Besuch bei Cicciolina Madonna im Hardcore-Plüsch
Rom - Ilona Staller gehört nicht zu den Frauen, die auf die Frage "Welches ist Ihr liebster Körperteil?" die Antwort geben: meine Augen. Sie sitzt in einem gläsernen Penthouse auf einem Dach über der Via Cassia, umgeben von einer Menagerie Plüschtierchen aller Rassen, Farbtöne und Größen, auf dem blonden Haar eine rosa Baskenmütze, darunter ein ebenso rosa, ständig hochrutschendes Leibchen mit großem Kreuz darauf - und irgendwo darunter ihr Lieblingskörperteil, das, was sie "mein kleines rosa Schweinchen" nennt.

Staller in ihrer Römer Wohnung: Madonna und Porno-Mythos
Foto: Alexander SmoltczykIlona "Cicciolina" Staller ist heute eine Frau von 54 Jahren, die den Eindruck macht, ihr bisheriges Leben ebenso rein und unberührt absolviert zu haben, wie sie durch ihre 36 Hardcore-Pornofilme geschwebt ist: Einen Blütenkranz auf dem Kopf wie die Madonna, doch in jeder Hand und Körperöffnung einen kleinen Herren untergebracht. Cicciolina ist eine der wenigen Porno-Mythen der Achtziger, die nicht an Aids, Drogen, Depressionen oder ihren Managern zugrundegegangen sind. Einer ihrer letzten Partner war John C. Holmes, der auf dem Set seine Aids-Krankheit bis zuletzt geheim gehalten hatte. Cicciolina hielt es damals für Grippe.
"Irgendwie habe ich es immer geschafft, durchs Feuer zu gehen, ohne mich zu verbrennen", sagt sie in einem schnell fließenden Italienisch, das immer noch leicht ungarisch gefärbt ist. Ilona Staller war die erste Trash-Politikerin Italiens. Sie ritt schon halbnackt auf einem weißen Schimmel durch den römischen Wahlkampf, als Silvio Berlusconi die Politik noch verachtete. Sie war die erste, die zeigte, wie sich mit hemmungslosem Kult der Oberfläche Politik machen lässt. "Heute gehen sie doch alle in die Fernsehshows, singen und tanzen, machen ihr Politainment. Berlusconi singt in Neapel seine Liedchen. Vielleicht habe ich die Tür dazu geöffnet", sagt Ilona Staller und zieht in alter Gewohnheit die Schultern nach hinten, damit das Leibchen spannt.
Plüschtiere und G-Punkte
In ihrem Wohnzimmer steht ein weißer Flügel, darunter schleicht "Wolke", eine graue Perserkatze herum. An den Wänden, an der Decke, in den Ecken sind Spiegel angebracht. Es ist unmöglich in dieser Wohnung, nicht in irgendeinen Spiegel zu blicken und sich nicht auf irgendein Kuscheltier zu setzen. "Ich bin nicht mehr 18, aber ich bin auch nicht hässlich, oder?", sagt sie und redet über Yoga, Gymnastik, das tägliche Bad im Fitnessclub von Isola Farnese, einem gutbürgerlichen Vorort im Norden Roms.
Sohn Ludwig ist noch in der Schule. Ilona Staller heiratete sich 1971 von Budapest nach Mailand, merkte, dass ihr Gatte keine feste Arbeit hatte, und ließ sich wieder scheiden. Ein Fotograf riet ihr, sich "Cicciolina", Moppelchen, zu nennen. Es war die Zeit der Privatradios. Das Mädchen aus Budapest moderierte "Radio Luna" und plauderte mit ihrer sanften Stimme über alles, was im Mittwochskatechismus nie zu erfahren war. Das war unerhört. Staller zog durch Discotheken und predigte über Kondome, Aufklärungsunterricht, Homosexualität, G-Punkte und die empfehlenswerten Stellungen des Kamasutra, all das in einer Zeit wohlgemerkt, wo in manchen Regionen Italiens schon beim Wunsch nach Scheidung nach dem Exorzisten gerufen wurde. Die ersten Brüste, die im italienischen Fernsehen live gezeigt wurden, waren die ihren. 1978, auf "Cera due volte" ("Es waren zwei Mal").
"Damals liefen ständig fünfzig Strafanzeigen gegen mich", sagt Staller. "Heute sitzen die Mädchen breitbeinig im Zug, und für die Kommunisten sitzt die Dragqueen Vladimir Luxuria im Parlament. Die Kultur und die Politik in Italien haben sich verändert. Und ich bin daran nicht unschuldig." Ilona Staller eroberte trotz miserablem Listenplatz für die libertäre Radikale Partei einen Sitz im Parlament. Sie blieb eine volle Legislaturperiode, schrieb Gesetzesvorlagen für die Freigabe von Drogen und gegen die Atomenergie.
Kult der Oberflächlichkeit
"Ich würde gern wieder Politik machen", sagt sie. Sie langweilt sich ein wenig zwischen den Magazinen und Spiegeln. Nach dem 11. September 2001 bot sie an, eine Nacht mit Osama bin Laden zu verbringen, im Austausch gegen "seinen Terror und seine Tyrannei". Vor dem Irakkrieg machte sie Saddam Hussein dasselbe Angebot und wurde wieder enttäuscht. "Die Politik hat sich sehr verändert. Heute setzen sie doch - verzeihen Sie den Ausdruck - Hunde und Schweine auf die Wahllisten. Es geht ums Geld, jeder bereichert sich mit allen Mitteln. Sehen Sie nur die Skandale um Parmalat."
Zum Globalplayer wurde Cicciolina 1991 durch ihre Heirat mit dem amerikanischen Popkünstler Jeff Koons. Die beiden ergänzen sich in ihrem Kult der Oberflächlichkeit. "Wie die Maler ihren Pinsel, so benutzt Cicciolina ihre Genitalien, um eine universale Sprache zu schaffen", erklärt Koons. Zum ersten Mal schafft es ein Schließmuskel, in einer hochrenommierten Soho-Galerie gezeigt zu werden, unschuldig und rosig wie ein Kuscheltier.
Die Ehe hielt ein Jahr. Es folgte ein unschönes juristisches Gezerre um den gemeinsamen Sohn Ludwig-Maximilian. Trotz Cicciolinas Kulturrevolution sind Italiens Gerichte immer noch auf der Seite der Mütter. So bekam Staller das Sorgerecht zuerkannt - unter der Bedingung, nie wieder in Pornofilmen aufzutreten.
"Gott ist Liebe"
Ilona Staller hat sich daran gehalten und kann heute zur Beichte gehen, ohne den Gemeindepriester Don Adriano größeren Risiken von Herzattacken auszusetzen. Ludwig ist inzwischen ein Teenager und gewöhnt, auf die Frage nach dem Beruf der Mutter "Artista - Künstlerin" anzugeben. Koons zahlt die notwendigsten Alimente, und Ilona Staller verdient sich durch Auftritte bei "Big Brother" oder in Disco-Shows etwas dazu.
Eine Kunstgalerie an der Spanischen Treppe zeigte im vergangenen Jahr einen Zyklus des Fotografen Gianfranco Salis, "Ilona Renaissance". Es sind Bilder, auf denen Staller im Stil des Settecento als Göttin der Schönheit drapiert wird, mit Rosengirlanden und Brüsseler Spitze: "Die Ausstellung sollte auch in New York gezeigt werden, aber dieser Mann hat das verhindert." Sie meint Jeff Koons.
Zwischen den Paparazzi-Blättchen auf dem Couchtisch liegt ein schmales Bändchen, herausgegeben vom Heiligen Stuhl. Es ist die Enzyklika "Deus caritas est". Cicciolina mag Benedikt XVI. Wenn auch nicht so sehr wie seinen Vorgänger. Der sei maskuliner gewesen. "Der Papst hat gesagt, dass Liebe und Eros gut für die Jugend sei. Bello! Gott ist Liebe, das habe ich schon immer gepredigt, porcaputtana!"