Germany's Latest Topmodel "Hey, das ist nur ein Job"
SPIEGEL ONLINE: Frau Gercke, Sie sind seit einem Jahr Topmodel. In welchem Punkt hat sich Ihr Leben am deutlichsten geändert?
Gercke: Ich habe früher ein alltägliches Leben gelebt. Familie, Schule, Freunde, immer zu Hause sein. Heute reise ich in der Welt herum, treffe sehr viele neue Menschen, werde oft auf der Straße angesprochen.
SPIEGEL ONLINE: Eine Wendung zum Besseren?
Gercke: Ich wusste von Vornherein, worauf ich mich einlasse. Und dann muss man Veränderungen auch akzeptieren. Man muss damit leben. Ich komme damit sehr gut klar. Mittlerweile brauche ich das sogar, dieses Ständig-unterwegs-Sein. Wenn ich länger als ein paar Tage zu Hause bin, will ich auch schon wieder weg.
SPIEGEL ONLINE: Von Cloppenburg nach Paris und New York - wird Ihnen im neuen Job manchmal Angst und Bange, oder sind Sie ein Typ, der sich forsch ins Abenteuer stürzt?
Gercke: Eigentlich bin ich froh, neue Sachen ausprobieren zu können. Und natürlich stehen sehr gute Leute hinter mir, die mich unterstützen und beraten.
SPIEGEL ONLINE: Wie sieht Ihr Berufsalltag als Topmodel aus?
Gercke: In Deutschland werde ich gebucht, weil die Kunden mich durch die "Topmodel"-Show kennen. In Paris oder New York kennt mich keiner, da muss ich ganz unten anfangen. Ich war mal an einem Tag bei acht verschiedenen Castings, da geht es nur drum, wo ich wann sein muss, Zacki Zacki. Man stellt sich vor, wird angeguckt, dann wird entschieden, ob man ins Konzept passt oder nicht, und dann wird man wieder verabschiedet. So ist halt das Geschäft.
SPIEGEL ONLINE: Wie steckt man es als 19-Jährige weg, dass man - im Akkord - immer nur nach dem Äußeren beurteilt wird?
Gercke: Ich glaube, man muss mit sich im Reinen sein und sich sagen: "Hey, das ist nur ein Job." Denn es ist schon etwas frustrierend, wenn man sich ein paar Mal vorstellt und kein Job dabei rausspringt.
SPIEGEL ONLINE: Sie haben nach dem "Topmodel"-Sieg erst mal das Abitur gemacht. Trauen Sie dem Model-Geschäft nicht?
Gercke: Ich weiß, dass es mit der Model-Karriere schnell vorbei sein kann. Mit dem Abi habe ich eine Grundlage, auch etwas anderes machen zu können.
SPIEGEL ONLINE: Eine der diesjährigen Finalistinnen hat es durch einen - tatsächlichen oder vermeintlichen - Flirt mit Party-König Ammer bereits auf die Titelseite der "Bild"-Zeitung gebracht. Sie konnten derartige PR bislang vermeiden.
Gercke: Ich weiß mittlerweile durch Erfahrung, was gut für mich ist und was nicht. Ich würde auf solche Partys gar nicht gehen. Es ist wichtig, seriös zu arbeiten.
SPIEGEL ONLINE: In der "Topmodel"-Show werden die Kandidatinnen - oft sehr rüde - zurechtgewiesen, wenn sie ihre Hüften nicht richtig schwingen oder eine Handtasche falsch halten. Geht einem diese Oberflächlichkeit, dieser, mit Verlaub, Schwachsinn, nicht auf den Keks?
Gercke: (lacht) Das ganze Modelgeschäft ist oberflächlich, keine Frage. Viele Frauen sagen sicherlich, "Das wär' nicht mein Ding, zu einem Casting zu gehen, mich wie ein Objekt angucken zu lassen und wieder zu gehen." Aber wenn man sich für diesen Beruf entscheidet, muss man damit klar kommen. Und wenn man sich dann auf Plakaten sieht oder eine supergeile Show mitläuft, ist das eine sehr schöne Bestätigung.
SPIEGEL ONLINE: Nach den jüngsten Fällen von Models, die sich buchstäblich zu Tode hungerten, mischen sich Politiker ein und fordern Maßregelung von Designern, die mit sehr dünnen Models arbeiten. Macht das Sinn?
Gercke: Ich finde, man sollte keine strikten Vorgaben geben, welche Maße ein Model zu haben hat. Die Frauen sollten natürlich und gesund aussehen, weil dann die Ausstrahlung besser ist. Ich selbst bin ja auch nicht spindeldürr. Aber da kann ich mich nicht einmischen, das bestimmt die Modewelt.
SPIEGEL ONLINE: Sie sind doch Teil der Modewelt.
Gercke: Als Model stellt man sich einem Kunden vor. Und die Kunden bestimmen.
SPIEGEL ONLINE: Welches ist der beste Rat, den Sie Ihrer "Topmodel"-Nachfolgerin geben können?
Gercke: Keinen Höhenflug kriegen. Nach der Show fängt die Arbeit erst an.
Das Gespräch führte Patricia Dreyer