Lena Blauer Haken über ihre kurzzeitige Twitter-Sperre: "Ich bin keine Hetzerin"
Dieser Beitrag wurde am 13.11.2019 auf bento.de veröffentlicht.
Wer mich kennt, kennt mich von Twitter. Ich poste, was mir gerade in den Sinn kommt, oft geht es um
die Uni, meine Zweifel. Trotzdem versuche ich witzig zu sein – manchmal klappt das sogar.
Jetzt wird mir allerdings vorgeworfen, ich würde Hetze betreiben. Twitter hat deshalb am Wochenende vorrübergehend meinen Account gesperrt. Jetzt bin ich wieder online, trotzdem frage ich mich: Ich soll eine Hetzerin sein? Wie bitte?
Lena versucht zu verstehen, warum Twitter sie sperrte
Lena Weber ist bei Twitter als "Lena Blauer Haken" unterwegs, sie twittert über Ungerechtigkeit, Beleidigungen von Minderheiten und ganz gewöhnliche Alltagsprobleme. Fast 22.000 Menschen folgen ihr. Bei bento schreibt sie regelmäßig über die Herausforderungen eines Studiums.
Ich
würde gerne erklären, wieso genau ich gesperrt wurde, aber der Twitter-Support
lieferte mir – trotz meines Einspruchs – keine Begründung. Sie schrieben mir immer wieder, es verstoße gegen die Regeln der Plattform, Gewalt gegen andere
aufgrund von Rasse, ethnischer Zugehörigkeit, nationaler Herkunft, sexueller
Orientierung, Geschlecht, geschlechtlicher Identität, religiöser Zugehörigkeit,
Alter, wegen Behinderung oder Krankheit zu fördern oder eine Person deshalb
anzugreifen.
Ja, okay cool, sehr gute Regeln – aber ich mach' halt auch nichts davon. Im Gegenteil: Ich setze mich bewusst dafür ein, dass eben niemand diskriminiert wird. Und bevor jetzt einige Einwände kommen: Nein, weiße Cis-Männer haben kein Problem mit Diskriminierung, wirklich nicht.
Also
machte ich mich selbst auf die Suche nach der Ursache für die Sperrung und
ging meine Tweets der letzten Tage durch.
Überraschung: Ich habe in keinem von
ihnen plötzlich angefangen, homophobe Gedanken zu verbreiten oder
ausländerfeindliche Parolen zu schwingen. Meine persönlichen Best-ofs:
- "Zwei Sandkörner laufen durch die Wüste, sagt das eine zum anderen: …
Nichts, denn Sandkörner können nicht sprechen."
- "Mein Samstagabend ist eine Flasche Wein, Shining schauen und Malen nach Zahlen."
Okay, etwas politischer wird es dann doch noch: Einer meiner Tweets bezieht sich auf die Demonstration der Partei "Die Rechte" am 9. November in Bielefeld. 230 Neonazis kamen und 14.000 Gegendemonstranten (SPIEGEL ONLINE). Mein Tweet darüber beinhaltete den Ausdruck "Drecks Nazis", bekam relativ viel Aufmerksamkeit, aber war mitnichten eine Gewaltandrohung. Ob ich wirklich dafür gesperrt wurde? Keine Ahnung, Twitter erklärt es mir ja nicht.
Immerhin konnte ich mich auf eines verlassen: meine Twitter-Community. Leute, die mich gerne lesen, starteten den Hashtag #freelena. Doch umso mehr Zeit verstrich, desto mehr Tweets unter dem Hashtag bezeichneten mich als linke Hetzerin, die es verdient habe. Endlich habe Twitter "sauber gemacht". Meine Lieblingsbeleidigung: "frustrierte Männerhasserin". Darauf hätte ich gerne etwas entgegnet. Aber ach schade, ging ja nicht.
Wieso Twitter meine dauerhafte Sperrung zurückgenommen hat, weiß ich wieder nicht – keine Erklärung. Was die Sache also zeigt, ist, dass der Twitter-Support und seine Handlungen alles andere als transparent sind. In Deutschland gibt es auch keinen offiziellen Pressekontakt. Das Vorgehen fühlt sich nach Willkür an.
Viele aus meiner Bubble
werden und wurden schon gesperrt. Meine Vermutung: Es gibt rechte Netzwerke,
die gezielt Leute, die links sind –
links, nicht linksradikal – für alles Mögliche melden. Mit dem Ziel, dass die Userinnen und User irgendwann gesperrt werden.
Bei den Meldungen bleibt es nicht. Drohungen auf Twitter gehören zur Tagesordnung. Zuletzt gab es den Fall,
dass einer Userin damit gedroht wurde, dass man wisse, wo ihre Kinder zur
Schule gehen. Sie hat aber zum Glück gar keine Kinder. "Witze" über
Vergewaltigungen sind auf der Plattform nichts Außergewöhnliches.
Feministinnen sind immer "unterfickte Fotzen". Leute schreiben mir, sie
wüssten, wo ich wohne (es hat bisher zum Glück noch nie gestimmt). Es gab einen
riesigen Shitstorm gegen mich, als ich aufklärte, dass man "Jedem das Seine"
vielleicht lieber aus dem Wortschatz streichen sollte.
Aber was unternimmt man dagegen?
Twitter hat in den letzten Wochen politische Werbung verboten, Regeln für Staatschefs aufgestellt – aber wenn Twitter-Nutzerinnen bedroht werden wie ich, fühle ich mich allein gelassen.
Kurzzeitig
hatte ich keine Lust mehr auf Twitter. Einspruch beim Support schien
nichts zu bringen und die Willkür dieser Sperrungen ermüdeten mich. Wo fängt Hetze an und wo hört sie
auf?
Ich versuche, immer noch gelassen zu bleiben. Ist ja nur das Internet, nur eine blöde Plattform. Aber am Ende bin ich auch nur eine 21-jährige Studentin, die ihren Ausgleich durch kleine Witzchen auf Twitter sucht und sich am Zuspruch erfreut – den es ja durchaus auch gibt. Für mich fühlt es sich falsch an, Twitter auf Wiedersehen zu sagen: Ich ertrage den Hass, um weiter gegen ihn anzukämpfen.
*Lenas Nachricht an Twitter und die Antworten liegen der Redaktion vor.