

Hamburg - Die Aussagen seiner Ex-Freundin, wonach Wettermoderator Jörg Kachelmann sie in der Nacht zum 9. Februar vergewaltigt haben soll, weisen nach Informationen des SPIEGEL offenbar eklatante Mängel auf. In einem von der Staatsanwaltschaft Mannheim in Auftrag gegebenen Gutachten, das am vergangenen Mittwoch einging, kommt die Bremer Psychologin Luise Greuel zu dem Schluss, dass die Schilderung der Vergewaltigung nicht die Mindestanforderungen an die logische Konsistenz, Detaillierung und Konstanz erfülle.
Das mutmaßliche Opfer könne die Tat selbst bei eingehender Befragung nur vage und oberflächlich wiedergeben, so Greuel. Es würden auch Sachverhalte dargestellt, die handlungstechnisch unwahrscheinlich bis unmöglich seien. Zwar ist damit laut Greuel keineswegs eine Falschaussage erwiesen. Die im gerichtlichen Kontext gebotene Zuverlässigkeit der Aussagen sei aber nicht gegeben.
Erhebliche Zweifel hatten sich für die Gutachterin sowohl aus der Tatschilderung als auch aus der Tatsache ergeben, dass das mutmaßliche Opfer erst in der vierten Vernehmung in zwei Punkten zum Verhalten vor der Tat Lügen eingeräumt hatte. Selbst dabei hatte die Frau zunächst nur eine Unwahrheit eingestanden und eine zweite weiter aufrechterhalten, bevor sie auch diese eingestand.
Belastbarkeit von Blutspuren
Zweifel gibt es zudem an der Belastbarkeit von Blutspuren der Frau an einem Messer, das Jörg Kachelmann ihr bei der Tat an den Hals gehalten haben soll. Laut einem Bericht des Landeskriminalamts (LKA) Baden-Württemberg war die Spur so winzig, dass sich nicht feststellen ließ, ob es sich um Blut der Frau handelte oder um Tierblut, das möglicherweise mit Hautpartikeln von ihr behaftet war. Bei DNA-Spuren am Messer konnte das LKA zwar nicht ausschließen, dass Kachelmann es in der Hand gehalten hatte. Ein unzweifelhafter Nachweis sei aber nicht möglich gewesen.
Inzwischen hat der Leiter der Rechtsmedizin Heidelberg, Rainer Mattern, der die Frau untersucht hatte, in nunmehr zwei Gutachten klargestellt, dass die vorgefundenen Verletzungen weder eindeutig einer Fremd- noch einer Selbstverletzung zuzuordnen seien. Für beide Varianten seien die Verletzungen ungewöhnlich.
Der münstersche Rechtsmediziner Bernd Brinkmann, der im Auftrag der Verteidigung die Verletzungen begutachtete, kam dagegen zu dem Schluss, dass die geschilderte Tat mit dem Verletzungsbild nicht in Einklang zu bringen sei und dies für eine Selbstverletzung und damit für eine vorgetäuschte Tat spreche.
Der Anwalt der Ex-Freundin äußerte sich nicht zu den Gutachten mit der Begründung, er kenne die Expertisen nicht.
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Kachelmann steigt in einen Gefangenentransporter: Die Staatsanwaltschaft Mannheim erhob Anklage gegen den TV-Moderator...
...Ihm wird vorgeworfen, seine Freundin vergewaltigt zu haben.
Jörg Kachelmann (M.) mit seinem Anwalt Reinhard Birkenstock vor dem Mannheimer Amtsgericht: Unschuld belegt?
Kachelmann vor dem Logo der Unwetterzentrale seines Unternehmens Meteomedia: Der 51-Jährige wurde als TV-Wetterexperte populär.
Der Wettermann beteuert seine Unschuld.
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Kachelmanns Anwälte weisen die Vorwürfe als "frei erfunden" zurück.
Außer einem Strafverteidiger beschäftigt sich auch ein Medienanwalt im Auftrag von Kachelmann mit dem Fall: Ralf Höcker ist selbst ein bekanntes TV-Gesicht. Besonders angetan haben es ihm Rechtsirrtümer, also das Alltagswissen und -unwissen über Recht und Unrecht.
Kachelmann machte sein Hobby, die Meteorologie, 1991 zum Beruf. Er gründete in Bächli bei St. Gallen den Wetterdienst Meteomedia, der SWR engagierte den autodidaktisch ausgebildeten Meteorologen als "Wettermän", mit dem Start des ARD-Frühstücksfernsehens im Jahr 1992 begann seine Fernsehkarriere.
Im März 1996 präsentiert Kachelmann das Logo des TV-Wetterkanals. Der ARD-Wettermann war das Zugpferd. Am 29. Januar 1998 stellte der Düsseldorfer Fernsehsender seinen Sendebetrieb bis auf weiteres ein.
Kachelmann versuchte sich auch in der TV-Unterhaltung: Seit 1997 moderierte er einige Jahre lang mit Unterbrechungen die MDR-Talkshow "Riverboat". Im Januar 2007 posierte er mit seinen Moderationskollegen Jan Hofer und Andrea Kiewel.
Keinen Erfolg hatte er als Quizmaster, als er 1998 die Neuauflage der legendären Show "Einer wird gewinnen" übernahm, die Hans Joachim Kulenkampff berühmt gemacht hatte. In einer Sendung im Mai 1998 benutzte er einen sogenannten Pümpel als Mikro. Schauspieler Wolfgang Fierek und eine Mitwirkende schauten vergnügt zu.
Im Februar 1998 stellt der Wettermann auf der Spielwarenmesse in Nürnberg den Experimentierkasten "Kachelmanns Wetterstation" vor.
Im April 2000 eröffnet er zusammen mit Axel Schnohr (l.) auf der Nordseeinsel Borkum sein viertes Wetterstudio. Schnor sollte dort für die Meteomedia AG Wetterdaten sammeln und im Fernsehen in der ARD im Morgenmagazin und im Abendprogramm seine Prognose abgeben.
Der "TV-Wetterfrosch" demonstriert im Oktober 2000 dem damaligen Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) auf der Ostseeinsel Vilm ein Temperaturmessgerät.
Im Juni 2002 weiht er zusammen mit dem Leiter des World Wildlife Fund (WWF) für Vorpommern, Jochen Lamp, auf dem Königsstuhl auf Rügen eine neue automatische Wetterstation ein. Von dort werden stündlich Daten über Temperatur, Windstärke, Niederschlagsmengen und Sonnenscheindauer von Kachelmanns Firma Meteomedia gemessen und ausgewertet.
Ein Tausendsassa: Auch als Autor ist Kachelmann tätig. Im Oktober 2002 präsentiert er auf der Frankfurter Buchmesse sein neues Buch "Die große Flut".
Bei der Arbeit: Im Oktober 2002 bereitet Kachelmann einen Niederschlagsmessbehälter vor. Auf dem Freiburger Hausberg Schauinsland setzt er eine weitere Messstation in Betrieb und erweitert so das umfangreiche Messnetz von Meteomedia um einen markanten Punkt.
Kachelmann im Meteomedia-Büro in Bochum: Er baute das Unternehmen zu einem der größten privaten Wetterdienstleister in Europa aus, mit inzwischen rund 120 Mitarbeitern. Mittlerweile produziert Meteomedia unter anderem die Wetterberichte für verschiedene Anstalten der ARD.
Kachelmann (Archivbild von 2007): Der Zugriff am Frankfurter Flughafen war lange geplant.
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