Weinstein-Skandal "Verdammt noch mal, jeder wusste es"
Dieser Tage ist die gesamte Traumfabrik über Harvey Weinstein empört. Dutzende Stars. Schauspieler, Regisseure, Produzenten. Sie nennen Weinsteins Verhalten "widerlich", "monströs", "unentschuldbar", "erschütternd".
Doch bei allem, was sich jetzt so plötzlich, so lawinenartig in Bewegung setzt, bei all den berechtigten Wortmeldungen schwingt eine Frage mit: Konnte Weinstein wirklich über Jahrzehnte Frauen so behandeln, ohne dass jemand etwas wusste?
Nun meldet sich Scott Rosenberg mit einem langen Facebook-Post zu Wort.
Rosenberg ist keiner der ganz Großen in Hollywood. Unter anderem schrieb er die Skripte zu "Con Air" und "Nur noch 60 Sekunden", adaptierte den Roman "High Fidelity". Die Weinstein-Brüder produzierten seine beiden ersten Filme. "Sie schenkten mir meine Karriere", schreibt Rosenberg.
Von 1994 bis 2000 habe er sich in Harvey Weinsteins engstem Umfeld bewegt. Es sei das goldene Zeitalter von Miramax gewesen. Damals produzierte die Firma der Weinstein-Brüder Harvey und Bob unter anderem "Pulp Fiction", "Clerks", "Good Will Hunting", "Shakespeare in Love" und "Der englische Patient".
Rosenbergs Text über diese Zeit mit dem Starproduzenten liest sich wie eine Ballade über Abhängigkeit und Liebe, über Scham und Komplizenschaft, über den Rausch des Erfolgs, den er an der Seite Weinsteins erlebte - und über die Schuld, die er genauso auf sich geladen hat wie viele andere.
In seinem Text wendet Rosenberg sich an "die großen Produzenten", "die großen Regisseure", "die großen Agenten", die großen Finanziers, Schauspieler, Schauspielerinnen, Models, Journalisten, Drehbuchautoren, Rockstars, Gastronomen, Politiker. "Verdammt noch mal, jeder wusste es", schreibt Rosenberg.
"Gefräßiger Oger"
Das Ausmaß von Weinsteins Handeln hätten er und jene, mit denen er gesprochen habe, zwar nicht gekannt, nichts gewusst von den mutmaßlichen Vergewaltigungen.

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Aber ein paar befreundete Schauspielerinnen hätten ihm von grauenhaften Hotelmeetings im Bademantel und von abscheulichen Bitten um Massagen erzählt, schreibt Rosenberg. Das hätten sie schon krass gefunden, sie hätten aber auch gemeinsam über Weinsteins Arroganz gelacht. Wie der Produzent nur habe denken können, der Anblick seines nackten, teigigen Körpers bringe jemanden in Stimmung.
Zugleich berichtet Rosenberg, alle hätten Weinsteins "mitunter extrem aggressives, äußerst bedrohliches Verhalten" gekannt. Der Drehbuchautor schreibt von Weinsteins "Hunger", seiner "Inbrunst", vergleicht ihn mit einem gefräßigen Oger.

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Obwohl er diese düsteren Seite des Produzenten kannte, hat Rosenberg lange und ausgiebig vom Machtmenschen Harvey Weinstein und dessen Bruder Bob profitiert. Die Weinsteins seien wie eine Familie für ihn gewesen. "Sie haben mich geliebt", schreibt Rosenberg. Sie hätten ihm, dem damals knapp 30-jährigen Niemand aus Boston, eine Welt gezeigt, die er sich im Traum nicht habe vorstellen können.
"Er machte unsere Filme. Schmiss die größten Partys. Nahm uns mit zu den Golden Globes!" Privatjets. Stretchlimousinen. Super Bowl. Treffen mit Stars wie Quentin Tarantino, Salman Rushdie, Mick Jagger. Harvey Weinstein verstand sich darauf, jene, die er förderte, mit seiner Macht zu berauschen.
Für alle Frauen, die unter Weinstein leiden mussten, sagt Rosenberg, tue es ihm unendlich leid. Und ihre Courage, sich jetzt an die Öffentlichkeit zu wenden, vergrößere diese Scham noch. "Ich habe nichts gesagt und nichts getan. Harvey war immer wunderbar zu mir. Also erntete ich die Früchte und hielt meinen Mund."
Dadurch sei er selbst zum Komplizen geworden, schreibt Rosenberg. Diese Einsicht fordert er auch von den vielen Stars, die Weinsteins Verhalten verurteilen und zugleich behaupten, sie hätten von nichts gewusst.
"Du weißt, dass du es wusstest", schreibt Rosenberg. "Und weißt du, warum ich weiß, dass du es weißt? Weil ich und du, weil wir gemeinsam dabei waren."