Hotelierin Leona Helmsley Abschied von der "Queen of Mean"
New York - Es war exorbitanter Luxus, selbst für die wilden Achtziger. "Dunnellen Hall", ein efeubewuchertes Tudor-Schlösschen, erbaut 1918 in Greenwich, der Milliardärsenklave von Connecticut, protzte mit 28 Zimmern, einem Ballsaal mit marmorner Tanzfläche, mit Kunstobjekten und Mobiliar im Millionenwert. Die Fenster gaben den Blick frei auf einen Zehn-Hektar-Park und den Long Island Sound, den idyllischen Ausläufer des Atlantiks.
Elf Millionen Dollar kostete "Dunnellen Hall", als Leona Helmsley und ihr Gatte Harry es 1983 kauften, eine enorme Summe damals. Weitere acht Millionen steckten das Hotel-Herrscherpaar in den Umbau. Leider vergaßen sie zu zahlen - erstens die Handwerker, zweitens Abermillionen Dollar Steuern. Es kam zum Sensationsprozess des Jahrzehnts. Und seither war Leona Helmsley nur noch durch eines bekannt - einen Ausspruch, den ihr eine Ex-Haushälterin im Zeugenstand in den Mund legte: "Nur die kleinen Leute zahlen Steuern."
Dieser Spruch, dessen Authentizität sie bis zuletzt bestritt, wird wohl auch heute in keinem Nachruf auf Leona Helmsley fehlen, die als Symbol von Geiz, Exzess und Arroganz kultisch verhasste einstige Hotelkönigin von New York, die gestern 87-jährig starb - in "Dunnellen Hall", standesgemäß. So ist das: Hat man seinen Ruf erstmal weg, klebt er an einem wie Pech.
Ähnlich war es auch der anderen reichen Society-Witwe ergangen, die vorige Woche hier verschied, der sanftmütigen Philanthropin Brooke Astor: "Geld ist wie Dung", meißelte die US-Presse flugs auf deren ewigen Grabstein. "Es ist nichts wert, wenn du es nicht verteilst."
Zwei Leben, auf zwei Sprüche reduziert. Die beiden Sätze - und Damen, die nun so kurz aufeinander starben - hätten jedoch nicht gegensätzlicher sein können. Helmsley war die Anti-Astor: angefeindet, verspottet, kalt, uncharmant. Astor war die gute Königin der Gesellschaft. Helmsley die böse Stiefmutter.
Schärfster Konkurrent: Donald Trump
War sie wirklich so? Das Image verdankte sie zumeist dem eigenen Auftreten. Ihr despotisch-cholerischer Stil war so gefürchtet, dass ihre Angestellten ein Frühwarnsystem hatten, wenn sie im Anmarsch war. In Anzeigen für ihre Hotelkette plusterte sie sich gerne als "Queen of Luxury" auf. Für alle anderen war sie - bis jetzt, zu ihrem stillen Tod - die "Queen of Mean".
Das alles begann, als sie 1969 den Immobilien-Tycoon und Hotelier Harry Helmsley kennenlernte. Da war sie schon dreimal verheiratet gewesen, zweimal mit demselben Mann. Ehen, die sie später verleugnete.
Als sie Helmsley traf - auch er damals noch anderweitig verheiratet - war sie eine der erfolgreichsten Immobilienmaklerinnen der Stadt und längst aus eigener Kraft Millionärin. Sie begannen eine heimliche Affäre. Er machte sie zur Verkaufschefin seiner Firma. Dann ließ er sich scheiden, um Leona 1972 zu ehelichen.
Gemeinsam bauten sie eines der größten Hotel- und Immobilienimperien der USA auf. Es umfasste zwischenzeitlich 30 Hotels und viele New Yorker Wahrzeichen, darunter das Empire State Building und "230 Park Avenue", das Zuckerbäcker-Hochhaus vor dem früheren Pan-Am-Wolkenkratzer. Ihr schärfster Rivale war Donald Trump, der ihnen unter anderem vorwarf, das Empire State Building verkommen zu lassen (er war ein Mitbesitzer). "Keine zwei Milliardäre hassen sich auf persönlicher Ebene so sehr wie 'The Donald' und die 'Queen of Mean'", schrieb das Magazin "Forbes" einmal.
"I'm Just Wild About Harry"
Harrys Traum war es, das luxuriöseste Hotel Manhattans zu besitzen, und das Helmsley Palace an der Madison Avenue sollte ihm diesen Traum erfüllen. 1980 in einer damals fast hundertjährigen, extravagant renovierten Prachtvilla eröffnet, hatte es einen Innenhof im Renaissance-Stil, eine Marmor-Lobby mit offenen Kamin, Ballsäle mit Kristalllüstern und goldenen Balustraden - und dahinter ein modernes, 51-stöckiges Hochhaus aus Bronzeglas mit 1143 Hotelzimmern. Harry ernannte Leona zur "Präsidentin" des Palace.
Leona warb mit ihrem Konterfei in Hochglanz-Anzeigen für die Liegenschaften. Dazu ließ sie sich gerne in pompösen Abendkleidern mit tiefem Dekolleté fotografieren, auf dem Kopf eine Diamant-Tiara. "Es ist der einzige Palast auf der Welt, wo die Königin Wache steht", sagte sie über das Palace. Hinter den Kulissen aber herrschte sie mit eiserner Faust, brüllte Angestellte an und feuerte sie nach Belieben.
Auch daheim wurde geprasst. Neben einem Neun-Zimmer-Penthouse am Central Park und "Dunnellen Hall" hatten die Helmsleys eine Luxuswohnung in Palm Beach und eine Berghütte in Phoenix, erreichbar per Privatjet. Jedes Jahr gab Leona eine rauschende Geburtstagsparty für Harry. Jedes Jahr musste die Band "I'm Just Wild About Harry" spielen.
Mit der eigenen Verwandtschaft war Helmsley knausriger. Als ihr einziger Sohn 1982 im Alter von 40 Jahren starb, zwang sie seine Witwe, ein Darlehen zurückzuzahlen, das sie ihm gegeben hatte, und warf sie aus dem Haus.
Gefälschte Buchhaltung als Steuerspartrick
1986 kam Leona dem Gesetz erstmals in die Quere. Sie wurde beschuldigt, Schmuck im Wert von fast 500.000 Dollar gekauft, aber nicht versteuert zu haben. Damals konnte sie sich noch herausreden: Sie habe gedacht, die Steuer sei im Preis inbegriffen.
Die Sache mit "Dunnellen Hall" ließ sich nicht so einfach wegreden. Den Landsitz hatten sie von Hunderten Handwerkern, Dekorateuren, Gärtnern, Malern und Landschaftsarchitekten aufmotzen lassen. Dann aber verweigerten sie die Bezahlung. Begründung: Die Leistungen seien schlampig ausgeführt und überteuert.
Die düpierten Arbeiter spielten der "New York Post" daraufhin Rechnungen zu, die den Luxus von "Dunnellen Hall" enthüllten - und die gefälschte Buchhaltung, mit der die Helmsleys Steuern in Millionenhöhe "sparten".
1987 wurden sie angeklagt: Steuerbetrug, Steuerhinterziehung, Erpressung. Harry, gesundheitlich schwer angeschlagen, ließ sich prompt prozessunfähig schreiben. Leona landete zwei Monate lang alleine vor Gericht.
Urteil mit Jubeln begrüßt
Es war in diesem Sensationsprozess, dass ihre Ex-Haushälterin Elizabeth folgenden pikanten Dialog zu Protokoll gab: "Ich sagte: Sie müssen eine Menge Steuern zahlen. Sie sagte: 'Wir zahlen keine Steuern. Nur die kleinen Leute zahlen Steuern.'" Helmsley stritt ab, diese Worte je geäußert zu haben. Doch sie würden sie den Rest ihres Lebens verfolgen.
Die Rache der Untertanen: Eine ganze Parade weiterer Zeugen, meist geschasste Dienstboten oder Hotel-Angestellte, beschrieb Helmsley als Hexe - "geizig", "gierig", "aufgeblasen", "grob". Die Boulevardpresse verschlang es mit Genuss.
Es half wenig, dass ihr Anwalt sich beschwerte: "Ich glaube nicht, dass Mrs. Helmsley in der Anklage beschuldigt wird, eine Zicke zu sein." Im August 1989 wurde Leona Helmsley von den Geschworenen schuldig gesprochen und zu vier Jahren Haft und 7,1 Millionen Dollar Strafe verurteilt. Die Schaulustigen vor dem Gericht begrüßte das Urteil mit Jubel. Helmsley verbrachte am Ende jedoch nur 18 Monate in einem Gefängnis in Connecticut und drei Monate unter bequemem Hausarrest.
1997 starb Harry. "Mein Märchen ist vorbei", erklärte Leona. "Ich habe ein magisches Leben mit Harry gehabt." Er hinterließ ihr seinen Konzern, deren CEO sie wurde, und sein gesamtes Vermögen - fünf Milliarden Dollar. Gut die Hälfte des Konzernbesitzes hat sich seither verkauft.
"Leona war eine großartige Geschäftsfrau"
Für Leona Helmsley war das nicht das Ende der juristischen Querelen. 1997 gab es weitere Verfahren gegen sie, unter anderem wegen Bilanzfälschung und Investorenbetrug. 2003 wurde sie verdonnert, dem Generalmanager ihres Park Lane Hotels wegen Diskiminierung 11,2 Millionen Dollar zu zahlen: Sie hatte ihn gefeuert, weil er schwul war (die Summe wurde später auf eine halbe Million reduziert).
Kein Wunder, dass Leona Helmsley das Kultobjekt zahlloser Artikel, Bücher und TV-Filme war. Die meisten hatten irgendwo "Queen of Mean" im Titel. Die "New York Times" nannte sie einmal die "Lady Macbeth der Hotelindustrie".
Trotzdem hat sie in den letzten Jahren noch gehofft, ihre Reputation zu retten. So spendete sie 25 Millionen Dollar an das New York-Presbyterian Hospital, an 9/11-Hinterbliebene und je fünf Millionen Dollar an die Opfer des Hurrikans "Katrina". "Leona", sagte ihr Presseagent Howard Rubenstein anlässlich ihres Todes, "war eine großartige Geschäftsfrau."
Den Steuerprozess erwähnte er mit keinem Wort.