S.P.O.N. - Fame Fatale Was die Droge Charlie Sheen anrichtet

Attraktiv, humorvoll, unverwechselbar: Einst schwärmte Steffi Kammerer für Charlie Sheen. Doch mittlerweile - nach seinen unzähligen Sex- und Drogeneskapaden - ist der Rausch verflogen, der Skandalmime zur Witzfigur verkommen. Eine Abrechnung.

Charlie Sheen

Am Tag der Oscar-Verleihung sitzt ein Obdachloser in Manhattan, Ecke 7th Avenue und 36. Straße. Auf sein Pappschild hat er geschrieben: "Lindsay Lohan hat all meine Sachen geklaut und meine Mutter ist mit durchgebrannt." So schnell kann es gehen. Ein paar Wochen hat es gedauert, bis aus dem bestbezahlten TV-Schauspieler Amerikas endgültig eine Witzfigur wurde.

Und falls Sie je Zweifel hatten, ob Kokain Persönlichkeiten verändert, dann sollten Sie sich diesen selbstgerechten, vor Aggressivität bebenden Charlie Sheen anschauen. Am Wochenende sitzt er in seinem Haus in Beverly Hills und schafft sich die Realität auf seinem eigenen Planeten. "In mir ist nicht Wut, sondern Leidenschaft," sagt er in die Kamera des TV-Senders NBC.

Dass die Erfolgsserie "Two and a Half Men" seinetwegen eingestellt wurde, kommentiert Sheen mit der Forderung, er wolle erst mal zwei Drittel mehr Gehalt. Der Interviewer sitzt ratlos vor ihm. Sheen sagt, man könne ihn mit einem normalen Hirn einfach nicht begreifen. "In mir fließt Tigerblut. Ich habe eine Adonis-DNA." So unsympathisch er mir plötzlich ist - hier sitzt ein kranker, hilfsbedürftiger Mensch, der im Moment überall hingehört, nur ganz eindeutig nicht ins Fernsehen.

Ich mochte Charlie Sheen mal. Weil er Humor hatte, seine Meinung sagte, nicht einer dieser auswechselbaren Hollywood-Weichspüler war. Ich fand ihn charmant und attraktiv, jedenfalls bevor sich die steile Zornesfalte zwischen seine Augen grub. Und bevor er seine dritte und bisher letzte Ehefrau mit dem Messer bedrohte.

Zertrümmertes Hotelzimmer, 36-Stunden-Orgie, rosa Dildo

Vor ein paar Monaten dann checkte Sheen im berühmtesten Hotel New Yorks ein, dem Plaza, und zertrümmerte das Mobiliar. Seine Begleiterin, eine Porno-Darstellerin, versteckte sich im Badezimmer und rief die Polizei. Inzwischen hat sie sich offenbar erholt, ihr Kleid, das sie in der Sheen-Nacht trug, kann man meistbietend bei Ebay ersteigern. So ist sie eine der vielen, die mit Sheens Absturz Geld verdienen.

Vor vier Wochen lud Charlie Sheen gleich mehrere Damen zu einer 36-Stunden-Orgie. Für den Gastgeber endete die Nummer im Krankenhaus, offizielle Diagnose: Leistenbruch. Eine Pornodarstellerin wusste von einem "Aktenkoffer voller Kokain" zu berichten, an ihre Internet-Fans schickte sie ein Foto des Sheen-Couchtischs, darauf alle möglichen Substanzen und ein rosa Dildo.

Charlie Sheen ist der Sohn von Martin Sheen, einer der Großen Hollywoods ("Apocalypse Now"). Auch für Charlie ging es gut los, er spielte in "Platoon," dann in "Wall Street" neben Michael Douglas. Irgendwann lief es nicht mehr so gut. Er wechselte vom Film zum Fernsehen und hatte wieder Glück: Seit 2003 spielt er einen Womanizer in "Two and a Half Men", der mehrfach ausgezeichneten CBS-Erfolgsserie - dass der echte Charlie noch viel wilder lebte als der Film-Charlie, trieb die Quote erst richtig in die Höhe.

Regelmäßig versicherte er, er habe alles unter Kontrolle. Er werde sich bessern. Bald. Bestimmt. Und wenn nicht, dann eben nicht.

Kein anderer TV-Star verdiente mehr Geld als Charlie Sheen - fast zwei Millionen Dollar pro Folge. Nun hat CBS entschieden, von der einstigen Cashcow die Finger zu lassen. Sheen hatte den Entwickler der Show öffentlich als Clown beschimpft, als "Stück Scheiße", als dummen kleinen Mann. Schluss, entschied CBS, die Serie werde nicht fortgeführt.

Mit blondem Dreier-Harem auf die Bahamas

Sheen verreiste erst mal. Und lieferte den Paparazzi eine herrliche Foto-Gelegenheit: er und eine ganz neue Variante von Patchwork-Familie, ein fröhlich-blonder Dreier-Harem, auf dem Weg auf die Bahamas - die neue Freundin, seine Ex-Frau und wieder mal eine Porno-Darstellerin. Was die Ex-Frau (jene, die er mit dem Messer bedroht hat) dort zu suchen hatte, gehört zu den Dingen, die ich wohl nie verstehen werde.

Kaum zurück, sprach der revitalisierte Sheen in jedes Mikrofon. Er wolle weiterarbeiten. Kämpfen. Aber sicher. Er wolle seine Geschichte an einen Verlag verkaufen - für zehn Millionen Dollar. Und das prüde Amerika kriegt nicht genug. Journalistische Scheinheiligkeit auf allen Kanälen: Oh, der arme Charlie, er bringt sich um, kommt bald die Überdosis, der Herztod? So rätseln bang die vermeintlichen Experten. Bei CNN gibt es eine eigene Unterkategorie: "Charlie Sheen's troubles" - mit allen relevanten Filmchen zur Krise.

Den halben Sonntag zeigt ABC Trailer vom hochgejazzten Ich-erzähl-alles-Interview. Mit wirrem Haar und verschwitztem Gesicht sagt Hollywoods Bad Boy in die Kamera: "Ich stehe unter Einfluss einer Droge: Sie heißt Charlie Sheen." Am Dienstag nun wird ABC den Blick in den Abgrund ausstrahlen, eine Stunde lang. Dumm nur, dass dies nicht so exklusiv wird wie gehofft und abgesprochen. Sheen nämlich hat ja auch NBC empfangen. Und die haben ihren Scoop sofort gesendet.

Nach dem, was bereits zu sehen war, geht der Zirkus erst richtig los. Sheen schlägt wahllos um sich. Gegen den Vater, gegen die Ex-Frau, gegen den Sender, er sei im Krieg. "Und ich habe es satt, so zu tun, als sei ich nicht jemand ganz spezielles. Ich bin ein Rockstar vom Mars."

Abhängig jedenfalls sei er nicht, mit Drogen habe er nichts mehr zu tun. Geheilt habe er sich selbst. "Mit meinem Denken." Die Fans würden sich Sorgen machen, wird ihm gesagt. "Das ist etwas für Amateure."

Wäre ich Fernsehansagerin, würde ich nun dramatisch schauen. Und sagen: "Stay tuned." Bleiben Sie dran!

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