
Julia Roberts: Für immer "Pretty Woman"
Verbot für Roberts-Werbung Du bist zu pretty, woman
Hamburg - Der Teint? Perfekt. Die Augenpartie? Makellos. Das Gesicht? Nicht nur falten-, sondern fältchenfrei. Auf den Fotos für eine Kampagne des Kosmetikgiganten L'Oreal strahlt Julia Roberts, als sei ihr Hollywood-Hit "Pretty Woman" gerade in den Kinos gestartet - dabei ist der Film 21 Jahre alt. Ganz offensichtlich haben die Werbeexperten das Antlitz der 43-Jährigen kräftig nachbearbeitet. Der britischen Werbeaufsicht ging die Verjüngungskur per Photoshop zu weit - sie ließ die Aufnahmen vom Markt nehmen.
Erstritten hat das Verbot Jo Swinson, britisches Parlamentsmitglied und erbitterte Gegnerin von unglaubwürdigen, überzogenen Schönheitsidealen in den Medien. "Exzessive Nachbearbeitung ist inzwischen der Standard. Aber Julia Roberts und Christy Turlington sind natürliche Schönheiten, die so etwas nicht nötig haben", sagte Swinson dem "Guardian". Auch Werbefotos von Topmodel Turlington hatten die Werbewächter aus dem Verkehr gezogen. L'Oreal hat in beiden Fällen eine Nachbearbeitung eingeräumt.
Swinson sieht in der aktuellen Kampagne des französischen Make-up-Herstellers ein Beispiel eines beunruhigenden Trends. "Die Hälfte der britischen Mädchen zwischen 16 und 21 Jahren würde sich einer Schönheitsoperation unterziehen. Die Zahl der essgestörten Jugendlichen hat sich in den letzten 15 Jahren verdoppelt. Das übertriebene Retuschieren trägt zu diesem Problem bei."
Dass die digitale Manipulation von Mode- und Modelaufnahmen kein rein britisches Problem ist, offenbart ein kurzer Blick auf deutsche Zeitungsstände. Nahezu jede TV-Programmzeitschrift schmückt sich, je nach Zielgruppe, mit Hollywood-Stars oder Serien-Sternchen. Krähenfüße, Lachfalten oder gar Fettpölsterchen sucht man auch hier vergebens, alles digital glattgebügelt. Manche Coveraufnahmen sind mehr Airbrush-Gemälde als echte Fotoaufnahme.
Das Schönheitsideal wird immer strenger
Diese Flut von künstlichen Idealbildern stößt auf Kritik. "Es ist absolut nicht egal, welche Bilder in den Medien präsentiert werden", sagt Soziologin Waltraud Posch. Die Österreicherin befasst sich in ihren Forschungen mit Körpersoziologie und Schönheitsidealen - und hat einen beunruhigenden Trend festgestellt: "Das Ideal verengt sich immer weiter. Schlank, fit, jugendlich, strahlend - diese Kriterien werden immer wichtiger." Die Vorgaben, was sozial erlaubt und erwünscht ist, werden immer strenger. Dies gelte nicht nur für Jugendliche, sondern genauso für Erwachsene.
Dabei spielt es laut Posch keine Rolle, dass sich viele Betrachter der Nachbearbeitung von Bildern grundsätzlich bewusst sind. Die schiere Menge der Aufnahmen, die täglich auf einen Konsumenten einprasseln, hebele diese wichtige Einordnung aus. "Wir sehen so viele Bilder, dass wir die Manipulation irgendwann nicht mehr bemerken", so Posch.
Rechtlich wäre ein Verbot nach britischem Vorbild in Deutschland schwierig. Zwar sei irreführende Werbung zur Wirkung von Kosmetika verboten, sagte Juristin Christiane Köber von der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs in Bad Homburg. "Theoretisch könnte man das in Deutschland untersagen." Es komme aber auf den Einzelfall an, ob wirklich der Eindruck erweckt werde, dass etwa eine Creme 20 Jahre jünger mache.
Werbeverband spricht von "Ohrfeige für den Verbraucher"
Das sieht die deutsche Werbebranche naturgemäß ein wenig anders. "Der Verbraucher in Deutschland kann durchaus Weißwein von Rotwein unterscheiden. Genauso weiß er, dass ein Model mit und ohne Make-up unterschiedlich aussieht. Das ist Lebenserfahrung", sagte Volker Nickel, Sprecher des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft, zu SPIEGEL ONLINE.
Auf jedem Wahlplakat seien ähnliche Retuschen zu finden. "Jedem Bürger ist klar, dass Politiker einen anstrengenden Job haben und nicht immer aussehen wie geleckt. Trotzdem regt sich darüber niemand auf."
Auch von einer Verantwortung gegenüber den jüngeren Konsumenten will Nickel nichts wissen: "Eine 16-Jährige tauscht sich mit ihrem Umfeld über Make-up und Werbefotos aus. Da wird niemand getäuscht", so Nickel. Ein ähnliches Verbot sei in Deutschland undenkbar, es käme einer "Ohrfeige für den Verbraucher gleich".
Hersteller L'Oreal teilte mit, man sei von der Entscheidung der englischen Werbeaufsicht "sehr enttäuscht". Die Deutschlandzentrale erklärte auf Nachfrage von SPIEGEL ONLINE, man plane derzeit nicht, die Aufnahmen vom deutschen Markt zu nehmen.
Zumindest in England sieht Politikerin Jo Swinson im Machtwort des Werberats eine dringend nötige Kurskorrektur: "Dieses Verbot sendet eine starke Botschaft an die Werbebranche - lasst uns zur Realität zurückkehren."