Lockdown in Gütersloh und Warendorf "Da bricht eine kleine Welt zusammen"
Es sah eigentlich schon wieder nach Alltag aus in Rheda-Wiedenbrück. Die Einwohner der Stadt im Kreis Gütersloh hatten sich mit der vielbeschworenen "neuen Normalität" arrangiert. Und jetzt der große Rückschlag.
Armin Laschet, Ministerpräsident NRW:
"Anders als in Thüringen, auch in Niedersachsen oder anderen Orten auch in Nordrhein-Westfalen, werden wir für den gesamten Kreis Gütersloh einen Lockdown verfügen."
Kurz nach Gütersloh folgte auch der Nachbarkreis Warendorf. Die Regeln gelten zunächst bis Dienstag. Auslöser war ein massiver Corona-Ausbruch. Betrofffen waren mehr als 1500 Mitarbeiter der Fleischfabrik Tönnies in Rheda-Wiedenbrück..
Verena Blomberg-Kahl, Inhaberin Café & Restaurant Emshaus:
"Wir waren gerade wieder aufstrebend und waren sehr zuversichtlich. Nicht nur wir, sondern auch die Gäste. Man merkte, das Vertrauen war da. Wir waren gut gebucht, und jetzt fing es wieder mit Feiern an. Das war großartig. Wir haben uns wirklich sehr, sehr gefreut. Und dann kamen diese Nachrichten. Da bricht einem erstmal eine kleine Welt zusammen."
Der neue Lockdown ist nicht so hart wie vor drei Monaten. Anders als Bars und Fitnessstudios dürfen Einkaufsläden geöffnet bleiben, gleiches gilt für Restaurants, wenn auch unter strengeren Auflagen. Aber was hilft das, wenn das Geschäft trotzdem massiv einbricht?
Martina Güth, Geschäftsführerin Bücher Güth:
"Wenn ich nach draußen schaue, unsere Buchhandlung ist direkt in der Fußgängerzone, dann sind die Straßen eigentlich leer und die Parkplätze sind auch leer."
Verena Blomberg-Kahl, Inhaberin Café & Restaurant Emshaus:
"Wir haben uns an dann unser Reservierungsbuch geschnappt und haben die vorhandenen Reservierungen, die für diese Woche wirklich gut waren, angerufen und haben halt hinterfragt: Wie schaut es aus? Den großen Tisch mussten wir eh schon absagen, weil es ja nicht mehr gestattet ist, mehr als einen Haushalt an einen Tisch zu bringen oder eben zwei Personen. Und schlussendlich kam dabei raus für diese Woche, dass um die 85, 90 Prozent der Gäste abgesagt hätten. Und dann mussten wir schweren Herzens eine Entscheidung treffen. Es ist eine reine Vernunftentscheidung aus betriebswirtschaftlichen Gründen, dass wir dann leider durchringen mussten, um zu sagen: Wir schließen den Betrieb."
Der Einschnitt ist diesmal zum Teil noch gravierender als im Frühling. In NRW fangen heute die Sommerferien an.
Martina Güth, Geschäftsführerin Bücher Güth:
"Und das heißt für Buchhandlungen speziell, dass wir so eine Art zweites Weihnachtsgeschäft im Sommer haben. Das heißt, die Eltern bekommen den Zettel für den Elternanteil, kommen zu uns in die Buchhandlung und kaufen Schulbücher, Schreibwaren, Papeterie. Wir sind komplett bevorratet - und jetzt kommt keiner. Oder es kommen nur ganz wenige."
Verena Blomberg-Kahl, Inhaberin Café & Restaurant Emshaus:
"Dieses Jahr ist das Hochzeitsjahr schlechthin, 2020.Wir hatten wirklich jedes Wochenende ausgebucht mit Hochzeiten, runden Geburtstagen etc. Und die haben zum Teil auf nächstes Jahr verschoben. Und Hochzeiten planen natürlich auch länger im Vorfeld. Nächstes Jahr ist natürlich schon stark gebucht, sodass es sich jetzt bald. Gerade in den Hochzeitsmonaten in den Sommermonaten, sodass wir leider gar nicht alles bedienen können. Natürlich hat man dann auch existenzielle Bedenken, das ist klar. Ich glaube da kann sich keiner von freisprechen. Das ist hart für uns. Wir haben keinen Nachholeffekt in unserer Branche und das können wir nicht wieder aufholen."
Der Fall Tönnies ist der größte einzelne Corona-Ausbruch in Deutschland. In Gütersloh stehen Menschen stundenlang an, um sich auf das Virus testen zu lassen. Weil die hohen Fallzahlen sich lokal so stark konzentrieren, fürchten sich viele Menschen Angst vor einer möglichen Ansteckung.
Martina Güth, Geschäftsführerin Bücher Güth:
"Wir haben jetzt eher Angst davor, dass man krank wird. Im März dachten wir: Uh, wir könnten krank werden. Aber es war ja sehr viel geringer die Wahrscheinlichkeit für uns als es jetzt ist. Und jetzt denken wir: Komm wir haben es im März geschafft, wir schaffen es auch jetzt. Da sind wir schon optimistisch. Ob das dann naiv ist die Einschätzung, das wird sich am Ende des Jahres zeigen. Aber die gesundheitliche Sorge ist glaube ich sehr viel mehr im Vordergrund jetzt."
Die Menschen in den betroffenen Kreisen sind krisenerprobt. Sie wissen noch vom ersten Lockdown, wie man sich verhält. Trotzdem trifft sie die erneute Einschränkung der Freiheit hart.
Martina Güth, Geschäftsführerin Bücher Güth:
"Die Stimmung in der Stadt ist sehr angespannt und die ist auch gereizt. Man hat sowieso am Ende dieser ersten Lockdownkrise gemerkt: Maskenpflicht, Abstandregel – die Leute haben da keine Lust drauf. Die waren jetzt wirklich sehnsüchtig, haben darauf gewartet, jetzt sind die Sommerferien zu starten und vielleicht doch noch wegfahren zu können. Und jetzt merkt man schon, das merke ich auch, dass da eine große Wut und sehr viel Enttäuschung da ist.
In der kommenden Woche entscheidet die Politik, wie es weitergeht. Je nach Entwicklung der Zahlen steht dann fest, ob die Maßnahmen wieder gelockert, verlängert oder sogar nochmal verschärft werden müssen.