Hey Mediamarkt, ich brauche deine Klischees nicht, um mich männlich zu fühlen
Dieser Beitrag wurde am 15.11.2018 auf bento.de veröffentlicht.
Wir Männer haben es nicht leicht. Überall lauern Gefahren für unsere Männlichkeit: "Weicher" sollen wir sein und ständig haben wir Belästigungsvorwürfe am Hals – nur weil wir einer Frau ein Kompliment gemacht haben...mit den Händen...an ihrem Hintern. Na ja, jedenfalls: Wie soll man da noch ein richtiger Mann sein?
Immerhin sind wir in der Werbung noch richtige Kerle. Da kriegt der bärtige, kohleverschmierte Arbeiter von der hübschen Barkeeperin einen Whisky in die Hand gedrückt und der verschwitzte Bauarbeiter darf hübschen Mädels hinterherpfeifen. Und nun sind bei Mediamarkt auch noch die "Männertage" gestartet – geil!
Aber Moment, dabei geht es um... Gefühle. Wie jetzt: Was gibt es denn noch außer Hunger, Durst und Lust?!
Zunächst einmal geht es bei den "Männertagen" um Angebote, von denen Mediamarkt offenbar annimmt, dass sie jeder Mann haben will. Zum Beispiel einen Robo-Staubsauger – weil wir Männer natürlich zu faul zum Saubermachen sind. Dazu gibt es Shitstorm-erregende Plakate wie dieses:
Aber man beachte den Text, den Schauspielerin Sophia Thomalla zu ihrem Poster der Kampagne schreibt. Die "Männertage" sind nämlich doppeldeutig gemeint – als Aktionstage und Anspielung auf die weibliche Periode. Oder um es mit Thomallas unangenehmen Worten zu sagen: "Nicht nur wir Frauen gehen den Männern immer gehörig auf den Sack, wenn wir unsere Phasen haben. Männer können genauso launisch, bockig und gereizt sein."
Wow... Aber konzentrieren wir uns mal auf das Positive: Immerhin werden Männern hier mal Gefühle zugesprochen.
Auch, wenn diese offenbar ungezügelte Wut sich nur durch unbändigen Konsumdrang beherrschen lässt...
Ich will trotzdem wissen, was dahinter steckt und zunächst lässt mich die Webseite zu den Männertagen hoffen, dass hier aufgeklärt werden soll. Offenbar hat Mediamarkt eine Studie in Auftrag gegeben, bei der herauskommt: Ja, auch wir Männer haben Gefühle. Überraschung.
Darin geben zwei von drei Männern an, Stimmungsschwankungen zu haben, sich mehr als einmal im Monat reizbar oder antriebslos zu fühlen. Nur 24 Prozent der Partnerinnen seien verständnisvoll, wenn ihr Partner sich so fühle. Man könnte sich hier natürlich die Frage stellen, warum sich so viele Männer so oft negativ fühlen und die Gesellschaft wenig Verständnis zeigt. Schließlich bekommen Männer noch immer oft zu hören: "Stell dich nicht so an", "Männer weinen nicht", "Sei kein Mädchen".
Denn ganz ehrlich: Es ist eine Schande für unsere Gesellschaft, wenn Menschen das Gefühl haben, sie müssten ihre Emotionen permanent unterdrücken.
Also: Was tun? Mediamarkt verspricht therapeutischen Erfolg durch Konsum. Kauft Elektrogeräte und alles wird gut. Und nennt diese Gefühle einfach "Männertage".
Zwei Probleme.
Es ist verdammt arrogant gegenüber Frauen, die wirklich eine Periode haben. Denn das bedeutet nicht einfach, klischeehafte Stimmungsschwankungen zu haben, sondern ist oft mit starken Schmerzen verbunden, die sogar bis zur Ohnmacht führen können.
Zweitens sorgen genau solche beknackten Rollenbilder dafür, dass sich Männer weiterhin nicht trauen, über ihre echten Gefühle zu reden. Und das hat schwere Folgen: In Deutschland begehen jedes Jahr dreimal so viele Männer Suizid wie Frauen. Neben Fehldiagnosen reden Männer viel weniger über Depressionen, weil sie das Gefühl haben, sie müssten das gesellschaftlich dominierende Bild des starken Mannes aufrecht erhalten. (swr.de)
Aber nein, bei Mediamarkt ist das alles nur "Mimimi":
Mediamarkt ist natürlich nicht der einzige Schuldige und Männer nicht die einzigen Opfer.
Frauen sind von Stereotypen oder Sexismus in der Werbung noch häufiger und stärker
betroffen. Sie werden ständig sexualisiert und sind häufiger Opfer von Gewalt. Das hängt auch miteinander zusammen. Eine gemeinsame Studie der Unis Wien und Triest hat gezeigt: Männer haben weniger Mitgefühl mit Frauen, wenn diese ständig als Sexobjekte dargestellt werden (bento).
Und selbst wenn Werbung sich an Männerklischees bedient, betrifft das oft auch Frauen. Da gibt es den Getränkemarkt, der damit wirbt: "Die Mama bringt’s, der Papa trinkt’s." Oder die Supermarktkette Real, die für eine Backmischung wirbt mit dem Slogan: "Jetzt kriegen’s auch Männer gebacken." Oder wenn Edeka meint, Männer würden sich nur über ihr Grillfeuer definieren.
Lasst Frauen und Männer normale Menschen sein – und BITTE lasst mich selbst entscheiden, was für ein Mann ich bin.
Klar, ich hätte auch gerne eine Playstation, so wie Jürgen Vogel auf seinem Media-Markt-Plakat. Aber mein Gefühlsspektrum geht, wie das aller Männer, darüber hinaus. Ich stehe auch auf ein gutes Grillsteak und ein gutes Bier. Aber ich lasse es mir nicht von meiner Freundin bringen und kann auch alleine ganz gut backen und kochen. Ich bin nicht so unsicher, dass ich mich über Klischees definieren muss.
Ich stehe dazu, wenn ich bei Filmen weine oder deprimiert im Bett liege. Das sind nicht irgendwelche Männertage, sondern echte Gefühle, die echte Menschen haben – unabhängig vom Geschlecht. Ich brauche keinen Konsum, um diese Emotionen zu überspielen, sondern, dass man mich ohne Klischees ernst nimmt.
Denn Emotionen haben kein Gender.