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Helene-Fischer-Double Pausenlos durch die Nacht

Victoria Kern ist nach eigenen Angaben Deutschlands meistgebuchtes Helene-Fischer-Double. Im Interview spricht die 29-Jährige über glitzernde Hotpants, Auftritte im Seniorenheim und die hohe Kunst des Tributs.

SPIEGEL ONLINE: Frau Kern, wie oft in Ihrem Leben haben Sie schon "Atemlos" gesungen?

Kern: Oh Gott. Wahrscheinlich mehr als tausendmal. Das Lied kam Ende 2013 raus, ich singe es ungefähr zweimal pro Auftritt. Und ich habe im Durchschnitt 130 Auftritte pro Jahr.

SPIEGEL ONLINE: Sie sind nach eigenen Angaben Deutschlands meistgebuchtes Fischer-Double. Wer waren Sie vor Helene Fischer?

Kern: Anders als Helene habe ich nie Musik studiert. Ich bin ausgebildete Logopädin und habe in den ersten zwei Double-Jahren auch noch parallel in dem Beruf gearbeitet. Ich habe damals von Montag bis Donnerstag meine Patienten gesehen und hatte freitags, samstags und sonntags Auftritte. Dann kam "Atemlos" raus, und durch den Hype danach hatte ich 250 Auftritte in einem Jahr. Da wurde mir die Doppelbelastung zu viel. Ich habe in dieser Zeit fast nur aus dem Koffer gelebt und erinnere mich an Momente, in denen ich auf meinem Bett saß und mich gefragt habe, was ich da eigentlich mache.

Victoria Kern

Victoria Kern

Foto: SPIEGEL TV

SPIEGEL ONLINE: Wie sieht Ihr Berufsalltag heute aus?

Kern: Seit 2015 bin ich hauptberuflich Double. Nahezu jedes Wochenende bin ich auf Tour, in ganz Deutschland und teilweise auch in den umliegenden deutschsprachigen Ländern. Die meisten Auftritte finden im Raum Nordrhein-Westfalen statt. Da habe ich mit meinem Wohnort Rostock eigentlich einen Standortnachteil. Anders als Helene bin ich natürlich eine One-Man-Show. Nur mein bester Freund ist immer mit mir zusammen unterwegs. Er fährt und macht die gesamte Tontechnik.

SPIEGEL ONLINE: Wie verwandelt man sich von einer Logopädin in ein Helene-Fischer-Double?

Kern: Im Herbst 2012 habe ich meinen jetzigen Geschäftspartner kennengelernt, der schon vor zehn Jahren - als Helene Fischer noch relativ unbekannt war - die Idee hatte, dass man ein Double von ihr ins Leben rufen könnte. Vor mir hat er schon mit zwei Doubles zusammengearbeitet. Als wir uns kennengelernt haben, stand gerade die Kündigung seines aktuellen Helene-Doubles im Raum. Und als er mich sah, dachte er gleich, dass es passen könnte.

SPIEGEL ONLINE: Und dann?

Kern: Er hat mich im Studio einen Probesong singen lassen, "Die Hölle morgen früh". Ich kannte damals zwar Helene Fischer, aber längst nicht jedes Lied von ihr. Ich habe mich deshalb an der Demoversion meiner Vorgängerin orientiert. Alle, die im Studio anwesend waren, haben sofort erkannt, dass meine Stimmfarbe gut zu Helene passt. Nur ich selbst habe zu dem Zeitpunkt noch nicht daran geglaubt, dass ich all das auf die Bühne bringen könnte.

SPIEGEL ONLINE: Wie ging es los?

Kern: Ich bin ins kalte Wasser geworfen worden. Mein erster Auftritt war schon kurz nach dem Probesingen in einem Seniorenheim in Rostock.

SPIEGEL ONLINE: Wie bereiten Sie sich heute auf Ihre Auftritte vor?

Kern: Ich habe das große Glück, dass ich mir Songtexte leicht merken kann. Außerdem habe ich die Gabe, Sprechstimmen imitieren zu können, das mache ich aber unbewusst. Ich hatte zum Beispiel mal einen Bekannten aus Sachsen-Anhalt, der ein bisschen gesächselt hat. Und wenn ich zwei Tage mit dem verbracht habe, habe ich plötzlich auch so geredet. Ich übernehme für meine Auftritte einzelne Sätze von Helene. Zum Beispiel typische Begrüßungen, die sie bei ihren Tourneen verwendet.

SPIEGEL ONLINE: Und der Look?

Kern: Mir ist wichtig, dass ich Kleidung in ihrem Stil trage. Inzwischen habe ich vier maßgeschneiderte Helene-Outfits, von denen das teuerste 2000 Euro gekostet hat. Da ist natürlich ihr berühmter roter Anzug dabei, dann das gelbe Outfit mit der langen Schleppe, das sie während ihres Zenits auf ihrer Tournee anhatte. Und Hotpants, die komplett mit Glitzersteinen in Bernstein-Orange besetzt sind.

SPIEGEL ONLINE: Was macht ein gutes Double aus?

Kern: Das ist eine Mischung aus Gesang, Sprechstimme, Aussehen und Habitus. Für mich persönlich sind die Stimme und der Livegesang das Wichtigste. Gerade im deutschen Raum wird das Wort Double oft falsch verstanden. Über mich wird oft geschrieben, ich sei "eine zweite Helene", aber das will ich gar nicht sein. Genauso wenig wie ihre Zwillingsschwester. Letztendlich bleibt man auf der Bühne sowieso man selbst.

SPIEGEL ONLINE: Was ist der größte Unterschied zwischen Helene Fischer und Ihnen?

Kern: Mir wird manchmal gesagt, ich würde weniger tanzen. Aber ich nehme Helene nicht als Sängerin war, die viel rumzappelt. Klar gibt es in ihren Shows, in denen sie 20 Tänzer um sich herum hat, auch Parts, in denen sie tanzt. Aber wenn sie allein auf der Bühne steht, dann sind eher sanfte und gediegene Bewegungen charakteristisch für sie.

SPIEGEL ONLINE: Was wollen Sie nach Helene Fischer machen?

Kern: So eine Tribute-Geschichte kann man ja recht lange machen, weil die Musik den Künstler oft überlebt. Selbst wenn Helene morgen verkünden würde, dass sie aufhört, wäre ihre Musik weiterhin gefragt. Ich versuche aber auch, mit eigenen Sachen Fuß zu fassen. Mittlerweile habe ich mit einer guten Freundin ein Schlagerduo namens "Bonitaz" gegründet.

SPIEGEL ONLINE: Gibt es auch etwas, das sich Helene Fischer von Ihnen abschauen könnte?

Kern: Helene Fischer ist die beste Künstlerin, die wir aktuell in Deutschland haben. Ich glaube nicht, dass sie sich bei irgendwem irgendwas abschauen muss, aber ich würde mich trotzdem freuen, wenn wir uns einmal in die Augen gucken und uns die Hand reichen könnten. Leider habe ich nämlich Helene Fischer persönlich noch nicht kennengelernt.

Sendehinweis: Die doppelte Helene - Schlagerdouble als Beruf. SPIEGEL TV Reportage, Dienstag, 8. Januar, 23.10 Uhr auf Sat.1

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