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Fremdgeh-Portal Horst Seehofer, der Botschafter für Diskretes

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hatte eine heimliche Affäre und ist Vater eines unehelichen Kindes. Ein Seitensprung-Portal hält ihn deshalb für die ideale Werbefigur und setzte sein Konterfei auf ein Plakat - zusammen mit Arnold Schwarzenegger und Bill Clinton.

Hamburg - Unter anderen Umständen würde sich Horst Seehofer bestimmt freuen, sich in einer Reihe mit Arnold Schwarzenegger und Bill Clinton zu sehen. Immerhin war der eine Mister Universum und Gouverneur von Kalifornien, der andere US-Präsident. Doch in diesem Fall dürfte sich der bayerische Ministerpräsident wünschen, nicht zum illustren Trio zu gehören.

Der Herr Seehofer? Auf einem Plakat? Als Werbung für ein Seitensprung-Portal? Mit Schwarzenegger und Clinton? Nein, da sei ihr nichts bekannt, sagt die Mitarbeiterin in der Pressestelle der Bayerischen Staatskanzlei. Sie werde die Sache weitergeben.

Der Rückruf kommt prompt. Eine Pressesprecherin der Staatskanzlei blockt alle Fragen freundlich ab. Wusste Seehofer von dem Plakat? Wie hat der Ministerpräsident reagiert? Wird er sich dazu äußern? Wird er womöglich rechtliche Schritte einleiten? "Kein Kommentar", lautet ihre Standardantwort.

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Werbebanner: Wenn schon fremdgehen, dann richtig

Foto: Katrin Neuhauser

Es geht um ein Werbebanner des kanadischen Fremdgeh-Portals AshleyMadison - Slogan: "Das Leben ist kurz. Gönn' dir eine Affäre". Das Riesenplakat hängt am Berliner Alexanderplatz an der Fassade eines Hotels. Darauf sind Porträts von Schwarzenegger, Seehofer und Clinton zu sehen. Darüber steht in großen Lettern: "Was haben diese drei Männer gemeinsam?" Die Antwort folgt, kleiner geschrieben, unter den Fotos: "Sie hätten besser Ashley Madison nutzen sollen."

Denn, so teilt das Unternehmen mit, man sehe in den Politikern ideale "Beispiele dafür, wie man es nicht macht". Die Botschaft: Wenn schon fremdgehen, dann richtig. Wer wie Seehofer in Amt und Würden stehe, sollte den Teufel tun, sich erwischen zu lassen, so das Unternehmen.

Ihre Seitensprünge hatten für die drei Politiker tatsächlich erhebliche Auswirkungen. Clintons Affäre mit Monica Lewinsky kostete ihn fast das Amt. Schwarzenegger muss sich als "Sperminator" verspotten lassen, seit bekannt wurde, dass er mit einer Haushaltshilfe ein Kind zeugte. Seine Frau Maria Shriver reichte die Scheidung ein. Seehofer hatte über Jahre eine Affäre mit einer ehemaligen Bundestagsmitarbeiterin, mit der er ein Kind hat - das kam in der konservativen CSU gar nicht gut an. Seine Frau blieb trotz allem bei ihm.

"Wenn du schon eine Affäre haben musst, dann mach es hier"

"Man muss aus moralischer Sicht ein Fragezeichen über eine solche Form der Werbung machen", sagt Volker Nickel vom Deutschen Werberat. Seine Institution könne aber nur aktiv werden, wenn sich jemand über die Kampagne beschwere. In diesem Fall könne man aber nicht davon ausgehen, dass etwa der Jugendschutz gefährdet sei. Bei dem Banner gehe es um Persönlichkeitsrechte - und damit könnten sich nur die Betroffenen zur Wehr setzen.

"Gute Werbung ist kontroverse Werbung", sagt dagegen AshleyMadison-Gründer Noel Biderman. Bei Clinton sei nun mal die Lewinsky-Sache im Oval Office ebenso bekannt wie die Leistungen als Präsident. "Schwarzeneggers Affäre ist wie ein Hollywood-Film", sagt Biderman. Und Seehofers Seitensprung folge demselben Muster. "Das macht die drei zu idealen Werbefiguren."

Rechtliche Konsequenzen befürchtet Biderman nicht. Für die Bildrechte habe er bezahlt, und Affären seien als Thema unproblematisch, nachdem sie öffentlich geworden seien.

Und ganz abgesehen davon: Er könne sich kaum vorstellen, sagt Biderman, dass Seehofer, Clinton oder Schwarzenegger ihre Affären vor Gericht nochmals durchkauen lassen wollten. Damit könnten sie nur verlieren - die Kampagne hätte noch mehr Aufmerksamkeit.

"Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht"

Falls die Sache vor Gericht endet, könnte es für Biderman dennoch heikel werden. "Das Plakat ist Wirtschaftswerbung", sagt Udo Branahl, Professor für Medienrecht an der TU Dortmund. "Es verstößt gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht, mit jemandem zu werben, der damit nicht einverstanden ist." Eine Ausnahme sei höchstens, wenn sich die Aussage als politische Meinungsäußerung fassen ließe. Das sei bei der Seehofer-Werbung aber nicht der Fall.

Nach Einschätzung von Branahl hätte Seehofer gute Chancen auf Schmerzensgeld, wenn er wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsschutzes vor Gericht ziehen würde. Oder - die zweite Variante - Seehofer könnte ein Honorar einklagen. Sollte er Recht bekommen, könnte er in beiden Fällen nach Einschätzung von Branahl mit einigen tausend Euro rechnen.

Seehofer ist beileibe nicht der erste Polit-Promi, dessen Bild in Kampagnen benutzt wird. Der Autoverleiher Sixt warb 2001 mit dem Bild einer freudlos dreinblickenden Angela Merkel, darunter stand: "Lust auf eine neue Frisur?" Im Bild daneben standen Merkel die Haare zu Berge - Untertitel: "Mieten Sie sich ein Cabrio." Merkel nahm es damals mit Humor. "Ich sehe das gelassen", sagte sie dem "Stern". Immerhin sei die Anzeige ein "Gag der intelligenteren Sorte" gewesen.

"Wenn du schon eine Affäre haben willst, dann hier"

Womöglich ist Seehofer gut damit beraten, ebenso gelassen auch mit der Seitensprung-Kampagne zu verfahren. Denn auf eines legt Unternehmer Biderman Wert: Es gehe ihm nicht darum, die Politiker in die Pfanne zu hauen. Fast jeder verurteile Affären, aber viele würden ihre Partner dennoch betrügen. Nur würden bei Politikern besonders strenge Maßstäbe angelegt - laut Biderman zu Unrecht. "Wenn jeder Konzernchef oder Sportler nach einer Affäre zurücktreten würde, wäre unsere Gesellschaft viel langweiliger."

Er wolle mit der Kampagne nur einen Gedanken in den Köpfen der Leute verankern: "Wenn du schon eine Affäre haben willst, dann hier" - wo es sicherer und diskreter sei. "Leute riskieren ihre Familien und Karrieren für Seitensprünge. Ich helfe ihnen, dieses Risiko zu vermeiden."

Bidermans Hoffnung ist, dass Affären irgendwann kein gesellschaftliches Stigma mehr sind. Dann werde sein Unternehmen wohl untergehen, sagt Biderman. "Aber bis dahin werde ich ein erfolgreicher Geschäftsmann sein."

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