
London: Fettklopse im Untergrund
Ärger in der Unterwelt Mr. Minneys Kampf gegen Londons Fettberge
Während sich am frühen Vormittag ein süßlicher Geruch aus den Küchen der vielen Restaurants in Londons Chinatown ausbreitet, steckt Vincent Minney bereits bis zur Hüfte in breiiger, stinkender Fäkalmasse. Rund vier Meter unter der Erdoberfläche zwängt sich der 57-Jährige durch einen Abwasserschacht und inspiziert den über 150 Jahre alten Tunnel, der sich unter dem Viertel erstreckt.
Wenig später ist der erfahrene Kanalreiniger am Ziel: In einer Nebenstraße des bei Touristen so beliebten Leicester Square, blockiert ein "Fatberg" die Abwasserrohre. "Dieser hier ist zum Glück nur 50 Meter lang", sagt Minney, der bereits seit 27 Jahren für den privaten Wasserversorger Thames Water das Abwassernetz der Metropole instand hält.
Fettberge sind zu einem großen Problem in der britischen Hauptstadt geworden. Es sind große Klumpen aus gehärtetem Kochfett, Damenbinden, Feuchttüchern und ähnlichen Gegenständen, die nicht wie Toilettenpapier zerfallen können. Sie vermengen sie sich in den Rohren unter der Stadt zu einer betonharten Masse.

London: Fettklopse im Untergrund
Das Problem ist den Briten mittlerweile bestens bekannt; seit 2015 findet man den Begriff "Fatberg" sogar im offiziellen Oxford-Wörterbuch. Doch selbst die Londoner staunten, als Minneys Team Anfang September den Fund eines Monstrums im Stadtteil Whitechapel publik machte. Mit rund 250 Metern Länge und einem Gewicht von 130 Tonnen stellte dieser "Fatberg" alles bis dahin Bekannte in den Schatten.
"Verstopfte Rohre wie dieses hier kosten die Stadt monatlich rund eine Million Pfund", sagt Alex Saunders, zuständiger Manager von Thames Waters. Doch warum sind die Fettberge gerade in London ein so großes Problem? Könnten die Rohre selbst schuld an der Misere sein? Schließlich ist das Abwassernetz über 150 Jahre alt. Damals war es aus der Not heraus entstanden, weil sich immer mehr Haushalte Toiletten mit Wasserspülung zulegten - und diese Abwasser in die Themse spülten. Das System ist auch heute noch in Betrieb. Trotzdem sind die Verstopfungen den Experten von Thames Water zufolge nicht auf das Alter der Rohre zurückzuführen.
Im Video: Fettklumpen verstopft Kanal
"Die Toilette ist kein Mülleimer!"
"Die unterirdischen Kanäle sind auch heute noch super in Schuss", sagt Saunders. Das Problem sei eher das stetige Bevölkerungswachstum und die immer "fettigeren Essensgewohnheiten". So sei es kein Zufall, dass die meisten Fettberge in belebten, von Gastronomie durchzogenen Vierteln entdeckt werden. "Wir essen heutzutage gerne viel und fettig - und im schlimmsten Fall wischen wir uns danach den Hintern mit Feuchtpapier ab."
Nicht nur in London stellt die unsachgemäße Entsorgung von Abfällen in der Toilette ein Problem dar. "Solche Dimensionen kennen wir hier nicht, aber auch in Deutschland setzen steigende Müllmengen im Abwasser den Abwassersystemen zu", sagt eine Sprecherin des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU). Immer wieder komme es zu teuren Einsätzen, bei denen verstopfte Kanäle oder Pumpen von Feuchttüchern, Wattestäbchen und anderen Hygieneartikeln befreit werden müssten. Die Expertin mahnt: "Die Toilette ist kein Mülleimer!"
Saunders und seine Kollegen hoffen, dass diese Botschaft irgendwann auch bei den Londonern ankommt. Handlungsbedarf besteht vor allem in der Gastronomieszene: Von 700 überprüften Restaurants verstoßen laut Thames Water 92 Prozent gegen die Entsorgungsauflagen. Das bedeutet, dass sie die Fettberge "füttern", weil sie keine Fettabscheider zur Trennung der Öle und Fette vom Abwasser installiert haben.
Das so aufgefangene Fett könnte am Ende sogar noch einen guten Zweck erfüllen. In einer eigens dafür gefertigten Anlage soll es künftig in Biodiesel umgewandelt werden. Aus dem "Monster von Whitechapel" werden so 10.000 Liter umweltfreundlicher Kraftstoff.