Schauspielerin Sawatzki "Jeder Mensch birgt Böses in sich"
SPIEGEL ONLINE: Frau Sawatzki, sagen Sie doch erst mal was zu diesem kuriosen Gerücht. Sie sollen sich beklagt haben, als Rothaarige hätten Sie Schwierigkeiten, Rollenangebote zu bekommen - und sich deshalb die Haare abgeschnitten.
Sawatzki: Absoluter Blödsinn! Eine Journalistin fragte, ob es stimme, dass ich nur wegen meiner roten Haare so tolle Rollenangebote bekäme. Es klang so, als hätte ich meine Rollen nur meinen Haaren zu verdanken und nicht dem, was ich kann. Ich sagte ihr, ich würde in Zukunft öfter Perücken verwenden, um das Publikum zu überraschen. Daraus wurde dann diese obskure Nachricht.
SPIEGEL ONLINE: Ihr Bubi-Look im neuen Film "Das Schneckenhaus" zeugt also nicht von einem Trauma, sondern ...?
Sawatzki: Ich hatte einfach Lust, anders auszusehen und habe mich an Mia Farrow in "Rosemaries Baby" orientiert. Die Figur der Katharina Giano ist androgyn angelegt, die Haare passen so besser. Das Äußere ist für mich bei einer Rolle sehr wichtig, denn ich arbeite mich von außen nach innen: Wie ich eine Figur zu spielen habe, kommt mir erst dann, wenn ich weiß, wie sie aussieht und was sie anhat.
SPIEGEL ONLINE: Es hat den Anschein, als mache es Ihnen regelrecht Spaß, anderen einen Mordsschrecken einzujagen.
Sawatzki: Ich bin fasziniert von Gruselfilmen, obwohl ich nicht der mutigste Mensch bin. Es ist wohl meine Art, diese Angst auszuleben. Ich zwinge mich manchmal dazu, solche Filme alleine zu sehen.
SPIEGEL ONLINE: Wie viel kriminelle Energie steckt in Andrea Sawatzki?
Sawatzki: Eine große Portion. Ich glaube ohnehin, dass jeder Mensch etwas Böses in sich birgt. Die meisten schaffen es nur, das unter Verschluss zu halten.
SPIEGEL ONLINE: Sie gelten als eine der besten Schauspielerinnen des Landes. Verleiht das Macht in der Branche?
Sawatzki: Macht klingt so negativ. Es ist uns gegönnt, dass wir Wünsche äußern dürfen. Viele Verantwortliche der Filmindustrie sehen es nicht gern, wenn wir Schauspieler uns einmischen. Dabei haben Schauspieler oft ein gutes Gespür, wenn sie an einem Drehbuch Änderungsvorschläge haben, denn sie leben die Figuren. Der Hessische Rundfunk ist in dieser Hinsicht ein gutes Vorbild: Wir bekommen die Drehbücher extra früh und dürfen Regisseure vorschlagen.
SPIEGEL ONLINE: Eine Ihrer Kolleginnen sagte mal, man müsse in Deutschland Starallüren entwickeln, weil man sonst nicht ernst genommen wird. Empfinden Sie das auch so?
Sawatzki: Nein. Ich würde mich nicht bewusst ändern. Bei mir ist es so, dass mir gerade das Wohnen während des Drehens sehr wichtig ist. Ich habe schon öfter sagen müssen: Ich kann hier nicht sechs Wochen schlafen, das geht nicht. Wenn die anderen nicht darauf eingehen, nehme ich das persönlich (lacht).
SPIEGEL ONLINE: Ihr Lebensgefährte Christian Berkel ist ebenfalls ein erfolgreicher Schauspieler. Beurteilen Sie Ihre beruflichen Leistungen gegenseitig?
Sawatzki: Doch, immer. Wir üben einen Beruf aus, bei dem man sich nicht verstecken kann - da ist es wichtig, dass jemand, der einen sehr gut kennt und weiß, was in einem steckt, offen Kritik üben darf. Zum Beispiel, wenn man glaubt, der andere hätte mehr rausholen können. Das ist zwar selten, aber wenn es so ist, sagen wir uns das - aber eben vorsichtig.
SPIEGEL ONLINE: Sie haben sich bei Dreharbeiten kennengelernt - natürlich zu einem Krimi.
Sawatzki: Wobei wir privat nichts voneinander wollten. Wir hatten beiden gerade eine Trennung hinter uns und die Nase gestrichen voll.
SPIEGEL ONLINE: So voll offenbar auch wieder nicht ...
Sawatzki: Wir haben es zuerst streng geheimgehalten, noch nicht einmal gemeinsam zu Mittag gegessen haben wir! Was dann auch schon wieder auffällig war.
SPIEGEL ONLINE: Ist eine schöne, langlebige Beziehung das Ergebnis harter Beziehungsarbeit oder auch ein bisschen Schicksalsfügung?
Sawatzki: Man muss natürlich den Richtigen treffen. Wir ergänzen uns. Auch deshalb funktioniert das. Aber ein Liebespaar bestehen zu lassen, ist wirklich Arbeit. Wenn alles im Organisationstrubel mit Kindern, Haus und Tieren untergeht, muss man sich ermahnen, auch an die Zweisamkeit zu denken.
SPIEGEL ONLINE: Sie leben das Klischee: People-Magazine wählen Sie immer wieder in die Liste der Traumpaare des deutschen Films. Amüsiert Sie das? Oder ist Ihnen das wurscht?
Sawatzki: Nein, das ist schon schön. Es stimmt ja auch. Es ist absolut realistisch, wenn man uns so einstuft. Wir sind zehn Jahre zusammen und es funktioniert richtig gut - mit allen Höhen und Tiefen, die eine lange Beziehung mit sich bringt. Aber auch wir lachen nicht nur miteinander. Eine Partnerschaft kann nur funktionieren, wenn es mal kracht.
SPIEGEL ONLINE: Vor Ihrer Beziehung mit Christian Berkel sollen Sie sich die Hörner abgestoßen haben. Klingt nach einem wilden Leben.
Sawatzki: Ja, ich habe es schon krachen lassen.
SPIEGEL ONLINE: Leichen im Keller?
Sawatzki: Die eine oder andere wird da schon liegen (lacht). Wobei mich bestimmt der eine oder andere auch als Halbleiche zurückgelassen hat - es war einfach ein wildes Leben auf beiden Seiten, sowohl auf männlicher Seite als auch was mich betrifft. Ich habe viel ausprobiert.
SPIEGEL ONLINE: Beinahe wären Sie bei einem Franzosen in Frankreich hängen geblieben und hätten seinetwegen Ihre Karriere an den Nagel gehängt, stimmt das?
Sawatzki: Ja, den fand ich ganz spannend. Und zur gleichen Zeit war ich etwas gefrustet, weil ich immer nur kleine Rollen spielen und in der hinteren Reihe tanzen durfte. Heute bin ich froh darum. Ich glaube, für diesen Beruf braucht man eine große Bandbreite. Es war für mich wohl der richtige Weg, denn so habe ich so viele verschiedene kleine Rollen gespielt, dass ich schon jetzt glaube, alles spielen zu können. Als ich den Entschluss gefasst hatte, bekam ich zeitgleich die Angebote für "Die Apothekerin", "Der König von St. Pauli" und "Bandits".
SPIEGEL ONLINE: Zehn Jahre Beziehung ohne Trauschein, aber mit Eheringen - wie geht das?
Sawatzki: Die Ringe liegen im Safe im Schlafzimmer. Ich habe sie lange nicht mehr gesehen. Sie sind aus Platin mit schwarzen Diamanten. Christian hat sie in L.A. anfertigen lassen, als "Der Untergang" für den Oscar nominiert war und er mit dem Team dort war. Ich weiß nicht, ob wir jemals heiraten. Vielleicht macht man was kaputt oder nimmt dem Ganzen den Zauber, wenn man es jetzt doch noch tut.
SPIEGEL ONLINE: Es heißt, mit Ihnen kann man gut einen trinken gehen. Wie sieht das aus, wenn man mit Ihnen loszieht?
Sawatzki: Ich denke dann nicht an morgen - leider. Ich mache das ab und zu ganz gerne mit Freunden und gehöre immer zu den letzten, die nach Hause gehen. Das ist meine Natur: Ich feiere sehr gerne und genieße es, wenn ich mal unbeschwert sein kann und einen ganzen Abend lang nur Blödsinn reden kann. Ich bereue das aber oft am nächsten Tag.
SPIEGEL ONLINE: Stimmt es, dass Ihre beiden Kinder ohne Fernsehen aufwachsen?
Sawatzki: Wir finden, sie brauchen das nicht. Unsere Söhne haben wahnsinnig viele Bücher, sie lesen viel, haben viel Spielzeug, ihre Tiere, viele Freunde - die sind immer beschäftigt, die vermissen nichts.
SPIEGEL ONLINE: Sie haben mal gebeichtet, dass Sie nur ein Gericht zubereiten können - Fischstäbchen und abgepackten Kartoffelsalat. Muss man als treusorgende Mutter die Speisekarte nicht erweitern?
Sawatzki: Meine Kinder essen nichts anderes (lacht)! Sie lieben außerdem Nudeln, Pizza, Pfannkuchen, Kartoffelpuffer mit Apfelbrei und gern auch mal ein Steak, das kann ich inzwischen auch. Mehr ist aber nicht gefragt - gut für mich!
Das Interview führte Julia Jüttner