenkrieg enden wird und welche Folgen er zeitigen wird, ist schwer zu prognostizieren. Stellvertretend für viele politikverdrossene Italiener konstatiert ein Blogger auf der Seite des "Espresso" lakonisch: "In Wahrheit haben wir all das verdient - und noch Schlimmeres."