Harald Schmidt "Friss nicht so viel und beweg dich!"

Er gilt als prominentester Hypochonder des Landes: Im SPIEGEL-Special-Interview spricht TV-Entertainer Harald Schmidt jetzt über Magen-Darm-Spiegelungen, Potenz und Pocher - und verrät zudem, was das Geheimnis seiner Gesundheit mit österreichischen Kühen zu tun hat.

SPIEGEL: Wie geht’s Ihnen, Herr Schmidt?

Schmidt: Großartig! Danke.

SPIEGEL: Ihnen fehlt wirklich nichts? Immerhin gelten Sie als Hypochonder-Star. Haben Sie das Thema Krankheiten einst nur als Vehikel raffinierter Eigen-PR entdeckt, oder sind Sie wirklich wehleidig?

Schmidt: Ich bin sicher wehleidig, aber ein echter Hypochonder war ich wohl nie, obwohl ich das erst mit der Zeit gemerkt habe. Um es professionell auszuleben, müsste ich richtig in die Vollen gehen, inklusive mehrmaliger Arzt-Konsultationen pro Woche sowie regelmäßiger Selbsteinlieferung ins Krankenhaus. Ich weiß zwar heute, dass man sich nur von einem Notarzt in die Klinik bringen lassen sollte, weil der dann am Empfang den Papierkram erledigt. Sonst sitzen Sie mit einem Blinddarmdurchbruch im Flur und versuchen, sich an Ihre Adresse zu erinnern. Aber so weit war ich noch nie. Sogar mein Tablettenkonsum ist überschaubar und widmet sich nur Schilddrüse und Magensäure.

SPIEGEL: Vergangenes Jahr rief die Felix Burda Stiftung erneut den "Darmkrebsmonat März" aus. Sie warben für Darmspiegelungen …

Schmidt: … weil man sich viel Ärger ersparen kann, wenn man rechtzeitig einen Polypen entdeckt und entfernen lässt, der sonst zehn Jahre später zum Tumor werden kann. Wolf Schneider hat mal im "SZ-Magazin" einen Angeberartikel geschrieben. Er sei stolz darauf, 77 geworden zu sein, ohne je rektal einen Schlauch eingeführt bekommen zu haben. Ich sage es in der gebotenen Schärfe: Das ist Leichtsinn!

SPIEGEL: Wie oft haben Sie selbst sich schon Magen-Darm-Spiegelungen gegönnt?

Schmidt: Fünfmal. Einmal habe ich zugeschaut. Meist lasse ich mir eine Schlafspritze geben. Dank Dormicum wacht man übrigens in sensationeller Stimmung auf, weil irgendwelche Rezeptoren neu vernapst sind oder so, leider begleitet von einem gewissen Suchtpotential.

SPIEGEL: Wie würden Sie den Patienten Schmidt generell beschreiben?

Schmidt: Ich bin der Traum jedes Arztes: dem Mediziner absolut hörig, komplett kritikfrei, mit einem bedingungslosen Glauben an die Schulmedizin, allenfalls noch aufgeweicht mit einem Hauch Wagalaweia, was ich unter der Rubrik "asiatische Abenteuer" abbuche. Nie würde ich daran zweifeln, dass jemand, der mir Blut abnimmt, das auch kann. Wenn’s nicht klappt, sind meine Rollvenen schuld.

SPIEGEL: Sie sind privat versichert?

Schmidt: Seit ich es mir leisten kann, ja, weil das auch meinem Ärzte-Verständnis entspricht: Er hilft, ich zahle. Eine Dienstleistungsgemeinschaft. Mir war dieses Denken immer fremd: Huh, wer ersetzt mir die Salbe? Oder: Krieg ich bei der AOK womöglich rechts in die Brille nur Pappe reingeklebt?

SPIEGEL: Das deutsche Gesundheitswesen als solches …

Schmidt: … begreife ich nicht. Da ich als Privatpatient aber ja immer die Rechnungen sehe, muss ich hier mal sagen: Ich finde die medizinische Versorgung unfassbar günstig, wenn man sie mit normalen Handwerkerrechnungen vergleicht. Von Gagen in meiner Branche gar nicht zu reden.

SPIEGEL: Kein schlechtes Gewissen, wenn Sie an die miese Bezahlung mancher Krankenhauskräfte denken?

Schmidt: Nö. Wir leben in einem freien Land. Der Assistenzarzt hat sich aus freien Stücken für seinen Job entschieden. Leider versuchen einem Ärzte manchmal Bekenntnisse aufzudrängen in der Art: Was glauben Sie, wie’s bei uns hinter den Kulissen zugeht?! Will ich aber gar nicht wissen. Null. Ich möchte der deutschen Ärzteschaft weiterhin tiefstes Vertrauen entgegenbringen und würde blind jede ihrer Forderungen unterstützen.

SPIEGEL: Welche Krankheit flößt Ihnen generell Respekt ein?

Schmidt: Demenz ist sicher unangenehm. Wie es für den Betroffenen ist, weiß ich nicht. Aber fürs Umfeld kann das wohl eine echte Belastung sein. Mich beruhigt, dass es in meiner Familie nie größere Gebrechen gab. Wurden eigentlich alle gesund sehr alt. Toi, toi, toi.

"Ihr ernährt euch falsch!"

SPIEGEL: Wer so gern über Krankheiten nachdenkt, könnte es ja mal mit Vorbeugen versuchen. Treiben Sie Sport?

Schmidt: Nein. Nur Physiotherapie wegen meines Rückens. Ich litt in kürzer werdenden Abständen unter Hexenschuss. Meine Muskeln waren einfach unterentwickelt. Bei Winter-Olympia in Turin sagte mir die Physiotherapeutin des Deutschen Skiverbandes: Wenn ich jetzt nicht anfange, bin ich in zehn Jahren Schrott. Das war kurz, prägnant, sympathisch. Jetzt gehe ich dreimal pro Woche in eine Praxis und übe.

SPIEGEL: Sind Sie der Typ Gesundernährer und Zerealien-Sortierer?

Schmidt: Friss nicht so viel und beweg dich! Mehr ist es nicht. Das habe ich bei den Mayr-Kuren gelernt. Der Mann war österreichischer Arzt. Sein Schlüsselerlebnis beim Flanieren über die Weiden seiner Heimat: Kühe haben nach dem Stuhlgang ein kaum verschmutztes Rektum. Deshalb kann ich SPIEGEL-Lesern nur zurufen: Ihr ernährt euch falsch, wenn ihr nach dem Stuhlgang ein stark verschmutztes Rektum habt!

SPIEGEL: Mayr ist unter Profis umstritten.

Schmidt: Wenn Ihnen einer sagt, dreimal wöchentlich hilft ein heißes Hufeisen im Genick - und es hilft tatsächlich, dann ist doch alles andere egal. Ich bin Mayr-Enthusiast, weil ich die Wirkung an mir selbst gespürt habe. Es ist ganz schlicht. Zum Beispiel: Zweimal in der Woche das Abendessen weglassen und viel frische Luft. Als Erstes lernt man den Unterschied zwischen Hunger und Appetit. Als Büromensch hat man ja keinen Hunger mehr, allenfalls Bock auf was. Aber wenn ich mal Lust auf Speck zum Frühstück habe, dann gönn ich mir auch das. Ich wachse aus dem Vorbeugewahn langsam raus. Mein neues Motto: Lebensqualität geht vor -dauer.

SPIEGEL: Wirkt ein bisschen wie Ihre Fernsehkarriere: Ein exotischer Drehort ist Ihnen heute wichtiger als die chronische Penetration des Publikums aus einem Studio in Köln-Mülheim heraus.

Schmidt: Auch da ist die Parallele: Je gelassener man sich dem Fernsehen widmet, umso länger sendet man. Abgesetzt werden immer nur die Kontrollfreaks und Allesmacher. Ich gehe jetzt entspannter durchs Leben, lässiger und - entschleunigt.

SPIEGEL: Ist Ihr neuer Showpartner Oliver Pocher Symptom einer tiefsitzenden Schmidt-Krise oder deren Therapie?

Schmidt: Er ist die Zukunft. Ein Raab mit schönen Zähnen.

SPIEGEL: Beobachten Sie an sich schon Alterserscheinungen? Bandscheibe, Prostata …

Schmidt: … nichts …

SPIEGEL: … Potenz …

Schmidt: Ho, ho, ho! Ich wäre froh, das würde endlich ein bisschen abebben. Nee, nee. Als 50-Jähriger sind Sie heute ja - Everest-technisch gesprochen - auf dem Sattel zum Gipfel. Allenfalls schon zurück im Basislager. Man weiß es ja selbst nicht so genau. Jedenfalls sehr weit oben.

SPIEGEL: Ihr Lieblingstod ist noch immer ein sauberer Herzinfarkt?

Schmidt: Betonung auf sauber. Bitte keine Rückholung in den Dämmerzustand, wo man dann auf dem Sofa wehrlos Opfer einer zweiteiligen SPIEGEL-TV-Dokumentation wird. Danke!

SPIEGEL: Jemals Selbstmordpläne durchgespielt?

Schmidt: Nein, und ganz egal, was passiert - Suizid wird für mich nie in Frage kommen. Allenfalls die Entscheidung, erfolglose Therapien zu beenden.

SPIEGEL: Haben Sie schon ein Testament?

Schmidt: Ja, mein Testament ist gemacht. Im Erbrecht bin ich mittlerweile außerordentlich firm.

SPIEGEL: Gibt’s ein Leben nach dem Tod?

Schmidt: Für mich auf jeden Fall. Da es gemäß den Zehn Geboten aber nicht erlaubt ist, sich davon ein Bild zu machen, muss ich mich nicht weiter drum kümmern.

SPIEGEL: Herr Schmidt, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Das Gespräch führten Norbert F. Pötzl und Thomas Tuma. Das ausführliche Interview lesen Sie im soeben erschienenen SPIEGEL Special "Gesund & Glücklich".

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