
Prinz Harry Der Rebell ist gereift

Mit 28 beschloss Prinz Harry, kein Problem mehr sein zu wollen. Er hatte nie die Trauer über den Tod seiner Mutter, Prinzessin Diana, verarbeitet. Viele Jahre war er dem Verlust damit begegnet, "den Kopf in den Sand" gesteckt und "alle Gefühle abgeschaltet" zu haben, wie er im vergangenen Jahr bemerkenswert offen dem "Daily Telegraph" berichtete. Doch kein Mensch kann einfach so die Gefühle abschalten, zumal über einen so langen Zeitraum.
Der Prinz stellte fest, wie er immer merkwürdiger wurde, wie er zwischen Angst und Aggressionen wechselte, wie er zur Belastung wurde. "Wenn man schweigt, macht man es nur noch schlimmer. Man wird zum Problem für sich selbst und alle um einen herum. Ich war in meinen Zwanzigern ein Problem und wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte", sagte er.
Mit 28 beschloss er, etwas daran zu ändern. Genauer gesagt wurde er dazu gedrängt, besonders von seinem zwei Jahre älteren Bruder William. Um mit seinen Problemen umzugehen, die er so lange mit sich herumgeschleppt hatte, nahm er psychologische Hilfe in Anspruch.
Heute - mit 33 Jahren und kurz vor seiner Hochzeit mit Meghan Markle - macht der Prinz nicht mehr den Eindruck, ein Problem zu sein. Er ist gereift und hat zu sich selbst gefunden, persönlich und in diesem seltsamen Betrieb, in den er hineingeboren wurde. Er ist auch in seiner Rolle in der britischen Königsfamilie angekommen.
Harry hatte eine traumatische Kindheit. Die Ehe seiner Eltern Diana und Charles war gescheitert. Als er zwölf Jahre alt war, starb seine Mutter bei einem Autounfall in einem Tunnel in Paris, verfolgt von Paparazzi. Es gibt ein Foto von der Trauerfeier am 6. September 1997, auf dem Harry in einem zu großen schwarzen Anzug zusammen mit Vater Charles, Großvater Prinz Philip, Bruder William und Dianas Bruder Earl Spencer dem Sarg folgt. Sein Gesicht sieht aus, als wisse er nicht, was die ganze Sache soll.
"Meine Mutter war gerade gestorben, und ich musste eine lange Strecke hinter ihrem Sarg hergehen, umgeben von Tausenden von Leuten, die mich beobachteten, und ein paar Millionen Menschen am Fernsehen. Von keinem Kind sollte so etwas verlangt werden", sagte er im vergangenen Jahr der Zeitschrift "Newsweek".
Kaum Chancen auf den Königsthron
Anders als fast alle anderen britischen Jugendlichen musste Harry damit klarkommen, dass sein Leben fast komplett in der Öffentlichkeit stattfand. Das hielt ihn allerdings nicht davon ab, sich wie ein normaler britischer Jugendlicher zu benehmen. Er trank, er kiffte, er feierte. Es tauchten Nacktbilder von ihm im Urlaub in Las Vegas auf. Und es gab das berühmte Foto, das ihn bei einer Kostümparty in Nazi-Uniform zeigt. Einmal fügte er einem Paparazzo eine blutende Unterlippe zu. Der heranwachsende Harry war eine Herausforderung für das Königshaus.
Seine Laufbahn beim Militär veränderte ihn, verlieh ihm Ernsthaftigkeit. Harry diente zehn Jahre lang, kämpfte unter anderem in Afghanistan gegen die Taliban. Ihm machten die Einsätze Spaß, sie waren für ihn wie eine Flucht aus dem königlichen Goldfisch-Glas, in dem er immerzu begafft wurde. "Ich wollte den Leuten beweisen, dass ich noch andere Fähigkeiten habe, als Prinz Harry zu sein", sagte er später.
König etwa? Eher nein, Harry hat sich nie über seine royale Herkunft definiert. Seine Chancen auf den Posten wären ohnehin nur theoretischer Natur. Er ist die Nummer sechs der Thronfolge, noch hinter den drei Kindern seines Bruders William.
Möglicherweise lässt ihm die "Firma", wie sich das Königshaus selbstironisch nennt, deshalb ziemlich viele Freiheiten. Bei einem ernsthaften Anwärter auf den Thron wäre die Hochzeit mit einer Schauspielerin aus den USA, die übrigens auch eine geschiedene Feministin mit afroamerikanischer Abstammung ist, vermutlich nicht so einfach durchgegangen. Und ein ernsthafter Anwärter auf den Thron hätte vermutlich nicht so offen über seinen Gemütszustand nach dem Tod seiner Mutter gesprochen wie Prinz Harry.
Er bricht immer noch Tabus. Mittlerweile gibt es aber keinen Grund mehr, Anstoß daran zu nehmen. Es gehört mittlerweile zu seiner Rolle, macht ihn menschlich. Genauso wie sein Engagement - wie früher seine Mutter Diana - für die Enttabuisierung von HIV und für Kinder in Afrika.
Er war ein Wegbereiter der Invictus Games, einer Art Olympische Spiele für Kriegsversehrte. Und er macht, wenn man ihn zum Beispiel bei Fernsehinterviews beobachtet, einen entspannten, lockeren, sogar gewitzten Eindruck. Als "beste Versicherung der Monarchie" bezeichnete ihn der "Guardian".
Eine solche Einschätzung wäre noch vor ein paar Jahren undenkbar gewesen.
Video: Der wilde englische Prinz: Mensch Harry!
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Prinz Harry als Baby mit seiner Mutter Diana: Er wurde am 15. September 1984 als Henry Charles Albert David Mountbatten-Windsor geboren, im Londoner St. Mary's Hospital.
Harry stand - wie der Rest der königlichen Familie - von klein auf im Fokus der Öffentlichkeit. Dieses Bild zeigt den Vierjährigen mit seinem älteren Bruder William und seinen Eltern Charles und Diana. Die vier Windsors machten im Juni 1989 eine Fahrradtour auf Tresco, einer der zu Cornwall gehörenden Scilly-Inseln.
September 1989: Prinz Harry (r.) wird an seinem ersten Schultag in der Wetherby School in Notting Hill begrüßt.
Harry verlässt im Juni 1992 zusammen mit seiner Mutter und seiner Urgroßmutter Queen Mum in einer Kutsche den Buckingham-Palast: Nach der Trennung seiner Eltern Anfang der Neunzigerjahre nahm das öffentliche Interesse an den beiden jungen Prinzen Harry und William noch einmal zu.
Wie sein älterer Bruder begleitete auch Harry seine Eltern häufiger auf Reisen. Hier besucht er im Sommer 1993, wenige Wochen vor seinem neunten Geburtstag, zusammen mit seiner Mutter britische Soldaten auf dem Truppenübungsplatz im niedersächsischen Bergen.
7. Mai 1995: Harry besucht mit seinem Bruder und seinen Eltern ein großes Friedensfest im Londoner Hyde Park. Anlass ist das Ende des Zweiten Weltkriegs 50 Jahre zuvor.
Urlaub in Saint-Tropez: Der zwölf Jahre alte Harry steuert auf dem Mittelmeer einen Jetski, unter Aufsicht seiner Mutter. Das Bild wurde Mitte Juli 1997 aufgenommen - wenige Wochen bevor Diana bei einem Autounfall in Paris tödlich verunglückt.
Dianas tragischer Tod berührt die Öffentlichkeit: Am Kensington-Palast werden unzählige Blumen niedergelegt. Prinz Charles macht sich einen Tag vor der Beerdigung mit seinen Söhnen ein Bild von der enormen Anteilnahme. "Er war für uns da. Er war der eine von zwei Elternteilen, der noch da war", sagt Harry 20 Jahre später in einer TV-Dokumentation. "Und er hat sein Bestes gegeben, um sicherzustellen, dass wir beschützt und behütet werden. Aber er ist durch denselben Trauerprozess gegangen."
Prinz Harry, Queen Elizabeth II.: Auf die Todesnachricht reagiert Harry zunächst ungläubig. "Es gab nicht sofort einen Ausbruch von Trauer", erinnert er sich später in einer TV-Dokumentation. "Ich glaube nicht, dass jemand in diesem Alter und dieser Situation wirklich verstehen kann, was passiert ist und was es bedeutet."
William und Harry sind erst 15 und 12 Jahre alt, als sie am 6. September 1997 in aller Öffentlichkeit um ihre verstorbene Mutter trauern. Dass die beiden jungen Prinzen schließlich hinter dem Sarg hergehen, wird in der Doku als Familienentscheidung dargestellt. Beide seien sich ihrer royalen Pflicht bewusst gewesen.
Harry im Sommer 1999: Gemeinsam mit seinem Vater schaut er seinem älteren Bruder bei einer Fahrstunde zu. Diese bietet offensichtlich Anlass zur Heiterkeit.
Harry als Jugendlicher: Dieses Bild aus dem Jahr 2000 zeigt ihn als 15-Jährigen - im Skiurlaub mit Charles und William. Traditionell reist die Familie zum Skifahren nach Klosters in die Schweiz.
Harry in seinem Zimmer am Eton College: Der Prinz ist ein junger Mann geworden, der im Juni 2003 die Schule mit dem A-Level (entspricht dem Abitur) abschließt. Seine Noten auf dem Elite-Internat sollen nicht die besten gewesen sein.
Wegen diverser Eskapaden - Saufgelagen und Frauengeschichten - haftet Harry in dieser Zeit das Image des "Party-Prinzen" an. Sein wohl bekanntester Fehltritt ereignet sich im Januar 2005: Der damals 20-Jährige erscheint mit einer Hakenkreuz-Armbinde und einer Verkleidung, die eine Uniform von Rommels Afrikakorps darstellen soll, auf einem Kostümfest. "Harry the Nazi" titelt die Boulevardzeitung "The Sun".
Anschließend ist Harry zunehmend um seriöse Auftritte bemüht: Im Mai 2005 beginnt er seine zweijährige Offiziersausbildung an der Royal Military Academy Sandhurst. Insgesamt wird der Prinz der Armee zehn Jahre lang dienen.
Einsatz für Kinder in Afrika: Im April 2006 gründet Harry gemeinsam mit Prinz Seeiso von Lesotho eine wohltätige Stiftung, die sich um Aids-Waisen kümmert. Die Hilfsorganisation trägt den Namen "Sentebale" ("Vergiss mich nicht") in Erinnerung an seine Mutter. Auch Diana hatte sich stets für Waisenkinder in armen Ländern eingesetzt. Harry verbrachte bereits 2004 zwei Monate in Lesotho und arbeitete dort in einem Waisenhaus.
Harry mit den Rappern Kanye West (l.) und P. Diddy: Am 1. Juli 2007, es wäre Dianas 46. Geburtstag gewesen, organisiert der Prinz mit seinem Bruder William im Wembleystadion ein Gedenkkonzert für ihre verstorbene Mutter. Elton John eröffnet und schließt das Konzert, dazwischen treten viele weitere Stars auf - von Dianas Lieblingsband Duran Duran über Alt-Rocker wie Bryan Ferry, Rod Stewart und Status Quo bis hin zu jüngeren Künstlern wie Will Young und Nelly Furtado.
In dieser Zeit sieht man Chelsy Davy aus Simbabwe oft an der Seite von Harry. Sie soll seine erste große Liebe gewesen sein. Von 2004 bis 2010 führen die beiden eine On-Off-Beziehung.
Karriere beim Militär: Von Dezember 2007 bis Februar 2008 ist Harry im Süden Afghanistans stationiert. Er nimmt an Fronteinsätzen gegen die Taliban teil. Dieses Bild zeigt ihn im Juli 2010 in einem Fuchs-Panzer in Suffolk im Osten Englands.
Harry, der bei den Streitkräften als "Captain Wales" geführt wird, macht eine 18 Monate dauernde Ausbildung zum Hubschrauberpiloten. Der Prinz habe die Pilotenprüfung für "Apache"-Kampfhubschrauber als bester Co-Pilot und Schütze seines Jahrgangs bestanden, teilt das britische Verteidigungsministerium im Februar 2012 mit.
Der Prinz und der Supersprinter: Vor den Olympischen Spielen 2012 in London trifft Harry sich in Jamaika mit Weltrekordler Usain Bolt. Beim anschließenden Wettrennen lässt der Leichtathlet den Royal gewinnen.
Comeback des Party-Prinzen: Ein Urlaub in Las Vegas liefert Fotografen im August 2012 tagelang prickelnde Bilder. Harry guckt Bikini-Schönheiten hinterher. Harry veralbert einen Polizisten. Harry tanzt im Hotelpool. Dann tauchen auch noch...
...Nacktfotos auf, die bei einer Partie Strip-Billard entstanden sein sollen. Das Boulevardblatt "The Sun" druckt die pikanten Bilder. Sie zeigen Harry beim Feiern in einem Hotelzimmer in Las Vegas. Dabei trägt der Prinz nichts außer einer Halskette und einer Uhr am Leib - und bedeckt seine Genitalien mit den Händen.
Im September 2012 beginnt Harrys zweiter Einsatz in Afghanistan. Insgesamt vier Monate ist er im südafghanischen Helmand stationiert, als Co-Pilot eines "Apache"-Kampfhubschraubers.
Später berichtet er von seiner Mission: "Wenn da Leute sind, die unseren Jungs etwas Böses wollen, dann nehmen wir sie aus dem Spiel heraus." Ein Leben zu nehmen, um eines zu retten - "darum drehte es sich bei uns". Auf die Frage, ob er als Bordschütze eines Kampfhubschraubers auch Taliban-Kämpfer getötet habe, antwortet er: "Ja, so wie viele andere auch." Wer versucht habe, seinen Kameraden etwas anzutun, sei "ausgeschaltet worden".
Charity-Aktion für Kriegsversehrte ("Walking with the Wounded"): Am 1. Dezember 2013 bricht Harry zusammen mit drei Teams aus Großbritannien, den USA sowie einer kanadisch-australischen Mannschaft zu einem 260 Kilometer langen Marsch durch die Antarktis auf. Die Expedition wird von Anfang an von ungünstigem Wetter beeinflusst. Während der Tour herrschen teils Temperaturen von minus 35 Grad Celsius.
Die Teams erreichen am 13. Dezember 2013 den Südpol. Alle Teilnehmer - mit Ausnahme von Harry - sind Soldaten, die im Kriegseinsatz schwer verwundet wurden.
Harrys Freundinnen sind immer wieder ein Thema: Dass öffentlich über seinen Beziehungsstatus geredet wird, stört ihn - daraus macht er kein Geheimnis. Der Prinz beklagt sich, er habe Schwierigkeiten eine Partnerin zu finden, weil sich die Presse sofort auf jede Frau stürze. Unter anderem soll seine von 2012 bis 2014 dauernde Beziehung mit der britischen Schauspielerin Cressida Bonas daran gescheitert sein.
Prinz Harry im Sommer 2014: Der Royal widmet sich zunehmend sozialen Aufgaben. Er ruft die "Invictus Games" ins Leben - einen internationalen Sportwettbewerb für kriegsversehrte Soldaten. Viele Briten zieht Harry mit seiner offenen Art und Herzlichkeit in den Bann - wie einst seine Mutter Diana.
Im Sommer 2015 beendet Harry nach zehn Jahren seinen Dienst beim britischen Militär. Zuvor dient er noch einmal vier Wochen in der australischen Armee - und wird anschließend in Sydney öffentlich verabschiedet. Manche seiner vorwiegend weiblichen Fans haben Plakate dabei. "Heirate mich!", steht darauf. Oder "His Royal Hotness". Eine der jungen Frauen mit "Marry me"-Schild und Krone auf dem Kopf bringt den Prinzen dazu, sich von ihr küssen zu lassen.
Prinz mit First Lady: Im Oktober 2015 ist Harry zu Gast in den USA. Gemeinsam mit Michelle Obama besucht er ein Basketball-Spiel von verwundeten Soldaten. Die beiden wollen so Werbung machen für die zweite Auflage der "Invictus Games", die 2016 in Orlando stattfindet.
Harry (r.) mit Bruder William und Schwägerin Kate im August 2017: In Gedenken an Diana haben die drei zu deren 20. Todestag Blumen am Kensington-Palast niedergelegt. 2016 hatten sie gemeinsam die Initiative "Heads Together" gegründet, die sich dafür einsetzt, Stigmata rund um psychische Krankheiten zu beseitigen. In Interviews spricht Harry offen über seine eigenen Probleme. Demnach litt er unter Angstzuständen und stand mehrmals kurz vor einem Zusammenbruch. Der Tod seiner Mutter habe ihn in "totales Chaos" gestürzt - jahrelang habe er keine Gefühle zugelassen, ehe er mit 28 Jahren professionelle Hilfe in Anspruch genommen habe.
Bei den "Invictus Games" Ende September 2017 in Toronto zeigen sich Prinz Harry und Meghan Markle erstmals als Paar in der Öffentlichkeit: tuschelnd, turtelnd, Händchen haltend. Sie führen zu diesem Zeitpunkt bereits seit etwa einem Jahr eine Beziehung. Zwei Monate später geben sie ihre Verlobung bekannt. Harry, da ist sich das Volk einig, ist erwachsen geworden. Ein bisschen Rebell ist er aber - für viele Briten glücklicherweise - geblieben.