»Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut.«
Bei 33 Grad demonstrieren ein paar hundert Menschen in Lüneburg für mehr Klimaschutz. Mit dabei ist die Bürgerinitiative »Unser Wasser«. Sie kämpft seit Monaten gegen den Getränkekonzern Coca-Cola, weil dieser plant, zusätzlich zu zwei bereits bestehenden Brunnen im Landkreis einen weiteren in Betrieb zu nehmen.
Moritz Metzler / Bürgerinitiative »Unser Wasser«
»Unser Ziel ist es, den dritten Brunnen von Coca-Cola zu verhindern und generell das Grundwasser hier so zu schützen, dass es auch künftig noch Generationen zu Verfügung steht. Das ist auch ein Teil von Klima-Gerechtigkeit.«
Lisa Steinwandel / »Fridays For Future«
»Auch in Zukunft wird es für uns in Lüneburg ein Problem darstellen, wenn das Trinkwasser knapper wird, wenn es heißer wird, wie wir heute ja auch sehen und dann das Wasser an Coca-Cola geht, was eigentlich den Bürger:innen von Lüneburg zur Verfügung gestellt werden sollte.«
Jantje / Bürgerinitiative »Unser Wasser«
»Es werden nicht nur die nächsten Generationen sein, sondern auch ich werde Verteilungskämpfe um Wasser mitkriegen und ich möchte nicht, dass das auch hier stattfindet.«
Doch wem gehört das Wasser? Um diese Frage kreist seit Jahren ein Konflikt in Lüneburg.
Kein uns bekannter Planet verfügt über so viel Wasser wie die Erde. Doch für den Menschen ist nur ein Bruchteil davon direkt nutzbar und das meiste Süßwasser schwer erreichbar. Nur rund 2,5 Prozent der globalen Wasserressourcen sind Süßwasser. Etwas mehr als 30 Prozent davon bilden unterirdische Grundwasserressourcen. Daten des Bundesumweltamtes zeigen, dass gegenüber den 1960er-Jahren an vielen Orten die Grundwasserstände bereits erheblich gesunken sind.
Was von oben wie eine Tonne aussieht ist der Brunnen, mit dem Coca-Cola in Lüneburg seine Wasserförderung in Zukunft verdoppeln möchte. Der Landkreis hatte im vergangenen Jahr einer Probe-Bohrung zugestimmt. Sie ist die Voraussetzung für ein behördliches Genehmigungsverfahren.
Für Moritz Metzler und seine MitstreiterInnen von der der Bürgerinitiative »Unser Wasser« hätte schon diese Probebohrung nicht stattfinden dürfen.
Moritz Metzler / Bürgerinitiative »Unser Wasser«
»Hier stehen wir an dem Brunnen, der ist momentan versiegelt, der ist knapp 200 Meter tief. Um das Verfahren durchzuführen, musste ein Brunnen gebaut werden und da werden ja schon Tatsachen geschaffen. Einen Brunnen, der schon steht, zu benutzen, ist viel einfacher als einen Neuen zu bohren. Der wurde jetzt gebohrt und steht, obwohl gar nicht die Öffentlichkeit einbezogen wurde.«
Das Echo der Parteien vor Ort ist geteilt, grundsätzlich aber eher kritisch. Ein nachhaltiges Wassermanagement fordert beispielsweise die Lüneburger SPD, doch das Wasserhaushaltsgesetz ist Ländersache und muss vom Land Niedersachsen angepasst werden. Insgesamt wurden knapp 100000 Kubikmeter Wasser testweise gefördert. Mehr als 80 Grundwassermessstellen beobachteten den Pumpversuch. Die Daten sollen nun zeigen, wie der Grundwasserspiegel reagiert.
Moritz Metzler / Bürgerinitiative »Unser Wasser«
»Hier waren riesige Anlagen aufgebaut und das Rohr ging, ich schätze zwei Kilometer nach Reppenstedt, fast in den Ort rein. Und der Bach heißt der ›Kranke Hinrich‹, der ist dann gesprudelt vor Zorn, kann man sagen. Das Wasser aus der Tiefe hat natürlich eine ganz andere Temperatur, wurde dort im Februar eingeleitet, was natürlich auch für die Lebewesen dort vor Ort in dem Bach alles durcheinandergebracht hat, was auch überhaupt nicht optimal war. Hinzu kommt, das Wasser ist ja in bester Qualität. Das können sich andere Regionen nur wünschen und das wurde einfach den Bach runtergespült.«
Coca-Cola möchte sich zu dem Thema nicht vor der Kamera äußern. Man wolle, Zitat »den emotionalen Konflikt nicht noch anheizen«, Zitat Ende. In einer E-Mail erklärt die Pressesprecherin einen Grund für den Brunnenbau.
»Seit 2007 füllen wir am Standort in Lüneburg das natürliche Mineralwasser ViO – es war der Rettungsanker für den Betrieb, der im Zuge der Einwegpfandeinführung und nachfolgend starker Verunsicherung im Handel kurz vor dem Aus stand.«
Moritz Metzler / Bürgerinitiative »Unser Wasser«
»Das Argument der Arbeitsplätze hört man ja öfters. Ich kann das überhaupt nicht nachvollziehen. Denn um den Brunnen 1 und 2, darum geht es ja gar nicht in dem Konflikt. Die sollen ja nicht verhindert werden. Der Betrieb könnte weiterlaufen und somit könnte auch Coca-Cola sein Vio-Wasser wie bisher weiter abfüllen.«
Der Mann, der in diesem Konflikt das letzte Wort haben wird, ist Stefan Bartscht. Er leitet die zuständige Umweltabteilung des Landkreises. Er wird entscheiden, ob Coca-Cola in Zukunft das Wasser fördern darf oder nicht. Die formale Grundlage seiner Entscheidung ist der Grundwasser-Bewirtschaftung-Erlass des Landes Niedersachsens. Dieser Erlass regelt, wie viel Wasser gefördert werden darf. Problem ist nur, dass die dort zu Grunde liegenden Klimadaten nicht aktuell sind.
Stefan Bartscht / Fachdienstleiter Umwelt Landkreis Lüneburg
»Was im Moment sehr in der Kritik steht, ist, dass diesem Grundwasser-Bewirtschaftung-Erlass Klimadaten für jeweils 30 Jahre zugrunde liegen, die von 1960 bis 1990 gehen. Und das ist natürlich fachlich einerseits problematisch und auch in der Öffentlichkeit kaum zu vermitteln.«
Das bedeutet also, dass die klimatischen Veränderungen der letzten dreißig Jahre bei der Bewertung im Moment keine Rolle spielen würden. Dabei waren sie extrem: 2018 und 2019 gab es so großflächig so wenig Wasser in Europa wie seit 250 Jahren nicht. Das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung aktualisiert täglich einen sogenannten Dürremonitor. Seit dem Start 2014 gab es kein Jahr, in dem es nicht irgendwo in Deutschland tiefrote Gebiete gibt, die Signalfarbe für die höchste von fünf Trockenstufen.
Diese Daten sollen nun in einem neuen Erlass Beachtung finden. Doch das dauert noch. Prognostiziert ist er für Ende 2022. Ein weiterer Kritikpunkt: Die Gutachter, die die Daten der Probebohrung auswerten, hat Coca-Cola ausgesucht und bezahlt.
Stefan Bartscht / Fachdienstleiter Umwelt Landkreis Lüneburg
»Ja, es ist so, wenn sie in Deutschland einen Antrag stellen wollen, egal, ob das eine Windkraftanlage ist oder ob das ein Brunnen ist oder ein Bauantrag für irgendetwas anderes, dann muss immer der Antragssteller die Antragsunterlagen beibringen.«
Ein Liter Grundwasser kostet den Getränkehersteller 0,018 Cent. Im Laden wird es für einen tausendfachen Preis verkauft. Marianne Temmesfeld, Mitbegründerin der Bürgerinitiative, kann das nicht verstehen. Sie beruft sich auf die Europäische Wasserrahmenrichtlinie, in deren Präambel steht, dass Wasser keine übliche Handelsware ist, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss.
Marianne Temmesfeld / Mitbegründerin Bürgerinitiative »Unser Wasser«
»Es ist eine völlig unsinnige Verwendung von Grundwasser, weil Coca-Cola verkauft das Wasser als Wasser. Das kann nicht sein! Wasser ist ein Allgemeingut. Das kann nicht einfach von kommerziellen Nutzern in dieser Art und Weise vermarktet werden. Das finden wir nicht in Ordnung.«
Vermutlich im Herbst wird das Gutachten der Probebohrung fertig sein. Der Streit um das Grundwasser in Lüneburg wird weitergehen.