Verfahren gegen Strauss-Kahn "Es ging um den Konsum von Sex"

Die Anklage wirft Dominique Strauss-Kahn "schwere Zuhälterei" in 15 Fällen vor. Der ehemalige IWF-Chef behauptet, er habe die Prostituierten für Freundinnen seiner Begleiter gehalten. Jetzt beginnt der Prozess.

Der Absturz hätte kaum heftiger ausfallen können: Am Montag beginnt der Prozess gegen Dominique Strauss-Kahn, den ehemaligen Chef des Internationalen Währungsfonds und Ex-Wirtschaftsminister. Die Anklage gegen den Polit-Promi "DSK" - bei den Präsidentschaftswahlen 2012 Favorit der Umfragen und angehender Kandidat der Sozialisten - lautet auf "schwere Zuhälterei".

Verhandelt wird im nordfranzösischen Lille, wo sich im vornehmen Hotel "Carlton" jene Vorgänge abgespielt haben sollen, die Strauss-Kahn den Vorwurf der gemeinschaftlich begangenen Kuppelei eingebracht haben.

Mit ihm angeklagt sind 13 weitere Männer aus dem Dunstkreis der Bordellindustrie: Zuhälter, Kleinkriminelle und lokale Geschäftsleute, die bezahlten - in der Hoffnung, von der Nähe zu dem Politiker zu profitieren. Bei Verurteilung drohen DSK bis zu zehn Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe von 1,5 Millionen Euro.

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DSK erneut vor Gericht: Sexparties im Carlton

Foto: KENZO TRIBOUILLARD/ AFP

Losgetreten wurden die Nachforschungen durch einen anonymen Hinweis. Vier Jahre nach dem aufsehenerregenden Vergewaltigungsverfahren in New York, das durch eine außergerichtliche Einigung beendet wurde, erhält die Justiz einen Hinweis auf den Lebenswandel von Strauss-Kahn: Es ist der Beginn der "Carlton-Affäre" - mit langwierigen Ermittlungen.

Ein erstes Verfahren wird von der Staatsanwaltschaft im Juli 2013 eingestellt. Dennoch beginnen die Ermittlungsrichter in Lille ein Strafverfahren; sie konzentrieren sich auf 15 Fälle, bei denen Strauss-Kahn zwischen 2007 und 2011 an Treffen mit Prostituierten teilnahm. Kernfrage der Vorwürfe: Wusste der Politiker seinerzeit, dass die Prostituierten, mit denen er sich einließ, von seinen Geschäftsfreunden für ihre Dienste bezahlt wurden?

Der Angeklagte streitet dies ab, die Verteidigung unterstellt politische Ränke und spricht von einem moralischen Kreuzzug. DSK selbst räumt zwar ein, dass die Begegnungen zwischen Washington, Paris, Brüssel und Lille stattgefunden hätten. Er habe die Teilnehmerinnen an den Ausschweifungen jedoch stets für Partnerinnen oder Ehefrauen seiner Freunde gehalten. Die Ermittlungsrichter haben in der über 200 Seiten starken Schrift Belege zusammengetragen, die das Gegenteil beweisen sollen: Demnach wusste DSK stets, dass er sich mit bezahlten Prostituierten einließ.

Die Details der Klage enthüllen ein Leben zwischen Luxusherbergen, Sexclubs und Privatbordellen, bisweilen wurden die Escort-Girls gar nach New York geflogen. In SMS-Botschaften forderte Strauss-Kahn demnach für seine Dienstreisen vorweg "Material" an oder ließ private Orgien mit "Geschenken" oder "Kandidatinnen" organisieren ließ.

Die Aussagen der betroffenen Frauen wiegen schwer, zumal eine von ihnen angibt, sie habe mit DSK über ihre Bezahlung gesprochen. Andere - sie werden mit ihren Pseudonymen Jade, Mounia, Sandrine, Marion oder Estelle zitiert - sind zurückhaltender.

Sie beschreiben gleichwohl ausschweifende Feiern und sexuelle Praktiken, die sie als "Gemetzel" oder "Schlachterei" charakterisieren. Die jungen Frauen erinnern sich an Treffen, bei denen DSK zwischen zehn und fünfzehn sexuelle Kontakte mit verschiedenen Frauen hatte: "Es ging um den Konsum von Sex, nicht um Swinger-Treffen."

"Er konnte nicht so unwissend sein", sagt eine der Befragten über den Kunden, dem die Ermittlungsrichter einen "außergewöhnlichen sexuellen Appetit" zuschreiben."

Die Frauen betonen die Brutaliät Strauss-Kahns und seine Vorliebe für Sexualkontakte ohne Kondom. Zugleich konstatiert die Klage, dass ein "veritables Gesetz des Schweigens" die Frauen umgab, eine Art "Omertà", mit der der Politiker geschützt werden sollte.

Droht Strauss-Kahn, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens, das Ende seiner öffentlichen Karriere? Der Wirtschaftsfachmann, gerade erst mit seinem Abstecher in die Finanzwelt gescheitert, könnte durch die Ausbreitung seines Lebensstils gezwungen sein, lukrative Beraterverträge aufzugeben - für die er in Serbien, Russland und Südkorea Bezüge erhält.

Frankreichs öffentliche Meinung bleibt gegenüber dem Ex-Chef des IWF merkwürdig gespalten. In einer Umfrage des Blattes "Le Parisien" hat zwar eine Mehrheit von 55 Prozent eine schlechte Meinung von DSK. Aber fast 60 Prozent glauben, dass Frankreich mit einem Staatschef Strauss-Kahn heute wirtschaftlich günstiger dastehen würde - für 79 Prozent wäre er schlicht ein besserer Präsident als François Hollande.

"DSK - ungeliebt", so das Pariser Blatt, "aber man trauert ihm nach."

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